Kampf um Kanzlerkandidatur - „Die Parteispitze darf die Stimmung an der Basis nicht ignorieren“

Markus Söder hat das Votum des CDU-Bundesvorstands für Armin Laschet akzeptiert. Ist die Partei damit aus dem Schneider? Hamburgs CDU-Chef Christoph Ploß gehört zu den Söder-Anhängern. Doch von Protest will er jetzt nichts mehr wissen.

Es kann nur einen geben: Markus Söder beugt sich dem Vorstand – oder hat er doch noch ein As im Ärmel? / dpa
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Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Christoph Ploß ist promovierter Historiker. Seit 2017 sitzt er für die CDU um Bundestag. Er ist Vorsitzender der CDU Hamburg und Vorsitzender des CDU-Kreisverbands Hamburg-Nord. 

Herr Ploß, Markus Söder hat jetzt offiziell bestätigt, dass Laschet für die Union als Kanzler kandidiert. Auf einer Skala von Null bis 10, wie sehr hat Sie die Reaktion überrascht?

Ach, die vergangenen Tage waren ja von einigen Wendungen geprägt. Ich glaube, wir sind jetzt alle froh, dass es zu einer Entscheidung gekommen ist. Wir hätten uns keinen wochenlangen partei-internen Wahlkampf leisten können. Gerade in der Corona-Pandemie hätte die Bevölkerung das zu Recht nicht akzeptiert. Wir sollten die Kandidatur von Armin Laschet jetzt geschlossen mittragen.

Vor einer Woche hat Laschet noch 100prozentige Unterstützung vom Vorstand bekommen, jetzt waren es  nur noch 77,5 Prozent. Ist sein Sieg nicht ein Pyrrhussieg?

Bei zwei Bewerbern, die so hervorragend sind, ist es klar, dass es auch unterschiedliche Positionen gibt. Diese Auswahl zu haben, ist doch ein Zeichen der Stärke. Es zeigt, wie lebendig die CDU und die CSU sind. Eine solch offene Diskussion, wie wir sie geführt haben, gibt es nicht in allen Parteien.

Viele werden doch aber nur aus Gründen der Parteiraison für Laschet gestimmt haben, um Schadensbegrenzung zu treiben. Wie, glauben Sie, wäre das Ergebnis ausgefallen, wenn die Teilnehmer darauf hätten keine Rücksicht nehmen müssen?

Ich glaube, dass für alle die Frage im Vordergrund stand: Mit wem haben wir die besseren Chancen bei der Bundestagswahl? 

Aber die meisten Landesverbände hatten sich im Vorfeld für Söder ausgesprochen, auch Ihr Landesverband in Hamburg.    

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Es war eine geheime Abstimmung. Aber ich habe schon das Stimmungsbild des Hamburger Landesverbands im Bundesvorstand gespiegelt. 

Und Ihr Verband war jetzt plötzlich pro Laschet?

Nein, bei uns gab es schon davor eine Tendenz für Markus Söder. Aber wir haben immer gesagt, dass es zwei hervorragende Bewerber sind und dass wir am Ende dann auch den unterstützen, der die Wahl gewinnt.

Aber es ist doch ein Unterschied, ob ein Kandidat aus Parteiräson vom Vorstand gewählt wird oder von der Fraktion?

Ich hätte mir auch gewünscht, dass man eine Kreisvorsitzendenkonferenz vor der Abstimmung durchführt. Ich hatte den Antrag gestellt, dass wir so eine Konferenz einberufen. Dieser Antrag ist mit 29-Nein-Stimmen gegen 14 Ja-Stimmen abgelehnt worden. Das muss ich akzeptieren.

Ärgert Sie das gar nicht?

Wir müssen aus dieser Geschichte lernen, dass wir die Basis bei wichtigen Entscheidungen der Union stärker einbinden. Außerdem müssen CDU und CSU ein klares Verfahren zur Festlegung eines gemeinsamen Kanzlerkandidaten erarbeiten.

Aber genau diese Entfremdung hat der Streit um die Kanzlerkandidatur doch gezeigt. Gleich im Anschluss an unser Interview tagt die Fraktion. Rechnen Sie damit, dass die Basis die Entscheidung des Vorstands einfach so schluckt?

Die Bundestagsfraktion hat heute deutlich gemacht, dass sie Armin Laschet als Kanzlerkandidaten unterstützt. Wir werden keinen erfolgreichen Wahlkampf führen, wenn CDU und CSU zerstritten sind – oder auch, wenn es innerhalb der CDU einen großen Streit gibt. Wir werden nur erfolgreich sein, wenn wir als Team auftreten.

Aber ist Armin Laschet nicht durch das Hin- und Her schon so stark beschädigt, dass er gar nicht mehr mehrheitsfähig ist?

Das sehe ich anders. Kanzler haben solche Feuertaufen übrigens häufiger bestehen müssen, wenn sie erfolgreich sein wollten.

Wenn es keine Zweifel an Laschets Kanzlertauglichkeit gibt, wieso hat der Vorstand dann sechs Stunden gebraucht, um sich für ihn zu entscheiden?

Bei so einer wichtigen Frage ist es doch normal, dass sich alle einbringen. Das zeigt doch die Ernsthaftigkeit der Debatte aus, die für unser Land und für ganz Europa von enormer Bedeutung ist.

Der Spiegel schreibt, es sollte eine „Machtdemonstration“ des Parteichefs werden, ja, sogar von einem „Gewaltakt“ ist die Rede. Ist es das wirklich geworden?

Das sind keine Formulierungen, die ich verwenden würde oder die ich mir zu eigen mache. 

Viele an seiner Stelle würden sich vielleicht fragen, ob eine Kandidatur noch Sinn macht, wenn die Mehrheit der Basis lieber Söder will. Hat der Parteichef überhaupt keine Selbstzweifel gezeigt?

Na ja, er wurde schon damit konfrontiert, dass es auch Gründe gibt, die für Söder sprechen. Aber am Ende entscheidet in einer Demokratie die Mehrheit. 

Sogar Wirtschaftsminister Peter Altmaier ist jetzt von ihm abgerückt. Wie hat es das Laschet-Lager trotzdem geschafft, das Ruder herumzureißen?

Es wurden viele verschiedene Argumente ausgetauscht. Am Ende hat sich eine Mehrheit für Armin Laschet entschieden. 

Man hat den Eindruck, der Partei ist es wichtiger gewesen, das Gesicht zu wahren als den Wahlkampf zu gewinnen. Denn dann hätte sie sich ja für den chancenreicheren Kandidaten entschieden?

Das sehe ich nicht so. Es wurde ja auch abgewogen: Mit wem haben wir die besseren Chancen bei der Bundestagswahl. Und für Armin Laschet spricht, dass er unterschiedliche Strömungen in der Partei, aber auch in der Gesellschaft integrieren kann. Er hat ja beispielsweise in Nordrhein-Westfalen gezeigt, dass er Industrie- und Klimapolitik miteinander verbindet. Das wird auch im Bundestagswahlkampf wichtig.

Welchen Preis hat Söder davor verlangt, dass Laschet Kanzlerkandidat wird und nicht er?

Ich glaube nicht, dass er in solchen Kategorien denkt. 

 

Christoph Ploss / dpa
 

Söder hat schon einmal geblufft, als er gesagt hat, er werde die Entscheidung des Vorstands „ohne Groll“ mittragen. Ist der Streit damit tatsächlich beigelegt, oder hat er noch ein As im Ärmel?

Ich gehe davon aus, dass die Frage der Kanzlerkandidatur jetzt beantwortet ist. Wir sollten uns nun darauf konzentrieren, ein gemeinsames Regierungsprogramm von CDU und CSU zu entwerfen und dann auch möglichst geschlossen in den Wahlkampf zu gehen.

Kann es sich die Parteispitze leisten, die Söder-Befürworter an der Basis zu ignorieren?

Nein, das kann sie sich nicht leisten ! Die berechtigen Impulse der Basis müssen sich inhaltlich im Regierungsprogramm abbilden. Aber auch personell müssen wir enttäuschten bürgerlichen Wählern ein Angebot machen und sie wieder für die CDU gewinnen, indem Persönlichkeiten wie Carsten Linnemann und Friedrich Merz eine starke Rolle im Wahlkampf spielen.

Wie wollen Sie jetzt in Hamburg Wahlkampf für Laschet machen wenn die Basis lieber Söder will?   

Armin Laschet hat im letzten Landtagswahlkampf bewiesen, dass er Begeisterung verbreiten kann. 

Bei der Wahl 2020 hat die CDU in Hamburg mit 11,2 Prozent das zweitschlechteste Ergebnis bei einer Landtagswahl seit der Parteigründung hinnehmen müssen. Schaffen Sie nach diesem Desaster noch den Einzug in den Bundestag?

Ich bin nach der Bürgerschaftswahl Landesvorsitzender geworden und werde dafür kämpfen, dass möglichst viele Hamburger CDU-Kandidaten in den Bundestag gewählt werden. Ich bin davon überzeugt, dass wir das schaffen werden, wenn wir als Team auftreten und zeigen können, dass wir die großen Fragen unserer Zeit beantworten können. Dabei kommt entscheidend darauf an, dass wir unterscheidbar sind von unseren politischen Wettbewerbern.

Weinen Sie dem Söder gar keine Träne hinterher?

Auch Markus Söder wird eine wichtige Rolle im Wahlkampf spielen müssen, wenn wir erfolgreich sein wollen. Er wird eines unserer Zugpferde sein. 

Die Fragen stellte Antje Hildebrandt

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