Kontroverse um Werner Patzelt - Provokateur oder Opfer einer Intrige?

Hat der Politikwissenschaftler Werner Patzelt seine Senior-Professur an der TU Dresden verloren, weil er vor der sächsischen CDU die AfD beraten hat? Klaus-Rüdiger Mai bringt Licht ins Dunkel um den Streit an der Universität. Er warnt davor, den mutmaßlichen Brückenbauer für schwarz-blau zu dämonisieren

Aus der Forschung in die Politik: Werner Patzelt scheidet im Streit aus der TU Dresden / picture alliance
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Dr. Klaus-Rüdiger Mai, geboren 1963, Schriftsteller und Historiker, verfasste historische Sachbücher, Biographien und Essays, sowie historische Romane. Sein Spezialgebiet ist die europäische Geschichte.

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Er kommt aus den Schlagzeilen nicht mehr heraus. Seit Werner Patzelt in die Kommission berufen wurde, die das Wahlprogramm der sächsischen CDU für die Landtagswahl im Herbst erarbeiten soll, steht er im Zentrum eines höchst ungewöhnlichen Medieninteresses. Ungewöhnlich daran ist, dass sich die öffentliche Diskussion an der Berufung eines CDU-Mitglieds in eine Programmkommission entzündet. Dabei handelt es sich nicht um die Bundespartei, sondern um einen Landesverband. Der Tagesspiegel titelte alarmistisch: „In Sachsen wird die Tür für ein Bündnis von CDU und AfD geöffnet.“

Zur gleichen Zeit wurde bekannt, dass die Technische Universität Dresden es ablehnt, Werner Patzelt nach der Emeritierung zum Seniorprofessor zu machen. Beide Vorgänge gerieten in einen Zusammenhang und schlugen so hohe Wellen, dass sich die Technische Universität zu einer Pressemitteilung gezwungen sah, in der sie ihre Ablehnung damit begründete, dass „Patzelt Politik und Wissenschaft derart vermischt habe, dass dem Ruf der TU Dresden und der Fakultät dadurch geschadet wurde.“ Außerdem – und hier wird es interessant - führte die Universität an:  „Ein weiterer Grund ist die öffentliche, aus Sicht der TU Dresden nichtzutreffende Kritik seitens Professor Patzelt, der Rektor der TUD habe die Bundesfinanzierung für ein von und für Patzelt geplantes wissenschaftliches Institut verhindert.“ Kritik am Rektor als Grund, einer Seniorprofessur nicht zuzustimmen? Für eine Universität eine reichlich seltsame Begründung, aber auch ein Hinweis darauf, dass ein vollkommen anderer Konflikt im Hintergrund gärt. Möglicherweise hat der Rektor, Hans Müller-Steinhagen, selbst der eigenen Universität geschadet?

Streit um das „Pegida-Institut“  

Was war also geschehen? Schon vor Merkels Flüchtlingspolitik sorgte die famose Strategie der asymmetrischen Demobilisierung, die im Grunde nichts anderes als die Umsetzung grüner Ziele durch eine Bundeskanzlerin aus den Reihen der CDU war, dafür, dass sich die CDU schleichend einer immer größeren Gruppe ihrer Wähler entfremdete. Kalt spekulierten Merkel und Co. darauf, dass diese Wähler keine Alternative besäßen. Doch ein simpler Blick in die Geschichte hätte die banale Erkenntnis zu Tage gefördert, dass auch die Babylonische Gefangenschaft nicht ewig währt oder anders ausgedrückt, dass sich ignorierte Wählerinteressen neue politische Kräfte suchen würden. Die Merkelsche asymmetrische Demobilisierung führte zum Aufstieg der AfD,  zur symmetrischen Mobilisierung der Grünen, zur Störung der politischen Statik und schließlich zur Spaltung des Landes.

Bereits 2014, noch bevor die erste Demonstration von Pegida stattfand, hatte der Landesbeauftragte der Konrad-Adenauer-Stiftung für Sachsen, Joachim Klose, in zahlreichen Veranstaltungen den Eindruck gewonnen, dass neue politische Konflikte aufbrechen würden. Frühzeitig entwickelten er und Patzelt das Konzept eines „Instituts für Gesellschaftlichen Zusammenhalt und Integration“, um der gesellschaftlichen Polarisierung entgegenzuwirken. Dieses Konzept wurde dem Rektor der Technischen Universität Hans Müller Steinhagen im November 2014 vorgestellt. Laut Joachim Klose sei der Rektor „begeistert“ gewesen und habe seine Unterstützung zugesagt. Auch der damalige Innenminister des Freistaats, Markus Ulbig (CDU), unterstützte die Idee.

Aus Wissenschaft wird Ideologie

Doch Ulbig wurde Kandidat für die Wahl zum Oberbürgermeister von Dresden. Und nun geriet das Projekt in unsicheres Fahrwasser und wurde als „Pegida-Institut“ diffamiert. Gegen Ulbig trat nicht nur ein Kandidat der FDP an, der schließlich gewählt wurde, sondern auch die Wählerinitiative „Gemeinsam für Dresden“, die von den Stadtratsfraktionen der Grünen, der SPD, der Linken und von den Piraten unterstützt wurde. Die OB-Kandidatin der Wählerinitiative war die sächsische Ministerin für Wissenschaft und Kultur, Eva-Maria Stange (SPD). Überraschend für die Initiatoren des „Instituts für gesellschaftlichen Zusammenhalt und Integration“ wurde nun im Juni 2015 vom Wissenschaftsministerium, dem die OB-Kandidatin Stange vorstand, ein „Zentrum für Integrationsstudien“ an der TU Dresden gegründet. Um gesellschaftlichen Zusammenhalt ging es offensichtlich weder der Ministerin noch dem Rektor der TU Dresden. Schaut man sich die Zusammensetzung und die Aktivitäten des Zentrums an, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es eher geeignet ist, Spaltung zu vertiefen, als ihr entgegenzuwirken. Zumal das Zentrum zum Zwecke der Integration „auf ein eigenes gesellschaftliches Leitbild“ verzichten will. Die Frage, worein eigentlich integriert werden soll, stellt sich anscheinend nicht. So wird aus Rationalismus Irrationalismus, aus Wissenschaft Ideologie.

Klose und Patzelt unternahmen jedoch noch einen zweiten Versuch und gründeten im März 2016 den Verein „Zentrum für Gesellschaftlichen Zusammenhalt und Integration“.  Es gelang ihnen, den damaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Michael Kretschmer für das Projekt zu gewinnen. Schließlich stellte die Bundesregierung eine Summe von 37 Millionen Euro für die Gründung eines solchen Instituts zur Verfügung. Die Mittel sollten auf verschiedene Standorte und Träger aufgeteilt werden, und sie wurden öffentlich ausgeschrieben, so wie sich das gehört. Laut Patzelt beauftragte nun Rektor Müller-Steinhagen, ohne ihn darüber zu informieren, den Politikwissenschaftler Hans Vorländer damit, eine Arbeitsgruppe zu bilden, um sich an der Ausschreibung zu beteiligen. Im Nachhinein muss man feststellen, dass Müller-Steinhagen und Vorländer so erfolgreich agierten, dass die TU Dresden sich nicht unter den elf für die Vorphase ausgewählten Einrichtungen befand und auch nicht ein Cent von den 37 Millionen Euro der Technischen Universität zu Gute kommt – obwohl doch von ihr die Initiative für das Institut ausgegangen war. Diesen Vorgang kritisierte Patzelt, und diese Kritik empfand der Rektor als „nichtzutreffende Kritik“, weshalb er behauptete, Patzelt habe der Fakultät geschadet – und weshalb er ihm die  Seniorprofessur nicht bewilligte. Geschadet, so scheint es, hat der Rektor seiner Universität selbst. Die 37 Millionen Euro wurde verschiedenen Trägern bewilligt – unter anderem der Antonio Amadeu Stiftung, die Anleitungen herausgibt, wie Kita-Erzieherinnen von den Kindern die politische Gesinnung der Eltern herausfinden können.

Brückenbauer für schwarz-blau?

Die Nominierung von Werner Patzelt als Mitglied der sächsischen CDU-Wahlprogrammkommission hat nun Ängste bei der CDU und bei den Grünen geschürt, da Teile der Partei heftig von schwarz-grün träumen und andererseits schwarz-grün unter Zuhilfenahme einer dritten Partei die einzige Regierungsoption auf Bundesebene für die Grünen darstellt. Diese  grün-schwarze Harmonie könnte nun durch eine schwarz-blaue Koalition in Dresden gestört werden, für die Patzelt als Brückenbauer ausgemacht wurde. Diese These stützt sich auf die Nachricht, dass der Politikwissenschaftler auch die AfD beriet. In der Berichterstattung über den Dresdner Politikprofessor vermengte sich nun der Streit um das Institut für gesellschaftlichen Zusammenhalt mit der Sorge, dass Patzelt für eine schwarz-blaue Koalition in Dresden sorgen könnte, was erstens selbst er nicht vermag und was er zweitens nach eigenen Worten auch gar nicht will. Man darf ihm glauben, dass er seine Partei stärken möchte. Doch wird die CDU die Wahl in Sachsen mit Sicherheit verlieren wird, wenn sie Merkels asymmetrischer Demobilisierung folgt. Oder einfacher gesagt, wenn sie mehr auf die Grünen als auf ihre Wähler hört.

Generell gilt, dass Wissenschaftler beraten dürfen und sollen, und Politikwissenschaftler beraten nun einmal Politiker. Weiter gilt, dass ein Politikwissenschaftler alle Parteien beraten darf, die sich zur Wahl stellen. Würde man ein Gebot aufstellen, dass einige Parteien beraten werden dürfen, andere hingegen nicht, spräche aus dem Gebot der Ungeist des Totalitarismus und nicht der Geist der Demokratie. Und wenn es so war, dass Patzelt in seiner Tätigkeit die AfD auf die Grundlagen der Demokratie und die demokratischen Spielregeln hingewiesen und sie darin geschult hat, hat er ein gutes Werk für die Überwindung der Spaltung geleistet. Dagegen kann eigentlich nur sein, wer sich eine Spaltung der Gesellschaft wünscht. Was wir aber dringend benötigen, ist eine größere Rationalität in der öffentlichen Debatte.

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