Koalitionsverhandlungen - Beim Thema Steuern geben die SPD-Linken nicht nach

Eigentlich war das Thema Steuererhöhungen im Sondierungspapier bereits abgehakt – sonst hätte sich die FDP auch kaum auf Verhandlungen eingelassen. Doch einige Sozialdemokraten karten jetzt nach und machen die Liberalen zum Sündenbock.

Aber nicht für die „Reichen und Superreichen“, wenn es nach Norbert Walter-Borjans & Co. geht / dpa
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Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Die 22 rot-grün-gelben Arbeitsgruppen haben ihre Arbeit abgeschlossen. Die 300 Unterhändler der Ampel-Parteien haben jedoch nicht alle strittigen Fragen lösen können. Dass es beim Klimaschutz größere Differenzen gibt, liegt auf der Hand. Aber auch beim Thema Steuern drängt vor allem die SPD-Linke auf mehr Umverteilung. Die Abgeordnete Ülker Radziwill, eine von drei Vorsitzenden des „Forums Demokratische Linke 21“ in der SPD, hat die Absage an Steuererhöhungen im Sondierungspapier jetzt scharf kritisiert: „Dass entsprechende Pläne auf Druck der Liberalen vorerst fallen gelassen wurden, führt zu Unruhe in der Partei, und es wäre gut, wenn die Parteispitze das zur Kenntnis nehmen würde.“

Dabei war das Thema Steuern im Sondierungspapier eigentlich abgehakt: „Wir werden keine neuen Substanzsteuern einführen und Steuern wie zum Beispiel die Einkommen-, Unternehmens- oder Mehrwertsteuer nicht erhöhen“, heißt es dort sehr eindeutig. Denn ohne eine solche Festlegung hätten sich die Freien Demokraten nur schwer auf Koalitionsverhandlungen einlassen können. Ihr Ja zum Mindestlohn von 12 Euro war schon für viele in der Partei wie in ihrer Wählerschaft ein echtes Opfer auf dem Ampel-Altar.

Walter-Borjans: Die FDP ist schuld

Eine SPD, die nicht ständig nach mehr Umverteilung und folglich höheren und neuen Steuern ruft, ist seit den Zeiten Gerhard Schröders nicht mehr denkbar. So war es auch keine Überraschung, dass der Noch-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans nach Abschluss der Sondierungen lauthals beklagte, eine „Steuerentlastung für die große Mehrheit“ scheitere – leider, leider – daran, dass die FDP eine höhere Belastung der Spitzenverdiener nicht mitmache. Denn nur so ließe sich die Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen finanzieren.

Die Abgeordnete Radziwill und die SPD-Linken, die in der neuen Fraktion viel stärker vertreten sind als in der vergangenen Legislaturperiode, können sich also von Walter-Borjans darin bestärkt fühlen, das bei den Sondierungen verabredete Nein zu Steuererhöhungen in Frage zu stellen. Radziwill sagt klar, was der linke Flügel der SPD erwartet: „Die FDP muss das akzeptieren und – wo es nötig ist – zurückstecken.“ Wobei ihre Begründung ziemlich abstrus klingt: Die Menschen hätten der SPD „mehrheitlich das Vertrauen geschenkt“. Offenbar verwechselt die Dame 25,7 Prozent mit 52,7 Prozent. Da die Sozialdemokraten jedoch meilenweit von einer absoluten Mehrheit entfernt sind, brauchen sie Koalitionspartner. Und die FDP ist nun mal einer davon. Doch die SPD-Linken erwarten von der FDP, dass sie umfällt: „Die Liberalen dürfen in diesem Punkt mit ihrem Veto nicht durchkommen, da muss nachverhandelt werden.“

An den Steuern wird die Ampel nicht scheitern …

Die „Demokratische Linke 21“ hat in Fraktion und Partei durchaus Gewicht, auch wenn ihre Sprecher im Bundestag nicht in der ersten Reihe sitzen. Steuererhöhungen sind für die Kühnert-Fraktion innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion ebenfalls ein zentrales Thema. Olaf Scholz und die „Regierungs-Sozis“ haben also mit Kritik und Widerspruch zu rechnen, wenn es darum geht, den Koalitionsvertrag nach Abschluss der Verhandlungen von den Parteigremien absegnen zu lassen. Schließlich wird die SPD-Linke nicht dafür die Verantwortung übernehmen wollen, dass nach 23 Jahren nicht endlich wieder ein Sozialdemokrat ins Kanzleramt einziehen kann.

… aber das Thema bleibt auf der Tagesordnung

Die steuerpolitischen Nadelstiche der SPD-Linken gegen den liberalen Koalitionspartner in spe sind zweifellos nur ein Vorspiel zu dem, was im Regierungsalltag der Ampel-Koalition zu erwarten ist. Wann immer es irgendwo an Geld fehlt – und es wird ständig fehlen –, wird aus den Reihen der SPD der Ruf nach höheren Steuern erschallen. Der Schuldige für die Finanznöte des Staates ist dann schnell ausgemacht: die FDP als Schutzpatron der „Reichen und Superreichen“. Fürs Koalitionsklima wäre das nicht gerade förderlich.

Bisher schweigt Olaf Scholz zu alldem, was aus seiner Sicht auch das Richtige ist. Solange der Koalitionsvertrag nicht endgültig verhandelt ist, wäre es unklug, einzelne Kompromisse mit den beiden Partnern zu begründen und zu verteidigen. Aber das Thema Steuererhöhungen wird Scholz verfolgen, sobald er im Kanzleramt Platz genommen hat. Ob die Steuereinnahmen steigen oder stagnieren, ob die Haushalte ausgeglichen oder defizitär sind, ob die Wirtschaft in einer Rezession steckt oder boomt – aus der Sicht der SPD-Linken gibt es nur einen idealen Zeitpunkt für Steuererhöhungen: Jetzt!

Steuererhöhungen als Wert an sich

Denn die Erhöhungen des Steueraufkommens für wichtige und weniger wichtige Staatsaufgaben ist aus sozialdemokratischer Sicht oft nur ein Nebeneffekt. In erster Linie geht es der SPD-Linken um Umverteilung, um die Schröpfung der „Reichen“, von denen angeblich viele ihr Geld im Schlaf verdienen. „Bei sozialdemokratischer Steuerpolitik geht es nicht darum, möglichst vielen etwas zu geben, sondern einigen möglichst viel zu nehmen.“ Dieser Befund ist 50 Jahre alt – und unverändert aktuell. Er stammt von Conrad Ahlers, dem Regierungssprecher Willy Brandts. Dem hatte das Amt nicht den klaren Blick auf das kleine ideologische Karo mancher seiner Genossen verstellt.

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