Islamismus - Seehofers Hisbollah-Verbot zieht nicht

Bereits im April verhängte Bundesinnenminister Horst Seehofer ein Verbot gegen die Terrororganisation Hisbollah – bis jetzt aber ohne größeren Erfolg. Auch Hausdurchsuchungen konnten das Netzwerk nicht durchbrechen. Was läuft in den Behörden schief?

Kann sich Bundesinnenminister Horst Seehofer gegen die Hisbollah durchsezten? / dpa 
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Ralf Fischer arbeitet als freier Journalist in Berlin.

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Ende April verhängte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) ein Verbot sämtlicher Aktivitäten der libanesischen Terrororganisation Hisbollah in Deutschland. Im Zusammenhang mit diesem Betätigungsverbot durchsuchten Sicherheitsbehörden die Vereine Al-Irschad in Berlin, die Al-Mustafa Gemeinschaft in Bremen, die Gemeinschaft libanesischer Emigranten in Dortmund und das Imam-Mahdi Zentrum in Münster. Bei den Hausdurchsuchungen wurden Datenträger und Dokumente beschlagnahmt. Zu Festnahmen kam es nicht.

„Mit dem Betätigungsverbot der radikal-islamischen Hisbollah ist uns ein bedeutender Schlag im Kampf gegen den internationalen Terrorismus gelungen“, erklärt der Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries (CDU) gegenüber dem Cicero. Die Organisation sei „dezidiert antisemitisch und hat sich die Vernichtung Israels zum Ziel gesetzt“.

„Personell, strukturell und ideologisch“ 

Deshalb sei der Erlass des Betätigungsverbots ein großer Erfolg insbesondere für jene Politiker in der Union, die lange darauf gedrungen haben, dass sämtliche Aktivitäten zu Gunsten der Hisbollah in Deutschland unterbunden werden. Wichtig sei nun, so der Innenpolitiker weiter, dass das Verbot in der Praxis konsequent von den Ländern durchgesetzt wird.

Genau hier liegt jedoch das Problem. So gab die Senatsverwaltung für Inneres bekannt, dass der im Rahmen des Betätigungsverbotes durchsuchte Verein Al-Irschad „personell, strukturell und ideologisch“ in die deutschen Hisbollah-Unterstützungsstrukturen eingebunden ist und gute Kontakte zur Organisation im Libanon bestehen.

Aktivitäten in sozialen Netzwerken verbreitet

Der größte schiitische Moscheeverein Berlins betreibt neben der Moschee in Berliner Stadtteil Neukölln „eine eigene Schule und diverse nach Geschlecht und Alter getrennte Jugend- und Pfadfindergruppen“, so die Innenverwaltung weiter. Weshalb ein derart in die Strukturen einer Terrororganisation verstrickter Verein in den letzten fünf Jahren nicht im Berliner Verfassungsschutzbericht auftauchte, bleibt ein Rätsel. „Anhänger und Sympathisanten der Hisbollah treten in Berlin nicht offen in Erscheinung“, analysierte der Inlandsgeheimdienst noch vor zwei Jahren in seinem Bericht.

Dabei sind die Aktivitäten von Al-Irschad gut dokumentiert. In den sozialen Netzwerken finden sich Videoaufzeichnungen der Veranstaltungen in der Markaz Al-Qaem Moschee, auf Facebook werden regelmäßig Fotos eingestellt, zumeist von einer Riege junger Männern, die in den Räumlichkeiten getrennt von den Frauen sitzen, und über den Kurznachrichtendienst Telegram werden die nächsten Veranstaltungen beworben.

Der Berliner Senat bleibt tatenlos

Ein kurzer Blick ins Internet verrät, dass die Hausdurchsuchung den Aktivitäten keinen Abbruch tat. Neben der Freitagspredigt finden Samstags in der Moschee regelmäßige Veranstaltungen statt, zuletzt war Sheikh Mohamed Tohmeh anlässlich des Dahw-ul-Ard zu Gast. Für kommendes Wochenende rufen die Al-Irschad-Schwestern zu einem Picknick auf dem Tempelhofer Feld auf. Der Arabisch-Unterricht für Kinder und Jugendliche findet ebenfalls von den Durchsuchungen völlig ungestört weiter statt.

Der Neuköllner Stadtrat für Jugend und Gesundheit, Falko Liecke (CDU), schätzt die Tatenlosigkeit des Senates in mehrfacher Hinsicht als problematisch ein. „Zum einen finden dort Hisbollah verherrlichende Veranstaltungen statt, die bisher nicht seitens des Senats verhindert werden“, zum anderen stehen „indoktrinierende Koranstunden mit Inhalten ‚Imame sind gute Führer, denen man gehorchen muss‘ und ‚es sei eine Sünde, dem anderen Geschlecht die Hand zu geben‘ auf dem Programm“.

Mangelnder Informationsaustausch unter Behörden

Der stellvertretende Landesvorsitzende seiner Partei kritisiert vor allem den mangelnden Informationsaustausch „zwischen den Behörden wie dem Verfassungsschutz, der Polizei und den Jugendämtern“. Es fehle darüber hinaus auch an einer Strategie der rot-rot-grünen Landesregierung, die Integration von desperaten Jugendlichen zu ermöglichen.

Ein Grund für diese Zurückhaltung könnte die Lobbyarbeit von Mehdi Chahrour sein. Der Vorstandsvorsitzende des Vereins „Muslime aller Herkunft deutscher Identität“ (MAHDI) gilt als kompetenter Gesprächspartner in Fragen Clankriminalität. So trat er im vergangenen Oktober als Experte auf einer von der Linkspartei organisierten Podiumsdiskussion unter dem Motto „Stigma, Show, Schikane: Neukölln und die Clan-Debatte“ auf.

Rechtsstaatlichkeit gegen religiösen Extremismus 

Neben seiner Tätigkeit für MAHDI ist der adrett auftretende Chahrour ständiger Redner in der Markaz Al-Qaem Moschee. Vor drei Jahren war er Referent einer Veranstaltung unter dem Motto „Jerusalem – die Hauptstadt von Palästina“. In seinem Vortrag sollte es laut Bekanntmachung darum gehen, sich „Klarheit zu verschaffen“ und „unsere Solidarität für unsere palästinensischen Geschwister zum Ausdruck zu bringen“. Organisator des Events war die Al-Irschad-Jugend. Zuletzt trat Chahrour im Februar bei einer Veranstaltung der schiitischen Jugendorganisation auf.

„Religiösen Extremismus bekämpft man nicht mit einer Appeasement-Politik“, sondern, da ist sich Christoph de Vries sicher, „mit allen Mitteln des Rechtsstaats“. Dies gelte auch für den Moscheeverein Al-Irschad in Berlin. Der Berliner Senat dürfe es nicht bei frommen Worten belassen. Allein, es fehle aber an dem dazu nötigen politischen Willen, „um diese Strukturen und Netzwerke zu durchbrechen“, resümiert Falko Liecke. Die Schritte zu einer weiteren Radikalisierung von jungen Menschen seien quasi programmiert.

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