Hasskommentare gegen Politikerinnen - „Sexismus geht mit rechter Gesinnung Hand in Hand“

Die gefälschten Nacktbilder von Annalena Baerbock oder Beleidigungen von Ricarda Lang nach ihrem „Hart aber fair“-Auftritt sind nur zwei Beispiele von Hetze gegen Politikerinnen. Wie unterscheiden sich Hassnachrichten an Männer? Was treibt die Hetzer an? Rolf Pohl erklärt ihr Welt- und Frauenbild.

Annalena Baerbock auf der Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen / dpa
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Autoreninfo

Uta Weisse war Online-Redakteurin bei Cicero. Von Schweden aus berichtete sie zuvor als freie Autorin über politische und gesellschaftliche Themen Skandinaviens.

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Professor Rolf Pohl ist emeritierter Hochschullehrer der Leibniz Universität Hannover im Fach Sozialpsychologie. Er forscht über politische  Psychologie und Geschlechter – und dabei insbesondere über Männlichkeit. 

„ … 8 Euro der Liter (Benzin)? Mit Verlaub, hat man der Trulla ins Hirn geschissen? Man sollte erstmal Fressstellen besteuern, damit die Trulla mal was zum Nachdenken hat.“ Ich habe keine Minute gebraucht, um Kommentare wie diesen auf Ricarda Langs Facebookseite zu finden. Schlimmere Kommentare mit Kraftausdrücken dürften automatisch rausgefiltert werden. Herr Pohl, stellen wir uns vor, Sie seien Ricarda Lang und finden solche Kommentare über sich, wie würden Sie reagieren?

Ich würde das öffentlich machen, gegebenenfalls meine Verachtung darüber ausdrücken und dann von anderen kommentieren lassen. Falls es sich um strafrechtlich relevante Fälle handelt, unbedingt Anzeige erstatten. Antworten würde ich den Verfassern nicht. 

Instagram, Facebook, Twitter und ähnliche Plattformen sind ja darauf ausgelegt, dass wir kommentieren, liken – und zwar unmittelbar und möglichst viel. Verändern die sozialen Medien unsere Art zu kommunizieren?

Natürlich hat es negative Äußerungen und persönliche Anfeindungen schon immer gegeben, nur technisch mehr eingeschränkt. Per Brief oder Telefon beispielsweise. Das Neue an diesen Sozialen Medien ist ja, dass man selbst öffentlich ist mit dem, was man dort postet. Durch die Reichweite, Klicks, Likes, Shares erfährt man sofort eine Aufwertung, ein Gefühl der Bedeutung.

Auch, wenn das Feedback negativ ist?

Auch durch negative Reaktionen. Meinungen und Einstellungen in der Bevölkerung, die schon immer da waren, sind jetzt leichter sagbar geworden und werden auch noch in gewisser Weise belohnt. Dadurch sinkt auch die Hemmschwelle, und so lässt sich diese Flut von Hasskommentaren, Anfeindungen, Beleidigungen seit einigen Jahren erklären.

Annalena Baerbock ist eine beliebte Hassfigur in rechten Telegram-Gruppen. Es wurden gefälschte Nacktbilder von ihr in sozialen Medien verbreitet, die den Eindruck erwecken sollten, sie hätte sich als junges Mädchen für Geld ausgezogen. Ich kann mich nicht daran erinnern, vergleichbare Fotomontagen von Olaf Scholz oder Armin Laschet gesehen zu haben. Ist die Hemmschwelle niedriger, wenn es um Frauen geht?

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Auf jeden Fall. Es gibt zwar auch Hass und Anfeindungen gegen männliche Politiker, ohne Frage. Aber der spezifische Unterschied ist die sexualisierte Form, die auf den Körper und die Sexualität anspielt.

Aber warum wird Peter Altmaier nicht wegen seines Übergewichtes gemobbt oder Anton Hofreiter wegen seiner Frisur?

Im Unterschied zu Männern haben Frauen aus der wahnhaften Perspektive dieser hetzenden Männer nichts anderes zu sein als Körper, Männer sind dagegen mehr. Das ist eine uralte Tradition und geht zurück auf die Geschlechterphilosophie und Sexualwissenschaft des 19. Jahrhunderts. Da galt, dass Männer zwar auch Körper seien und eine Sexualität hätten, aber vor allem Geist. Und da zeigt sich, dass wir eigentlich ein uraltes Bild in unserer Kultur verankert haben, auch in unbewussten Einstellungen der Menschen: ‚Bei Männern ist das Körperliche nicht so wichtig, sogar ein Tabu. Bei einem Peter Altmaier Anspielungen wegen seines Übergewichts zu machen, gehört sich nicht.‘

Was versprechen sich Männer denn davon, wenn sie erfolgreiche Politikerinnen wie Baerbock als Sexobjekt darstellen? Zeigt das, dass sie sie eigentlich attraktiv finden?

Bei Männern, die solche Nachrichten verschicken – die Urheber solcher Botschaften sind nämlich Männer – herrscht die Vorstellung, Frauen seien dazu da, Männern Sex zu geben. Wenn sie das nicht tun, sondern ihren vermeintlich klassischen Bereich der weiblichen Sphäre verlassen, dann müsste man sie wieder in ihre Schranken verweisen, indem sie sexualisiert beleidigt werden.  

Haben solche Männer ein Problem mit ihrer eigenen Sexualität?

Solche Auswüchse an Beleidigungen wie aktuell zum Beispiel bei Frau Lang, die auf ihren Körper abzielen, und auch Hasskommentare gegenüber Frauen zeigen, dass wir immer noch ein strukturell tief verankertes Problem haben, wie ein Teil der Männer – es ist ja nicht die Mehrheit – zu Frauen und zur Weiblichkeit steht. In Wirklichkeit setzen diese Männer an ihrer eigenen Sexualität und den damit einhergehenden Problemen an. Das ist dieser Gruppe von Männern aber nicht bewusst.

Das müssen Sie genauer erklären.

Ohne dass sie es zugeben, zeigen sie ihre sexuelle Bedürftigkeit, die nie wirklich befriedigt wird und an den üblichen Machtanspruch gekoppelt auch nicht befriedigt werden kann. Ihre Männlichkeit ist nirgends stärker bedroht als auf dem Feld der Heterosexualität.

Warum?

Dieser Konflikt, sie sind sexuell bedürftig und die in der Öffentlichkeit stehenden Frauen für sie unerreichbar, wird sozusagen negativ auf die Frauen projiziert. Weil die Frauen Sehnsuchtsbild sind, aber unerreichbar sind, stellt man sie quasi aus Selbstschutz als Schreckbild dar, als ‚abstoßend‘ oder als ‚Schlampe‘, die ihren Körper nur den anderen Männern hingeben. Aber es geht tendenziell unbewusst um das eine: ‚Frauen und ihre Körper sind für den Mann da, und wenn sie irgendwo offiziell oder in der Politik, der Wirtschaft oder den Medien erfolgreich sind, dann kann man sie mit sexualisierten Herabsetzungen am besten verletzen.‘ In ihrer Emanzipation und der sexuellen Selbstbestimmung.

Es trifft also insbesondere Frauen, die stark und selbstbewusst auftreten.

Ja, und Frauen, die beispielsweise viel Beachtung in den Medien finden, was bei diesen Männern nicht der Fall ist. Und Frauen in Machtpositionen sind in der Vorstellung dieser Männer besonders bedrohlich, weil sie sich der Kontrolle des Mannes entziehen oder diese sogar umkehren. Das ist ganz archaisch und primitiv: Diese Männer verstehen Frauen nach wie vor nur als Beute, als Opfer. Und wenn die Frauen sich dem entziehen, dann werden sie virtuell – und da sind solche Fotomontagen und ihre Verbreitung über soziale Medien wie im Fall von Frau Baerbock natürlich besonders gut geeignet – auf eines reduziert: Objekte des männlichen Zugriffs. Dies zeigt sich übrigens besonders deutlich im Verschicken von ‚Dickpics‘, also von eigenen Penisfotos an Frauen zur Demonstration von Männlichkeit, Macht, sexueller Potenz und Angriffslust.

Je höher die Machtposition der Frau, desto stärker ihre Unerreichbarkeit, und desto stärker die Wut?

Mit der Popularität und Bekanntheit verstärkt sich auf jeden Fall der Hass bei den Männern. Sie sind fixiert auf die Frauen und machen sie verantwortlich für ihr Unglück.

Professor Rolf Pohl / Isabelle Hannemann

Was weiß man über diese Männer, die Frauen mit solchen Nachrichten belästigen oder sogar bedrohen?

Das ist ganz schwer zu sagen, weil es nur wenige empirische Erhebungen gibt und es so eine breite amorphe Masse ist. Da überlagern sich mehrere Szenen: eine maskulinistische Szene – die will den Mann ganz klar wieder in patriarchale Strukturen und die Frau in ihre vermeintlich angestammte Rolle zurückbringen. Die erzkonservativen christlichen Fundamentalisten, die versuchen, die ‚alte‘ Familie aus Mutter, Vater und Kind wiederzubeleben. Pick-up-Artists, die versuchen, ein Geschäft daraus zu machen, Männern systematische Manipulationstechniken zur Verfügung zu stellen, um Frauen ‚ins Bett zu kriegen‘, und daran noch Geld zu verdienen. Die Incels, wo der Hass gegenüber Frauen so stark ist, dass jegliche emotionale oder sexuelle Beziehung zu ihnen vermieden wird. Und es geht schließlich bis in den Rechtspopulismus und -extremismus hinein. Diese Gruppen eint die Idealisierung eines vermeintlich verloren gegangenen starken Männlichkeitsbildes und der Versuch, das wieder herzustellen. Das ist eine viel breitere Masse als ein paar Trolle, die sich nur mal hinsetzen und einen Kommentar loswerden. Im Gegenteil, das sind Männer, die auf Hass gebürstet sind und sogar potenziell gefährlich sind.

Spielen sie auf den Attentäter von Halle an, der mit 27 noch nie eine Freundin gehabt hatte und noch bei seiner Mutter im Kinderzimmer lebte?

Ja. Da gibt es ja die große Überschneidung zu der sogenannten Incel-Szene, den ‚unfreiwillig Zölibatären‘. Solche Männer haben keine Freundin, keinen Sex, und dafür machen sie Frauen verantwortlich, weil die vermeintlich nur Alpha-Männer bevorzugen würden. Und dafür müsste man die Frauen büßen lassen, so die Logik. Der Attentäter von Halle, Stephan Balliet, hat sich darauf bezogen, der von Christchurch und Toronto auch. Aus dem wüsten 1.500 Seiten starken Manifest von Anders Behring Breivik konnte man auch herauslesen, dass die Überlagerung von Fremdenhass, Muslimfeindlichkeit und Antifeminismus eine ganz wichtige Rolle bei seinen Motiven gespielt hat. Der hat übrigens auch bei seiner Mutter gewohnt in den fast zehn Jahren, die er seine Tat vorbereitet und angeblich freiwillig auf Sex verzichtet hat.

Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) hat kürzlich gesagt, dass, wenn sie mal wieder eine Hasswelle abbekommt, es sich um massive abgestimmte Bedrohungen rechtsextremer Gruppen handele. Was sagen Sie als Sozialpsychologe denn dazu, dass der Frauenhass im Internet inzwischen organisiert ist?

Ich glaube, dass da etwas dran ist. Wobei man bedenken muss, dass es auch Leute gibt, die mitmischen und nicht miteinander vernetzt sind. Der Hass hat ganz starken Ansteckungscharakter. Denn es wird schnell die Illusion erzeugt, man ist nicht allein, sondern in einer Gruppe und damit machtvoll. So können sich dann wiederum tatsächlich viele beteiligen. Solche virtuellen Massen, die nicht unbedingt die Liebe zu einem Führer oder eine gemeinsame große Ideologie verbindet, was wir in der Massenpsychologie klassischerweise unter realen Massen, Versammlungen verstanden haben, können mit ihrem geteilten Hass aber genauso starke zerstörerische Folgen hervorrufen wie reale Massen.

Sie haben den Sehnsuchtsort der Kernfamilie aus Mutter, Vater und Kind angesprochen. In den USA zelebrieren so genannte Tradwives, also traditional Ehefrauen, die Rückkehr zu einem Frauenbild aus den 50er-Jahren. Die Frauen der Bewegung kleiden sich wie Pin-up-Hausfrauen und fokussieren sich auf Haushalt und Familie. Ihr Ziel ist es, möglichst viele weiße Babys zu bekommen. Woher rührt dieser reaktionäre Backlash alter Geschlechterrollen?

Eine Bewegung funktioniert so besser, als wenn sie nur sagen, ‚wir wollen ein altes Männerbild durchsetzen‘. Sie machen sich dadurch anschlussfähig, bieten Anknüpfungspunkte, um Anhänger zu finden. Und dann heftet man sich an irgendetwas aus der Vergangenheit: das Bild der harmonischen idyllischen Kleinfamilie, die ja eigentlich ein Mythos ist. Die Kleinfamilie der 50er Jahre war nicht weniger von Gewalt oder Disharmonie geprägt als Familien heute. Da wird etwas in die Vergangenheit projiziert, das es nicht gegeben hat. Aber diese Bilder sind wichtig, um solche Ideologien und Einstellungsmuster zu entwickeln: ‚Weil die Familie, die Rolle des Mannes angeblich zerfallen sind, muss man wieder nach solchen Maßstäben von früher leben, dann wird die gute alte Ordnung schon wieder hergestellt.‘

Auch die AfD propagiert hierzulande ein konservatives Familienbild mit der Frau als Hausfrau und Mutter. Ist das eine rein männliche Projektion oder gibt es auch Frauen, die sich nach dieser alten Rolle zurücksehnen? 

Frauen sind ja nicht per se die besseren Menschen. Auch sie können diese Einstellungsmuster teilen. Viele von ihnen verstehen diese Rolle als Heilversprechen von allen Krankheiten der Gesellschaft und glauben, sie würden dann Souveränität, Größe und Schutz bekommen, was sie angeblich verloren haben. Da machen sie sich aber natürlich was vor, statistisch gesehen begeben sie sich in Gefahr. Es ist sehr viel wahrscheinlicher, dass ihnen in Beziehungen, wo solch traditionalistische Einstellungen herrschen, Gewalt und sexuelle Gewalt droht. Beziehungen sind ja ohnehin der gefährlichste Ort für Leib und Leben von Frauen.

Die FDP-Bundestagsabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann erzählte kürzlich gegenüber der FAZ, dass selbst im Bundestag zu spüren sei, dass Kolleginnen, die eher dem linken Spektrum angehören, häufiger unangenehme Zurufe aus der Ecke der AfD im Plenum bekommen. Trifft es Politikerinnen im linken Spektrum häufiger?

Frauen, die in der FDP und der CDU sind, bekommen auf jeden Fall auch sexistische Anfeindungen und Hasskommentare. Aber die Intensität und Häufigkeit ist mit Sicherheit höher bei Frauen, die Angehörige der Linken, der Grünen vielleicht auch der SPD sind.

Warum?

Dort überlagern sich gleich zwei Feindbilder: Diese Frauen wagen es in den Augen dieser Männer nicht nur, die Geschlechterhierarchie anzugehen oder auszuhebeln mit der Art, wie sie auftreten, ihrer öffentlichen Funktion. Sie stellen auch noch in ihrer politischen Ausrichtung die vermeintlich angestammte ureigene gesellschaftliche Ordnung in Frage, die den Männern Sinn, Größe und Anerkennung verspricht. Hier geht Sexismus mit rechter Gesinnung Hand in Hand.

Es hat sich ja schon etwas getan in den vergangenen zwei Jahrzehnten. Der Gender Pay Gap ist seit 2006 von 24 auf 18 Prozent (2020) gesunken. Der Anteil von Männern, die Elternzeit nehmen, hat sich, wenn auch auf niedrigem Niveau, von 2009 bis 2019 knapp verdoppelt. Trotzdem scheint es, als würden Hass und Drohungen gegenüber Frauen in der Öffentlichkeit aktuell zunehmen. Ist das eine Reaktion auf Entwicklungen hin zur Gleichstellung? 

So ist es, soziologisch gibt es bei jeder Modernisierung Beharrungskräfte und Gegenbewegungen. Und die sind gerade im Feld der Geschlechterverhältnisse unglaublich hartnäckig. Über die Jahre hinweg hat es zwar Bemühungen gegeben, Gendermainstreaming, Frauenförderung, eine stärkere Frauenbewegung und auch leichte Fortschritte. Wesentlich verändert hat das die gesellschaftlichen Strukturen aber nicht. Trotzdem reicht das schon in den Augen vieler, um dagegenzuhalten. Wie begrenzt der Fortschritt ist, zeigt sich übrigens darin, dass die Väter mit Elternzeit diese in der überwiegenden Anzahl nur maximal zwei Monate wahrnehmen.

Wir reden jetzt die ganze Zeit über diese bösen Männer. Das ist ja sehr bequem, so kann man sich abgrenzen und ist quasi einer der Guten. Solche Hetzer sind ja aber Teil unserer Gesellschaft. Sind wir vielleicht alle, auch Frauen, mitverantwortlich, dass diese Männer glauben, es wäre okay, Frauen so zu behandeln? 

Da stehen alle Schichten, Gruppierungen und auch Geschlechter in der Pflicht. Auch und gerade diejenigen, die nicht betroffen sind, sich bisher auch nicht positioniert haben, müssen den Mund aufmachen. Aber nicht nur im Sinne des Opferschutzes des Einzelnen. Es reicht nicht, sich mit einzelnen Frauen, die in der Öffentlichkeit mit Hasskommentaren belästigt werden, plakativ zu solidarisieren.

Sie meinen, auch Männer sollten Solidarität bekunden, so wie es zum Beispiel vom CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak getan hat, nachdem Ricarda Lang beleidigt wurde?

Das fand ich gut, jenseits der politischen Differenzen wurde da Solidarität ausgesprochen. Aber es muss einen breiten Diskurs und strukturelle Veränderungen geben. Sonst wird die Solidarität heuchlerisch. Einerseits muss es allgemeiner Konsens sein, dass solche Herabsetzungen, sexualisierten Beleidigungen, Drohungen nicht in Ordnung sind. Dann müssen wir aber auch darüber sprechen, wie wir die immer noch präsenten Hierarchien zwischen den Geschlechtern und ihre Verfestigungen in unseren Wahrnehmungs- und Einstellungsmustern wirklich abbauen können. 

Wenn über Gender gesprochen wird, dann fokussiert sich die Diskussion im Augenblick auf Gendersternchen. Ist das eine Scheindebatte, weil man sich an das eigentliche Problem nicht herantraut?

Diese ganze Gender-Sternchen-Debatte ist wichtig, aber ein Stück weit auch eine verschobene Debatte, die die grundlegenden geschlechterspezifischen Hierarchien nicht angeht. Ich glaube nicht, dass sprachliche Regelungen automatisch das schaffen, was ich mit Angehen der Strukturen meine. Deshalb würde ich in der Gender-Sternchen-Debatte eher für ein bisschen mehr Gelassenheit plädieren, einen spielerischen Umgang, wo wir vielleicht mehr Variationen finden und nicht dogmatisch und rigide versuchen, die Geschlechterdiskussion ausschließlich oder vorrangig daran aufzuhängen.

Sie haben zu Anfang dazu geraten, Hasskommentare öffentlich zu machen, wenn strafrechtlich möglich auch Anzeige zu erstatten. Bringt die Anzeige denn überhaupt etwas?

Ja, auch wenn es mühselig scheinen mag. Mit Bekanntwerden, mit mehr Sichtbarkeit von solch übergriffigem Verhalten in Statistiken wächst der Druck in der Öffentlichkeit und der Druck auf die Ermittlungsbehörden. Wir sehen ja schon, dass sich langsam etwas tut. Mehr Personal wird eingestellt, Abteilungen für Cyberkriminalität und Hasskommentare gegründet.

Das Gespräch führte Uta Weisse.
 

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