Rücktritt von Katrin Lompscher - Das jähe Ende einer „Bauverhinderungssenatorin“

Der Rücktritt von Berlins Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher stellt die Linke vor ein Problem. Ihr Ressort gilt als Schlüsselressort, doch als Vorkämpferin für den Mietendeckel hinterlässt Lompscher vermintes Terrain. Wer will sie ein Jahr vor den Neuwahlen beerben?

Hinterlässt lauter Baustellen: Katrin Lompscher / dpa
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Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Mit einem Paukenschlag wurde am Sonntagabend das jähe Ende der Sommerpause in der Berliner Politik eingeläutet. Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) verkündete in einer Presseerklärung ihren sofortigen Rücktritt von allen politischen Ämtern. Zur Begründung gab Lompscher an, dass sie ihre Einkünfte aus drei Aufsichts- und Verwaltungsratsmandaten in landeseigenen Unternehmen in den Jahren 2017 und 2018 – insgesamt rund 15.000 Euro – weder versteuert, noch anteilig an die Landeskasse zurückgeführt habe, wie es laut Berliner Senatorengesetz vorgeschrieben ist.

Die Fehler waren bereits in der vergangenen Woche durch eine schriftliche Anfrage der AfD-Finanzexpertin Kristin Brinker im Berliner Abgeordnetenhaus ans Licht gekommen, hatten aber kaum öffentliches Interesse erregt. Allerdings war da auch noch nicht bekannt, dass sie dem Finanzamt ihre Einnahmen verschwiegen hatte. „Für mich steht fest, dass mein schwerer persönlicher Fehler mein weiteres Handeln als Senatorin dauerhaft überschatten würde“, so Lompscher.  

Versagen beim Neubau

Damit verlässt eine Politikerin die Manege, die seit ihrer Ernennung im Dezember 2016 stets für Furore und eine starke Polarisierung in der Stadt gesorgt hatte. Die Affäre um die Berufung des Stadtsoziologen Andrej Holm zu ihrem Staatssekretär überstand sie noch einigermaßen unbeschadet. Holm musste seinen Posten bereits nach wenigen Wochen wieder räumen, als Ungereimtheiten zu seinen Angaben über eine frühere Tätigkeit bei der Stasi bekannt wurden

Doch für teilweise heftige Kritik auch innerhalb der rot-rot-grünen Koalition sorgte ihr Agieren in der Neubaupolitik, die angesichts der dramatischen Wohnungsknappheit in der wachsenden Stadt zu den zentralen Aufgabenfeldern einer sozialen Stadtentwicklung gehören sollte. Die maßgeblich von ihr postulierten Neubauziele wurden deutlich verfehlt. Zudem sorgt ein von ihrer Verwaltung installiertes System der „Partizipation“ und „Bürgerbeteiligung“ dafür, dass sich auch bereits projektierte große Bauvorhaben um Jahre und in Einzelfällen sogar um Jahrzehnte verzögern.

Der Mietendeckel als Vermächtnis

Interveniert hat die Senatorin vor allem im Wohnungsbestand, unter anderem durch die verstärkte Ausweisung von sogenannten Milieuschutzgebieten zum Schutz von Mietern vor Verdrängung und die Unterstützung des Vorkaufsrechts der Bezirke bei Häuserverkäufen. Die rasante Mietentwicklung ließ sich auf diesem Weg aber nur unwesentlich bremsen. Viel Geld investierte ihre Verwaltung auch in den Aufbau professioneller Strukturen zur Einbindung von Mieteraktivisten und vermeintlichen Vertretern der „Stadtgesellschaft“. 

Als ihr „Vermächtnis“ könnte der Berliner Mietendeckel in die Geschichte eingehen. Per Landesgesetz wurden im vergangenen Jahr alle Bestandsmieten außer Neubauten ab 2014 eingefroren, sowie alle Neuvermietungen mit Obergrenzen gedeckelt. In einer zweiten Stufe sollen auch Bestandsmieten abgesenkt werden können, wenn sie die Deckelwerte um mehr als 20 Prozent übersteigen.

Kein Plan für die Neubaupolitik

Dabei ist Lompscher keineswegs die Erfinderin dieses Mietendeckels, über dessen Rechtsmäßigkeit das Bundesverfassungsgericht voraussichtlich im kommenden Jahr entscheiden wird. Vielmehr stieß der Verwaltungsjurist Peter Weber, der die Idee in einer juristischen Fachzeitschrift dargelegt hatte, in ihrer Verwaltung zunächst auf taube Ohren. Erst als die SPD in Person von Eva Högl, der damaligen Vize-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag das Vorhaben adaptierte, sprang Lompscher auf den Zug auf und schaffte es, sich quasi an die Spitze dieser Bewegung zu setzen.

Ambivalent ist auch ihre Haltung zum Volksbegehren der Initiative „Deutsche Wohnen& Co enteignen“. Nach ursprünglich eindeutiger Unterstützung ist Lompscher zuletzt vorsichtig auf Distanz dazu gegangen. Und vor allem in der Neubaupolitik wirkte Lompscher bis zum letzten Tag als Senatorin weitgehend plan– und hilflos. Für den Senat und vor allem für die Linke kommt der Rücktritt gut ein Jahr vor den Neuwahlen im September 2021 zu Unzeit.

Der Staatssekretär als Zwischenlösung?  

Eine längere Vakanz in diesem zentralen Ressort der Berlin Stadtpolitik muss vermieden werden. Aber die Schlange der ernstzunehmenden Bewerber für die Nachfolge dürfte überschaubar bleiben. Welcher ambitionierte Politiker will sich schon auf ein kurzes Interregnum auf einer ziemlich maroden Baustelle mit vielen Minenfeldern einlassen?

Man wolle keinen Schnellschuss, heißt es bei den Berliner Linken. In der eigenen Fraktion galt Lompscher wegen des Mietendeckels als unangefochten. Im Senat sah das anders aus. In der SPD war die Senatorin wegen ihrer Versäumnisse in der Neubaupolitik immer wieder kritisiert worden. Der Immobilienverband Deutschland (IVD) sprach „von einer Bauverhinderungspolitik“. In einer Pressemitteilung zum Rücktritt Lompschers heißt es: „Jetzt besteht die Chance für den Berliner Senat, die ideologischen Fehler der vergangenen drei Jahre zu korrigieren.“ Berlin brauche endlich wieder eine/n Bausenator/in und keine Bauverhinderungssenatorin.

Wer aber könnte das sein? Einiges spricht für eine unspektakuläre Zwischenlösung in Person ihres Staatssekretärs Sebastian Scheel, der aber in Teilen der Partei wegen seiner vermeintlichen Nähe zur Immobilienwirtschaft ziemlich umstritten ist. Mit dem Rücktritt Lompschers wird der Partei für den bevorstehenden Wahlkampf jedenfalls ein wichtiges Zugpferd für eine bestimmte, besonders umworbene Klientel fehlen.

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