Faesers Desaster, Rheins Erfolg - Das Argument „Keine Ampel“ entscheidet die Hessen-Wahl

SPD-Spitzenkandidatin und Bundesinnenministerin Nancy Faeser ist die große Verliererin der hessischen Landtagswahl. Was für viele für die CDU von Ministerpräsident Boris Rhein sprach, war wohl die Aussicht, nicht von einer Ampel regiert zu werden.

Boris Rhein, Spitzenkandidat der CDU und Ministerpräsident von Hessen, 08.10.2023 / dpa
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Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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„Zeit für eine Ministerpräsidentin“ hatte die SPD plakatiert. Doch die Hessen wollen keine Ministerpräsidentin. Sie wollen einfach weitermachen wie bisher: Mit Ministerpräsident Boris Rhein von der CDU und einer schwarz-grünen Regierung. Rhein, seit Ende Mai letzten Jahres im Amt, ist der große Sieger. Er hat die von seinem Vorgänger Volker Bouffier übernommene Koalition mit den Grünen fortgeführt – pragmatisch und eher unspektakulär.

Seine Regierung versuchte erst gar nicht, jeden zweiten Tag mit einem neuen Leuchtturmprojekt zu punkten. Sie war vielmehr bemüht, die Position des Landes als attraktiver Wirtschaftsstandort zu halten, in Sicherheit und Bildung zu investieren und eine Klimapolitik zu verfolgen, die die Unternehmen nicht vertreibt.

Das überzeugendste Argument der CDU war wohl: „Keine Ampel in Hessen“. Der Ärger über die rot-grün-gelbe Politik kam der Union zugute und bescherte ihr ein Ergebnis, das an bessere Zeiten erinnert. SPD, Grüne und FDP mussten für Berlin büßen.

Faeser ist die große Verliererin

Die ganz große Verliererin ist SPD-Spitzenkandidatin Nancy Faeser. Mit ihr fiel die SPD auf unter 16 Prozent, das schlechteste Ergebnis in der Geschichte Hessens. Dabei hatte Olaf Scholz die hessische SPD-Vorsitzende in erster Linie deshalb zur Bundesinnenministerin gemacht, um ihr Rückenwind für die Landtagswahl zu verschaffen.

Kaum ein anderer Spitzenkandidat war vor einer Wahl so oft in den Fernsehnachrichten und Talkshows wie Faeser. Doch das half ihr nicht. Im Gegenteil: Seit Juni gingen die Umfragewerte der SPD ständig nach unten. Faeser war gerade in der die Gemüter bewegenden Flüchtlingsfrage nicht überzeugend. Wer beim Thema Grenzkontrollen ständig den Standpunkt wechselt, wirkt nicht glaubwürdig. Hinzu kam ihre Ansage, nur im Fall eines Wahlsieges überhaupt nach Hessen zu kommen. Auch das wirkte auf die Wähler nicht gerade attraktiv.

Negativ für Faeser und die SPD wirkte sich zudem die Affäre um die Ablösung des früheren BSI-Präsidenten Arne Schönbohm aus. Mit Schnapsideen, wie den Autoverkehr in Hessen Jahr für Jahr um 10 Prozent zu reduzieren oder Flüchtlingen nach sechs Monaten das Wahlrecht zu gewähren, machten sich die Genossen geradezu lächerlich.

Am härtesten hat es die FDP getroffen

Die Grünen liegen mit knapp 16 Prozent über den Umfragewerten im Bund. Hessen war traditionell immer eine grüne Hochburg; das bleibt auch so. Schließlich gab es hier schon in den 1980er-Jahren die erste rot-grüne Koalition. Doch die negativen Auswirkungen des „Heizungshammers“ und anderer Elemente der Ampel-Politik überdeckten die solide Regierungsarbeit der hessischen Grünen.

Am härtesten hat es die FDP getroffen. Im Wiesbadner Landtag war sie mit einer kurzen Unterbrechung (1982/83) seit Gründung des Landes stets vertreten. Jetzt verlor sie ein Drittel ihrer Stimmen und muss um den Wiedereinzug bangen. Ihr Spitzenkandidat zog als eben ziemlich Unbekannter in den Wahlkampf und blieb mehr oder weniger unbekannt. Dann setzte der übliche Effekt ein: Wenn die Umfragen Werte um 5 Prozent anzeigen, machen potentielle FDP-Wähler ihr Kreuz lieber bei der CDU, um ihre Stimme nicht zu verschenken.

Am linken Rand wirkte sich der Bundestrend ebenfalls aus. Der Niedergang der Linken führte in Hessen zum Ausscheiden aus dem Parlament. Das ist für die Partei besonders bitter, weil sie in keinem anderen westlichen Bundesland, vom Saarland abgesehen, so erfolgreich war wie in Hessen.

AfD-Aufschwung scheint nicht zu bremsen zu sein

Auf der anderen Seite des politischen Spektrums zeigte sich, dass der Aufschwung der  in Teilen rechtsextremen AfD auch im Westen nicht zu bremsen ist. Ausgerechnet im wohlhabenden Hessen, wo keine ostdeutschen „Wendeverlierer“ ihrem Unmut Luft machen, erreichte sie das bisher beste westdeutsche Landesergenis.

Boris Rhein könnte rechnerisch sowohl die Koalition mit den Grünen fortsetzen als auch sich mit der SPD zusammentun. Gespräche wird er mit beiden Parteien führen. Doch wollen viele in der CDU der SPD nicht verzeihen, dass sie kurz vor der Wahl mit der Unterstellung, Rhein wolle mit der AfD kooperieren, ein übles Foul begangen hat.

Diese Landtagswahl war insofern eine besondere, als sie mehr als die vorherigen von der Bundespolitik überlagert wurde. Die Partner der selbsternannten Fortschrittskoalition bekamen die Quittung dafür, dass das, was sie unter Fortschritt verstehen, von den Bürgern als Bedrohung wahrgenommen wird.

Im Konrad-Adenauer-Haus kann man sich nach den Erfolgen in Berlin, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen über ein weiteres gutes Landesergebnis freuen. Nur Oppositionsführer Friedrich Merz dürfte gemischte Gefühle haben. Denn Rhein hat anders als sein Bundesvorsitzender nicht in erster Linie die Grünen attackiert, sondern die SPD. Und hatte damit Erfolg.

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