Klimaschutz - Ignorieren geht über probieren

Erst wurde Fridays for Future belächelt, dann beklatscht. Jetzt fehlt es weltweit an dem letzten Willen, klimafreundliche Politik zu realisieren. Aber machen nationale Alleingänge vor diesem Hintergrund überhaupt Sinn?

Auf die Enkel hören: Fridays for Future hat Bewegung in die Poltik gebracht / picture alliance
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Frank Elbe war deutscher Botschafter in Polen und Indien sowie Leiter des Planungsstabes im Auswärtigen Amt. Als Rechtsanwalt betreut er heute Mandanten aus allen Teilen der Welt, auch aus Russland.

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Es ist normal, dass ganze Planeten, wie Stephen Hawking nachgewiesen hat, unwiederbringlich in schwarzen Löchern verschwinden können. Es ist aber nicht normal, dass der Mensch auf der Erde über ein Vernichtungspotenzial verfügt, das für die mehrfache Zerstörung unseres Planeten ausreichen würde.

Gegenwärtig halten die Initiatoren von Fridays for Future der Politik eindrücklich ihr Versagen beim Schutz des Klimas vor. Sie tun es mit einer beispiellosen Vehemenz, in einer bisher in diesem Ausmaß nicht bekannten Dimension. Die Politik erschrickt. Sie kann mit diesem Protest nicht richtig umgehen. Wieso eigentlich nicht?

Die Menschheit ist tötbar

Es gibt seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs kaum einen Philosophen, der sich nicht dem Thema der Zerstörung des Planeten gewidmet hat – teilweise mit überdeutlicher Radikalität. Günther Anders stellte fest, dass aus dem Satz „alle Menschen sind sterblich“ der Satz geworden sei, „die Menschheit als Ganzes ist tötbar“.

Wenn solche Erkenntnisse seit nahezu einem Jahrhundert zum zivilisatorischen Wissensstand der Gesellschaft gehören, warum fällt die Politik aus allen Wolken, wenn sich Greta Thunberg mit einem Schild „Schulstreik für das Klima“ präsentiert und binnen kurzem eine unübersehbare Gefolgschaft für die Rettung des Klimas hinter sich bringt? 

Warum der Hochmut gegen junge Menschen?

Warum der anfängliche Hochmut gegenüber jungen Menschen, die die Sicherung ihres künftigen Lebens auf unserem Planeten einfordern? Offensichtlich haben wir es mit einer ungebildeten, vielleicht auch nur vergesslichen Politikerklasse zu tun.

Schon 1979 hatte der deutsch-amerikanische Philosoph Hans Jonas in seinem Hauptwerk „Das Prinzip Verantwortung“ festgestellt, dass sich die Politik einer neuen zeitlichen Dimension ihrer Verantwortung bewusst werden müsse: Die Politik habe auch die Auswirkungen ihres aktuellen Handelns auf Kinder und Enkelkinder zu berücksichtigen und ihnen mehr zu hinterlassen als nur die Verwaltung der Folgen ihres verfehlten Handelns. 

Ist diese Sicht etwas, was bei der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 1987 von der Politik freundlich beklatscht werden darf, aber kaum eine Chance erhält, zu einer Maxime nachhaltigen politischen Handelns zu werden?

Der Anschluss nach Korrektur

Als die Politik schließlich erkannte, dass real existierende Enkel ihr Interesse am Überleben lautstark deutlich machten, schloss sie sich dem Hype an und – eine weitere Fehlentscheidung – zog das Thema zu einem „single issue“ hoch, als gelte es, andere Bedrohungen für die Weiterexistenz unseres Planeten missachten zu können.Die apokalyptischen Reiter ritten auch nicht allein. Genauso wenig sind die Sünden am Klima monokausal für die mögliche Selbstzerstörung der Welt.  

Der Planet wird wahrscheinlich noch nicht einmal in erster Linie von Verbrechen an der Umwelt bedroht, sondern auch von der ungezügelten Proliferation nuklearer Waffen, einem ungebremsten Wettrüsten sowie von den Eingriffen in den freien Welthandel. Wenn Staaten ein Monopol für die Produktion und den Vertrieb von Rohstoffen, insbesondere bei Öl und Gas, anstreben und Konkurrenten durch wirtschaftliche Sanktionen und politische Strafmaßnahmen ausgrenzen, gefährden sie den Weltfrieden. Sie verlieren die Kontrolle über die Folgen ihrer Politik.

Vorbild für den Rest der Welt?

In dieser Situation ist gemeinsames verantwortliches Handeln erforderlich. Es werden jedoch keine Anstrengungen erkennbar; es fehlen Ideen und Instrumente. Der letzte Weltwirtschaftsgipfel zeigt die ganze Fehlentwicklung, die ein ursprünglich sinnvolles, wenngleich auch nicht unumstrittenes Instrument zur Koordinierung politischer und weltwirtschaftlicher Themen genommen hat. Das Treffen ist zu einem Zirkus mit mehreren Manegen verkommen, in denen Gaukler unabgestimmt und öffentlichkeitsgeil ihre Tricks vorführen und für unangenehme Überraschungen sorgen. Die soeben von der Bundesregierung beschlossenen Maßnahmen zum Schutz des Klimas sollen ein Vorbild für den Rest der Welt sein.

Wahrscheinlich werden die Reaktionen eher hämisch ausfallen. Keine von irgendeinem Staat beschlossene Maßnahme kann mehr sein als ein gut gemeinter Versuch. Das Problem des Klimaschutzes ist nur weltweit zu lösen – unter Beteiligung der Hauptsünder: China, Indien, USA, Russland, Brasilien und andere mehr. Die Frage nach der Tauglichkeit nationaler Initiativen zur Rettung des Klimas wird besser nicht gestellt. Sie würde bei der Demonstration geschlossenen politischen Auftretens zur Rettung der Großen Koalition auch nur stören.
 

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