Israels Präsident in Deutschland - Isaac Herzog: Eine klare Botschaft für Deutschland

Der israelische Präsident Isaac Herzog ist auf Staatsbesuch in Deutschland. Neben Terminen in München und in Bergen-Belsen hat er heute auch im Bundestag gesprochen. Dabei hob Herzog die Verantwortung Deutschlands für die israelische Sicherheit hervor. Er tat dies auch vor dem Hintergrund der Ende des Jahres stattfindenden Wahlen in Israel.

Isaac Herzog im Deutschen Bundestag / dpa
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Autoreninfo

Rafael Seligmann, Jahrgang 1947, ist Historiker, Journalist und Schriftsteller. Er lehrte an der Ludwig-Maximilian-Universität Strategie und Sicherheitspolitik. In Kürze erscheint sein Buch „Brandstifter und Mitläufer. Hitler, Putin, Trump“ im Verlag Herder.

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Wenn zwei dasselbe tun, können sie durchaus unterschiedliche Absichten hegen. Dies trifft eklatant für den soeben zu Ende gegangenen Besuch des israelischen Staatspräsidenten Isaac Herzog in Deutschland, speziell bei seinem hiesigen Kollegen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, zu.

Anlass der Reise war das feierliche Gedenken an die fünfzigste Wiederkehr der Ermordung von elf israelischen Sportlern durch palästinensische Terroristen während der Olympischen Spiele in München 1972. Diese hervorgehobene Veranstaltung geriet indessen in Gefahr durch die Drohung der Angehörigen der Opfer. Sie gaben an, dem Trauerakt fernzubleiben, falls ihre finanziellen Forderungen nicht durch Deutschland erfüllt würden. Die hiesigen Behörden wiederum zeigten sich hartleibig. Schließlich haben sie öffentliche Gelder zu vergeben.

Ein schlechter Deal

Doch Bundespräsident Steinmeier ist ein routinierter Politiker. Er verstand, dass es um mehr ging: Deutschlands Image in der demokratischen westlichen Welt. Die Beziehung zu den Juden und ihren Organisationen und, wohl am wichtigsten, um eine mögliche kurz bevorstehende Erneuerung des Atomwaffen-Verhinderungsabkommen zwischen Iran und den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates sowie Deutschland JCPOA von 2015. Das Agreement legt fest, dass Teheran sein Programm zur Erlangung von Kernwaffen auf niedrigem Niveau einfriert, die westlichen Staaten, vor allem die USA, im Gegenzug iranische Gelder von mehr als hundert Milliarden Dollar freigeben.

Der JCPOA-Vertrag wurde von Israel vehement bekämpft, denn das iranische Mullah-Regime hielt unverschämt an seinem Ziel der Vernichtung des jüdischen Staates fest, entwickelte ballistische Kernwaffenträger, forschte weiter am Atomwaffenprogramm, unterstützte Terrororganisationen, vor allem die Hisbollah in Libanon, entsprechende Verbände in Gaza und Versuche aus Syrien, Israel anzugreifen. Der spätere US-Präsident Donald Trump nannte JCPOA den „schlechtesten Deal, der je geschlossen wurde“, und kündigte den Vertrag 2018. Daraufhin begann Teheran wie angekündigt mit dem Ausbau seiner Uran-Zentrifugen und der Anreicherung von Uran bis knapp zur Schwelle zur Verwendung für dem Bau von Atomwaffen.

Wie auf dem Bazar

Israel verkündete in seltener Eintracht von Regierung und Opposition, dies mit allen Mittel zu verhindern. Die Europäer gerieten in Angst vor dem Ausbruch eines neuen Krieges in Nahost, ebenso die Biden-Administration, die ebenfalls eine Rückkehr zum JCPOA-Vertag von 2015 anstrebt. In Wien verhandeln die Mächte, die USA sind auf Verlangen Teherans an den Katzentisch verbannt, mit Iran um eine Erneuerung des Vertrages. Teheran fordert als Vorbedingung seine einbehaltenen Gelder zurück.

Man feilscht wie auf dem Bazar. Ein Abschluss steht kurz bevor. Jerusalem aber droht, die iranischen Atomwaffenproduktionsstätten wegzubomben. In dieser sich verschärfenden Phase des Nahost-Konflikts will Deutschland sein Möglichstes beitragen, gute Beziehungen zu Israel aufzubauen, einen Hebel gegenüber Jerusalem zu haben, um deeskalierend wirken zu können. Dafür ist Isaac Herzog gegenwärtig der ideale Politiker. Der Präsident repräsentiert wie kein anderer den europäisch geprägten Adel Israels. Er ist Spross einer alten Rabbiner-Dynastie. Sein Großvater war oberster Rabbiner Irlands. Dessen Sohn Chaim war im Zweiten Weltkrieg britischer Offizier – als solcher war er an der Befreiung des Konzentrationslagers Bergen-Belsen beteiligt. Später machte er Karriere in Israels Armee, wurde General, Politiker – am Ende Staatspräsident.

Sein Sohn Isaac wollte ebenfalls Offizier werden. Er schaffte es. Doch er war nicht tough genug für diesen Job. Darauf deutet auch sein Spitzname „Buschi“ hin. Das klingt knuddelig – doch „Buschi“ wurde wegen seiner Liebenswürdigkeit oft unterschätzt. Immerhin brachte er es zeitweilig zum Vorsitzenden der Sozialdemokarten – also ein Genosse Steinmeiers. Später verlor er ebenso wie Steinmeier zeitweilig seine Position, ehe er, wie der Deutsche, zum Staatspräsidenten gewählt wurde. Anders als der gegenwärtige Oppositionsführer und Rekord-Premier Bibi Netanyahu wird Herzog von den Israelis nicht gefürchtet. Im Gegenteil. Buschi ist beliebt. Er gehört quasi zu jeder israelischen Familie. Herzog versteht es, Menschen für sich einzunehmen. Auch mich.

Kurz vor den Wahlen

Buschi ist ein angenehmer Gesprächspartner, dem man schnell vertraut. Das ist jetzt besonders wichtig, denn am 1. November finden in Israel Wahlen statt. Premierminister Lapid besitzt keine Mehrheit in der Knesset. In Israel herrscht ein politisches Vakuum. Herzog wird den Politiker mit den besten Aussichten, eine Regierung zu bilden, mit dem Amt beauftragen. Damit wird er zumindest zeitweilig zur Schlüsselfigur im Judenstaat.

Diesen Mann und Politiker haben Bundespräsident Steinmeier und die Bundesregierung nach München zur offiziellen Gedenkzeremonie ebenso wie zur Rede vor dem Bundestag und schließlich zum Trauerakt nach Bergen-Belsen eingeladen. Isaac Herzog hat allenthalben die an ihn gestellten Erwartungen Berlins erfüllt. Er verstand es, würdevoll sein Land zu vertreten. Aber Herzog ist mehr als ein liebenswerter Genosse, er ist ein kluger Politiker, der die Absicht Steinmeiers und der Bundesregierung durchschaute, gut Wetter zu machen. Herzog kennt die Bedeutung des Verses von Heinrich Heine: „Worte! Worte! Keine Taten! / Niemals Fleisch, geliebte Puppe, /Immer Geist und keinen Braten!“

Die Deutschen wollten es bei würdigen Gedenkfeiern belassen. Denn sie besitzen große Routine beim bußfertigen Betrauern toter Juden. Aber den Israelis geht es um mehr, als die Opfer der Schoah zu beweinen. Die Hebräer ringen, ähnlich wie die Ukrainer, um ihre schiere Existenz. Daher beließ es der Israeli nicht dabei, das Kaddisch für die ermordeten Juden von den Kreuzrittern bis zum Holocaust und München zu sprechen. Danach kam Herzog im Reichstag mit klaren Worten auf Israels Situation zu reden. Iran will Israel vernichten! Das Mullah-Regime spricht hier ähnlich offen wie einst die Nazis. Isaac Herzog malte den deutschen Abgeordneten und Bürgern die tödliche Gefahr aus, in der sich sein Land heute befindet. Unmissverständlich. Hier sprach Israels Präsident, nicht der liebe Buschi.
 

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