Karl-Josef Laumann - Ein Arbeiter für die Union

Von der Erhöhung des Kindergeldes bis zur Absicherung des Rentenniveaus – im Einigungspapier der Sondierer findet sich so manche soziale Forderung. Dafür gestritten hat nicht nur die SPD, sondern auch der Arbeitnehmerflügel der CDU. Ihn vertritt Karl-Josef Laumann. Der ist kaum bekannt, aber die Kanzlerin hört auf ihn

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Der Landwirtssohn aus dem Münsterland kennt die Sorgen der kleinen Leute nicht nur vom Hörensagen / Foto: Henning Ross
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Der CDU, so heißt es oft, fehle es an einem klaren Profil. Wenn führende Mitglieder der Partei mit diesem Vorwurf konfrontiert werden, etwa in einer Fernsehtalkshow, dann verteidigen sie sich regelmäßig mit dem Satz, die Union speise sich eben nicht nur aus einer Quelle, sondern traditionell aus dreien: einer konservativen, einer liberalen – und einer christlich-sozialen. Damit soll allen Kritikern der Wind aus den Segeln genommen werden, die die CDU rechts der Mitte verorten. Dass allerdings auch die meisten Wähler nicht als Erstes ans Soziale denken, wenn von christdemokratischer Politik die Rede ist, steht auf einem anderen Blatt. Doch damit soll jetzt Schluss sein.

Deswegen steht spätestens seit dem miserablen Abschneiden der CDU bei der Bundestagswahl dieser Mann hoch im Kurs: Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales in Nordrhein-Westfalen und außerdem Chef der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), früher auch bekannt als „CDU-Sozialausschüsse“. Laumann, 60 Jahre alt, verkörpert das soziale Gewissen seiner Partei wie früher Norbert Blüm. Allerdings ist Blüm vielen Deutschen bis heute noch ein Begriff; Laumann hingegen dürfte außerhalb seines Bundeslands eher unbekannt sein. Doch die Kanzlerin hört auf ihn. Denn Merkel, so heißt es, sei davon überzeugt, dass die blamablen 32,9 Prozent für die Unionsparteien vor allem damit zu tun hätten, dass es ihnen an sozialer Kompetenz gemangelt habe.

Der Blaumann der CDU

Karl-Josef Laumann ist schon rein äußerlich das Gegenteil eines stromlinienförmigen Karrierepolitikers: Hose und Sakko in unterschiedlichen Blautönen wollen so gar nicht zueinanderpassen, die Krawatte dazu wirkt wie ein ungeliebtes Accessoire. Und bevor Laumann den Besprechungsraum im Düsseldorfer Landtag betritt, versucht er noch kurz, sein Haupthaar irgendwie zu sortieren – ohne großen Erfolg. Der Landwirtssohn aus dem Münsterland kennt die Sorgen der kleinen Leute nicht nur vom Hörensagen. Er selbst hat nach dem Hauptschulabschluss Maschinenschlosser gelernt und stand lange an der Werkbank. Das verleiht ihm Glaubwürdigkeit. Als Mitglied im CDU-Präsidium ist er als Nichtakademiker dennoch ein Exot.

Geschätzt wird der gläubige Katholik und Vater von drei Kindern wegen seiner Erfahrung und seinen Überzeugungen. Von 1990 bis 2005 saß der „Blaumann der CDU“ im Bundestag, dann stand er fünf Jahre lang zum ersten Mal an der Spitze seines heutigen Ministeriums. Nach der Abwahl der Regierung von Jürgen Rüttgers war Laumann CDU-Fraktionsvorsitzender im nordrhein-westfälischen Landtag, von 2013 bis Juni 2017 dann Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium. Womit sich erklärt, warum er bei den Jamaika-Sondierungen von seiner Partei als Verhandler für den Bereich Arbeit und Soziales ausgewählt wurde. Dass die schwarz-gelb-grüne Koalition am Ende nicht zustande kam, bedauert Laumann immer noch: „Die Gespräche waren gut. Punkt. Was wir zu den Themen Arbeit, Soziales und Gesundheit verhandelt hatten, wäre eine gute Grundlage für die Politik der nächsten vier Jahre gewesen.“ Sogar mit der FDP habe es „ein gutes Einvernehmen“ gegeben. In besonders positiver Erinnerung hat er allerdings die Grünen: „Die waren sehr gut in allen Themen drin. Das war eigentlich eine einhellige Erkenntnis bei der CDU.“

Auf SPD-Kurs?

Von einem Rechtsruck seiner Partei als Reaktion auf den Erfolg der AfD hält Karl-Josef Laumann gar nichts, dort sei für die CDU nichts zu holen. Wie die Kanzlerin glaubt auch er, dass die Flüchtlingsfrage die Menschen während des Wahlkampfs „weit weniger beschäftigt“ habe als soziale Themen: „Die Leute wünschen sich soziale Sicherheit genauso wie innere Sicherheit. Deswegen müssen wir sehr darauf achten, dass das normale sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnis nicht durch die Digitalisierung aufs Abstellgleis geschoben wird.“ Die CDU habe dafür zu stehen, dass Deutschland wirtschaftlich flexibel und erfolgreich sei, dass aber gleichzeitig die Menschen ihre Lebensentwürfe planen könnten. „Und dazu gehören eben soziale Sicherheit, stabile Arbeitsverhältnisse und bezahlbarer Wohnraum.“ Insbesondere die Sache mit den Wohnungen sei in den Ballungsräumen zu einer „sozialen Frage ersten Ranges“ geworden.

Wer ihn so reden hört, fragt sich unweigerlich, wo da die Unterschiede zur SPD liegen. „Die SPD“, sagt Laumann, „will im Gegensatz zu uns immer mehr den Leistungsgedanken aus der Sozialversicherung herausnehmen. Mir ist es aber wichtig, dass Rechtsansprüche an das Sozialsystem durch Beitragszahlungen entstehen.“ Außerdem lehnt er Steuererhöhungen genauso ab wie die Bürgerversicherung. Gleichwohl müsse Deutschland jetzt eine stabile Regierung bekommen. „Und das ist nach jetzigem Stand nur noch mit der SPD möglich.“

Dieser Text stammt aus der Januar-Ausgabe des Cicero, die Sie auch am Kiosk oder in unserem Onlineshop kaufen können.

 

 

 

 

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