Konstantin Kuhle - Klarer Kompass für die FDP

Nach mehreren Fehltritten des Parteichefs geht die Ära Lindner in der FDP dem Ende zu, bevor sie richtig angefangen hat. Für die Nachfolge läuft sich Konstantin Kuhle warm und überzeugt mit Prinzipien und Pragmatismus.

Gilt manchen als einer der begabtesten Nachwuchspolitiker: Konstantin Kuhle (FDP) / picture alliance
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Dieter Rulff ist freier Autor in Berlin.

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Wer eine Einladung in die Sendung des Berliner TV-Anarchos Kurt Krömer erhält, der sollte gewahr sein, dass man zu einem Grillabend geht – und man selbst derjenige ist, der auf dem Rost liegen wird. Ist man zudem noch Parteifreund des thüringischen FDP-Vorsitzenden Thomas Kemmerich, kann daraus schnell ein wahres Grillfest werden. 

„Aus Ihrer Partei kommt der erste Ministerpräsident, der mit den Stimmen von Rechtsradikalen ins Amt gekommen ist. Sind Sie stolz darauf?“ Hätte der FDP-Bundestagsabgeordnete Konstantin Kuhle nur halb so gewunden wie sein Vorsitzender Christian Lindner in den Tagen zuvor reagiert, die Party bei Krömer wäre für ihn gelaufen gewesen. Stattdessen redet er Klartext: „Richtig üble Nummer, ich schäme mich dafür.“ Einspieler Wolfgang Kubicki, er sei „als Liberaler froh, dass wir nach 70 Jahren wieder einen freidemokratischen Ministerpräsidenten haben“. Kuhle schüttelt den Kopf: „Wolfgang wird langsam ein bisschen komisch.“ Einen leichten Hau habe der ja schon immer gehabt. Ungläubiges Grinsen des Moderators, Lacher im Publikum. Kuhle spricht hier immerhin über den Vizevorsitzenden seiner Partei.

Von den Grünen lernen?

Damit wäre dieser Fernsehabend für Kuhle schon mal besser gelaufen als der Wahlabend zwei Tage zuvor in Hamburg für seine Partei. 4,9 Prozent, das bedeutet anhaltenden Sinkflug, und das mit einem Kapitän, dessen Kurs bisweilen erratisch wirkt. Lindner ist längst nicht mehr der unumstrittene Tausendsassa, der 2017 die FDP in den Bundestag zurückbrachte. Kuhle vermisst den Optimismus des damaligen Aufbruchs. Ein Murren ist allenthalben vernehmbar, der Fraktionsvize Michael Theurer fordert „eine Diskussion über den Führungsstil des Vorsitzenden“, der „zunehmend einsam“ agiere. Das Problem: Lindner ist das Gesicht der Partei, nach ihm kommt lange Zeit nichts, dann kommt Kubicki. Es müssten sich andere ins Spiel bringen, fordert Kuhle. Spätestens mit seinem Auftritt bei Krömer hat er klargemacht, dass er auch von sich selbst spricht. Es ist nicht allein seine Eloquenz, die ihn auszeichnet, über die verfügt auch ein Kubicki im Übermaß. Es ist etwas, was dieser in der Thüringer Affäre vermissen ließ: ein innerer Kompass.

In Sachen Werteorientierung könne man von den Grünen lernen, sagt Kuhle, meint damit aber nicht deren strikte Gesinnungsethik. Auch wenn er in seinem lockeren Auftreten zuweilen an Robert Habeck erinnert und manche in der FDP ihn halb scherzhaft links davon verorten, ist Kuhle Freidemokrat durch und durch. 

Lebenslänglich FDP

Kuhle ist erst 31 Jahre alt und hat bereits eine Bilderbuchparteikarriere hinter sich. Er wächst auf dem Land im südlichen Niedersachsen als Sohn einer Lehrerin und eines Kapitäns der Handelsmarine auf. Daheim wird über Politik diskutiert, beide Eltern sind liberal, der Vater mehr rechts, die Mutter eher links. Sohn Konstantin ist ehrgeizig. 

Das führt ihn schon mit 13, ein Jahr früher, als die Satzung erlaubt, zu den Jungen Liberalen. Die FDP kennt keine Ochsentour, hier kommt man mit Talent schnell nach oben: Ein Jahr später ist Kuhle JuLi-Kreisvorsitzender, nach weiteren drei im Landesvorstand, mit 25 ihr Bundesvorsitzender. Bundesweit macht er sich erstmals 2015 einen Namen, als er auf dem FDP-Parteitag einen Beschluss zur Cannabis-Legalisierung erkämpft. Zwischenstand der Karriere: Anwalt für Wirtschaftsrecht in einer renommierten Kanzlei in Hannover, innenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion, Mitglied des Bundesvorstands und Generalsekretär des Landesverbands Niedersachsen. 

Der „Anti-­Lindner“

Auf diesen Posten müsse er sich nun erst einmal bewähren, bescheidet er die Frage nach höheren Ambitionen. Der Focus hat ihn bereits zu einem „Anti-­Lindner“ stilisiert und das FDP-Urgestein Gerhart Baum ins Feld geführt, der Kuhle „für einen der begabtesten Nachwuchspolitiker“ hält, dem er zutraue, die Partei einmal zu führen. Aus diesem Lob mag die Hoffnung des alten auf einen jungen Bürgerrechtsliberalen an der Parteispitze sprechen. Wer sich allerdings mit Kuhle über die Migrations- und Flüchtlingspolitik unterhält, erkennt in ihm einen zwar prinzipiengeleiteten, aber durchaus pragmatischen Realisten. 

Die Union ist für Kuhle zwar nach wie vor die naheliegende Koalitionspräferenz seiner Partei. Schleswig-Holstein zeige jedoch, dass Jamaika gut funktionieren kann. Und wie in Rheinland-Pfalz müsse es für die FDP auch im Bund möglich sein, eine Ampelkoalition einzugehen. Entsprechend strickt er an personellen Netzen in diese Parteien – und an seinem weiteren Werdegang in der FDP. Am Ende seiner Sendung verurteilt der Komiker Krömer seinen Gast „zur Höchststrafe: lebenslänglich FDP“. Für Kuhle wird das wie eine Verheißung geklungen haben.

Dieser Text ist in der April-Ausgabe des Cicero erschienen, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

 

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