Steuerverschwendung durch überteuerte Masken - Scheitern ist das neue Normal

Jens Spahn hat ein weiteres Mal großzügig Steuergelder gegen Schutzmasken getauscht. Die schlechten Nachrichten rund um den Gesundheitsminister häufen sich. Ist das die neue Normalität, die er seit Beginn der Pandemie predigt?

Jens Spahn lässt die Maske fallen / dpa
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Ralf Hanselle ist stellvertretender Chefredakteur von Cicero. Im Verlag zu Klampen erschien von ihm zuletzt das Buch „Homo digitalis. Obdachlose im Cyberspace“.

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Das also ist das neue Normal: Produkte, die für gewöhnlich zwischen einem Euro und 1,50 kosten, finden nun für sechs Euro einen Endabnehmer. Früher nannte man das Wucher, jetzt also – normal! Und auch dieses scheint nun landläufig gängige Praxis zu sein: Lieferanten, die ihre Waren zu überhöhten Gewinnmargen liefern, bleiben am Ende auf ihren Kosten sitzen. Haften tut notfalls der Steuerzahler. Doch was soll’s – normal! Ebenso wie die Armada von Anwälten, die laut einer Antwort auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion Die Linke seit längerem damit beschäftigt sein soll, Klagen eben jener Lieferanten abzuwehren, die sich eine derartige Geschäftspraxis nicht länger bieten lassen wollen.

Neue Normalität. Wer hätte vor einem Jahr auch nur im entferntesten daran gedacht, dass just jener Bundesminister, der diese Redewendung ab April 2020 am häufigsten über die Lippen brachte, am Ende auch derjenige sein würde, der die hässliche Phrase am eifrigsten mit Leben füllt.

Der einstige Hoffnungsträger

Die Rede ist – wieder einmal, muss man wohl längst sagen – von Jens Spahn, dem einst ambitioniertesten Kämpfer gegen Covid-19 und die Überlastung des Gesundheitssystems. Denn der Bundesgesundheitsminister und einstige Hoffnungsträger in Sachen CDU-Verjüngung scheint erneut einen Masken-Deal vermasselt zu haben. Das jedenfalls legen aktuelle Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung nahe.  

Als im Dezember Angehörige von Risikogruppen kostenlos drei FFP2-Masken aus Apotheken erhielten – ein Angebot, das im Januar und Februar noch einmal um zwölf weitere Masken aufgestockt wurde – zahlte die Bundesregierung für diese Schutzmaßnahme für Alte und vulnerable Gruppen, allen Warnungen einer Fachabteilung des Gesundheitsministeriums zum Trotz, weit mehr als den üblichen Ladenpreis.

Ein Geschäft für die Apotheker

Medizinische Produkte, die für gewöhnlich Pfennigartikel sind, wurden vom Bund für zum Teil mehr als den sechsfachen Preis angeschafft. Da das Gesundheitsministerium damals von 27,3 Millionen Anspruchsberechtigten ausging, zahlte man also allein im Dezember 491,7 Millionen Euro per Überweisung an den Apothekerverband. Der wiederum soll die Summe anschließend großzügig unter seinen Mitgliedern verteilt haben. 

In der damals anbrechenden Weihnachtszeit also ein Bomben-Zusatzgeschäft für Pharmazeuten in der ganzen Republik. Den Steuerzahler aber dürfte der unausgegorene Deal, der von Jens Spahn persönlich gegen alle Widerstände durchgeboxt worden sein soll, nun wohl mehr als zwei Milliarden Euro kosten.

Kaum zu überblickende Zusatzkosten

Am Ende ist es ohnehin nur noch ein weiterer Posten bei den längst nicht mehr zu überblickenden Zusatzkosten, die dieser Bundesgesundheitsminister im Laufe der Pandemiebekämpfung angehäuft hat – ein Minister, der den immensen Herausforderungen der aktuellen Lage nicht mehr gewachsen zu sein scheint, der aber dennoch weitermacht, als wäre nichts geschehen. Auch das scheint eben zu dieser neuen Normalität dazu zu gehören: Sie kostet die Volkswirtschaft derzeit 1,5 Milliarden Euro pro Woche, findet aber nirgendwo mehr Verantwortliche.

Dabei sind die materiellen wie gesundheitlichen Schäden, die Jens Spahn durch falsche Entscheidungen, kaum nachzuvollziehende Zögerlichkeiten, aber auch durch blinden Übereifer aufaddiert hat, längst nicht mehr zu überblicken. Allein die Millionen ungenutzter FFP2-Masken, die laut der längst zum Klassiker avancierten ARD-Recherche „Masken Debakel“ aufgrund desaströser Vergabeverfahren irgendwo in deutschen Lagerhallen liegen sollen,  haben im vergangenen Jahr immense Kosten verursacht. Laut einer gestern veröffentlichten Mitteilung des Statistischen Bundesamtes etwa habe die Bundesregierung allein aus China im Jahr 2020 Masken im Wert von sechs Milliarden Euro importiert. Viele dieser Masken dürften vollkommen überteuert gewesen sein. Und – so ergab jüngst eine Untersuchung der Stiftung Warentest – sie sind in den allermeisten Fällen nur eingeschränkt bis wenig geeignet, um Aerosole zu vermeiden. Und das sind nur die Masken. Von den Kosten der Schnelltests und der unverimpften Impfdosen war hier noch gar nicht die Rede.

Von der Normalität überfordert

Die neue Normalität also scheint ausgerechnet jenen Minister am meisten zu überfordern, der sie einst am lautesten gepredigt hatte. Doch der Weltgeist, sollte es ihn denn hinter all diesem Chaos wirklich geben, hat dennoch Humor: Es war schließlich nicht Jens Spahn selbst, der im Frühjahr 2020 auf die verrückte Idee kam, das Normal quasi neu zu erfinden – ganz so, als wäre es nur eine hochwertige Limonade oder irgendein Peeling für Hipster. Genau genommen nämlich stammt der Gedanke von einem „neuen Normal“ bereits aus dem Jahr 2018 und wurde damals im Studierzimmer des österreichischen Sprachphilosophen Paul Sailer-Wlasits geboren. 

Wie gemacht für diesen Minister

In einem Essay für die österreichische Tageszeitung Der Standard beschäftigte sich Sailer-Wlasits damals mit der Verschiebung unserer Wirklichkeitswahrnehmung in der Ära des damaligen US-Präsidenten Trump. Diese Veränderung definierte er als das „New Normal“, ein Zustand, in dem „für Polit-Darsteller umfassende Sachkenntnisse und intensives Aktenstudium obsolet geworden sind. Selbsterhöhung ist Chefsache, ohne sich mit Faktenwissen übermäßig zu belasten.“

Spahn hat diesen Gedanken später lediglich gecovert. Irgendwie logisch, klingt es doch ganz so, als hätte der Wiener Philosoph schon damals irgendwie auch an einen deutschen Gesundheitsminister gedacht. 
 

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