Parteiausschlussverfahren gegen Maaßen? - Knapp daneben ist auch vorbei

Erst die Schwarze Null, dann Hans-Georg Maaßen und ein offen gelassener Parteiausschluss: Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer sorgt mit zwei unpräzisen Äußerungen für doppelten Aufruhr. Kann sie es einfach nicht?

Annegret Kramp-Karrenbauers Kommunikationsdesaster / picture alliance
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Sieben auf einen Streich waren es beim tapferen Schneiderlein, zwei in 36 Stunden immerhin bei Annegret Kramp-Karrenbauer. Die CDU-Vorsitzende hatte noch nicht richtig hinter ihrem einen Interview hergefegt, da überschlugen sich die Dinge schon wegen des nächsten.

Im Interview mit dem Sender ntv war die CDU-Vorsitzende auf die sich eintrübende Konjunktur angesprochen worden, verknüpft mit der Frage, ob sie sich in diesem Lichte eine Abkehr vom Ziel der Schwarzen Null vorstellen könnte. Was sie dann sagte, war geeignet, eine Schlagzeile zu produzieren, dass AKK sich eine Abkehr von der Schwarzen Null vorstellen könne. Die Sache nahm derart Fahrt auf, dass Kramp-Karrenbauer die Sache in der Süddeutschen Zeitung versuchte klarzustellen.

Die Schwarze Null war kaum durch, da machte AKK Schlagzeilen damit, dass sie sich vorstellen könne, den früheren Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen aus der CDU ausschließen zu lassen. Diesmal sah nicht sie selbst, sondern ihr Generalsekretär, Paul Ziemiak, sich genötigt, via Twitter eine Klarstellung zu schreiben.

Die Formschwäche von AKK

Es stimmt: Das Nachrichtenwesen und die Zuspitzung in Überschriften hat manchmal eine Form erreicht, die nicht mehr den Urherber der Aussage in schlechtes Licht rückt, sondern die Nachrichtenbranche. Zuletzt war das der Fall bei einer völlig verzerrt weitergegeben Aussage des Unions-Vizefraktionsvorsitzenden Carsten Linnemann.

Die Funke-Redaktion reagierte inzwischen und hat im Nachgang die Überschrift des Kramp-Karrenbauer-Interviews geändert. Weg von „AKK droht Hans-Georg-Maaßen mit CDU-Parteiausschluss“ hin zu „AKK: Maaßen passt nicht zu CDU – Debatte um Parteiausschluss“. Nur die URL erinnert noch an die einstige Zuspitzung.

Dennoch liegen bei AKK die Dinge etwas anders als bei Linnemann. Wohlwollend kann man von einer Formschwäche sprechen. Offensichtlich hat sie immer noch Schwierigkeiten mit dem politisch-publizistisch heißeren Pflaster Berlin. Im Saarland war das sicher alles gemütlicher.

Interpretationen ermöglicht

Aber ihre beiden Aussagen, die zur Schwarzen Null und die zu einem möglichen Parteiausschlussverfahren von Hans-Georg Maaßen boten Raum für die Überschriften, die daraus gemacht wurden. Das Muster ist in beiden Fällen das gleiche. Journalisten stellen eine Frage mit einem Reizwort (Schwarze Null, Parteiausschluss), AKK weicht erst aus, beziehungsweise hält das Prinzip hoch (keine Abkehr von der Schwarzen Null, Parteiausschluss hat hohe Hürden) – und setzt dann einen Satz hinterher, der jeweils die Interpretation zulässt, mit der AKKs Aussagen dann auf die Reise gingen.

Zur Schwarzen Null setzte sie hinzu: „Darüber hinaus sieht auch die jetzige Regelung zu einer Schwarzen Null im Grundgesetz Ausnahmemöglichkeiten vor, etwa für den Fall einer Krise. Deswegen braucht man das Prinzip an sich nicht gleich zur Seite zu legen.“ Und bei Maaßen sagte sie unmittelbar anknüpfend an die hohen Hürden des Ausschlusses: „Aber ich sehe bei Herrn Maaßen keine Haltung, die ihn mit der CDU noch wirklich verbindet.“

Wie beim Curling hintergeschrubbt

Die Folge für AKK und die CDU: Das Ding ist falsch aufs Eis gesetzt, und wie beim Curling im Winter müssen dann die Helfer mit den Schrubbern dafür sorgen, dass der Stock, den AKK da ungelenk auf die Reise geschickt hat, wenigstens einigermaßen in die richtige Richtung geht und nicht Karambolage spielt mit den eigenen Steinen. Besser wäre gleich ein sauberer Effet.

Die Verheerung ist im Falle Maaßens ungleich größer. Denn die Schwarze Null kann nicht antworten. Maaßen schon. Was er auch umgehend getan hat. Und er hat nicht unrecht mit seinen beiden Hinweisen. Nicht er sei nach rechts gerückt, sondern die Merkel-CDU nach links. Und auch der Hinweis, dass AKK mit diesem Vorgang der CDU schade, ist nicht unberechtigt. Das dürfte auch der Grund dafür sein, dass schließlich sogar Kramp-Karrenbauer selbst hinterherschrubbte: „Ich habe weder im Interview noch an anderer Stelle ein Parteiausschlussverfahren gefordert“, sagte sie in Berlin. Und schob hinterher: „Die CDU ist eine Partei mit über 400.000 Mitgliedern. Dass jeder seine eigene Meinung haben kann, das macht uns aus, das macht uns auch interessant.“

Maaßen schadet nicht in Sachsen

Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer, im Wahlkampf und damit immer unmittelbares Opfer solcher Turbulenzen, hat umgehend verkündet, dass man Maaßen nicht ausschließen solle, sondern dass man andere Meinungen in einer Volkspartei aushalten könne. Maaßen macht im Moment ungebetenerweise viel Wahlkampf in Sachsen. Die Werte der CDU sind hochgegangen in den letzen Tagen. Das kann an Kretschmers Einsatz liegen oder auch an Maaßen (wahrscheinlich am ehesten an Kretschmers anbiederndem Foto mit Wladimir Putin in Petersburg). Aber eines kann man festhalten: Maaßen schadet jedenfalls nicht im konservativen und eigensinnigen Freistaat.

So hat nun die CDU den Streit, an dem die SPD schon lange schwer trägt und noch lange leiden wird. Die CDU hat jetzt auch ihren Sarrazin. Ohne jede Not.

Es dürfte einige in der Strategieabteilung des Konrad-Adenauer-Hauses geben, die schon schwitzen vor dem nächsten Curling ihrer Chefin. Die Schrubber sollten jedenfalls schon mal bereit stehen.

Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version des Artikel war statt von Curling von Eisstockschießen die Rede. Tatsächlich wird beim Eisstockschießen nicht geschrubbt. Wir haben wieder was gelernt und danken einem Leser für den sachdienlichen Hinweis!

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