Nächste Runde im Fall Maaßen - Politik aus dem Irrenhaus

Die Versetzung des Verfassungsschutz-Präsidenten ins Innenministerium soll neu verhandelt werden, weil Andrea Nahles sich verzockt hat. Um Hans-Georg Maaßen geht es dabei längst nicht mehr, sondern um einen Richtungskampf in der sterbenskranken SPD

Seehofer, Nahles: Nächste Konfrontation schon programmiert / picture alliance
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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„Mama weer all crazee now“ war im Jahr 1972 ein Hit der britischen Rockband Slade – der Song hielt sich zehn Wochen lang in den Charts. Er könnte auch der Soundtrack der aktuellen Bundesregierung sein, und allem Anschein nach wird das Lied bis zum absehbaren Ende der Großen Koalition rauf und runter gespielt werden. Anlässe für eine Heavy Rotation der Melodie politischen Durchgeknalltseins gibt es in Hülle und Fülle, denn der Fall Maaßen zeigt: Es geht längst nicht mehr um konkrete Inhalte. Warum sonst könnten offensichtlich den Tatsachen entsprechende Aussagen eines Verfassungsschutzpräsidenten zu einer regelrechten Staatskrise führen? Als Fakt bleibt festzuhalten: Die SPD ist nicht regierungsfähig, weil ein auf Opposition fixierter Teil der Partei die Obstruktion der Parteivorsitzenden betreibt. Kevin Kühnert rules.

SPD statuiert an Maaßen ein Exempel

Jetzt soll also die Personalie Hans-Georg Maaßens neu verhandelt werden, weil Nahles die eigenen Leute aufs Dach steigen. Immerhin scheint sich die deutsche Sozialdemokratie schon so weit erneuert zu haben, dass die Basta-Zeiten eines Gerhard Schröder endgültig passé sind. Ohne dessen Durchsetzungsfähigkeit gegen interne Widerstände hätte die SPD zwar erst gar nicht ihren wohl auf ewiglich letzten Bundeskanzler gestellt, aber das ist inzwischen alles egal. Im Niedergang regieren Panik und Rechthaberei, es muss an einem erfahrenen Verwaltungsjuristen ein Exempel statuiert werden. Da reicht es dann einfach nicht aus, ihn von der Spitze des Bundesamts für Verfassungsschutz verdrängt zu haben, wie Nahles irrtümlich glaubte. Der Mann soll endgültig kaltgestellt werden; der Juso-Vorsitzende fordert gar, Hans-Georg Maaßen dürfe überhaupt kein öffentliches Amt mehr bekleiden. Womit die nächste Konfrontation natürlich schon programmiert ist.
 
„Die durchweg negativen Reaktionen aus der Bevölkerung zeigen, dass wir uns geirrt haben“, schreibt die SPD-Chefin über die Versetzung Maaßens als Staatssekretär ins Innenministerium in einem Brief an Angela Merkel und Horst Seehofer. Damit hat sie wahrscheinlich sogar recht. Nur übergeht sie eben auch all jene Bürger, denen die Personalentscheidung schon deswegen befremdlich vorkam, weil sie in Maaßens Bewertung der Chemnitzer Ereignisse nichts anstößiges finden konnten. Die SPD ist zum Opfer ihrer eigenen Skandalisierung geworden und bekommt die Sache nicht mehr unter Kontrolle. Da die Bundeskanzlerin dem Inhalt des Nahles-Briefs offenbar grundsätzlich zustimmt, gesteht sie übrigens einen Fehler ein: Der Irrtum geht ja laut SPD-Vorsitzender ausdrücklich auch auf die Adressaten ihrer Epistel zurück. Mit anderen Worten: Um die GroKo zu retten, muss Merkel den Vorwurf eigenen Versagens aus der Feder von Andrea Nahles nicht nur erdulden, sondern bestätigen. Ein bemerkenswerter Vorgang.

Seehofer kann Maaßen nicht fallen lassen 

Man darf gespannt sein, wie die neue Lösung für Maaßens künftige Verwendung ausfallen wird. Dass Horst Seehofer ihn jetzt einfach fallen lässt, nachdem er die SPD mit der Staatssekretärs-Lösung vorgeführt und seine eigene Handlungsfähigkeit unter Beweis gestellt hat, ist schlicht undenkbar. Der Innenminister hat zwar Entgegenkommen signalisiert, aber dabei dürfte es sich um taktisches Kalkül gehandelt haben. Seehofer weiß gut genug Bescheid über seinen schlechten Ruf in den Medien, um ihnen nicht gleich die nächste Steilvorlage zu liefern. Lieber den Ball flach halten und am Ende das Tor schießen, als umgekehrt – also so wie die Sozialdemokraten.
 
„Die SPD will die Arbeit dieser Koalition erfolgreich fortführen“, schreibt Andrea Nahles an die Parteivorsitzenden von CDU und CSU. Das ist für alle erkennbar nicht der Fall. Ein Teil der SPD will nämlich genau das Gegenteil, und weil der Vorsitzenden die notwendige Autorität fehlt, um sich gegen die parteiinternen Quertreiber zur Wehr zu setzen, sollte die SPD notwendige Konsequenzen ziehen. In der Opposition könnte sie zum Beispiel Kevin Kühnert zum neuen Vorsitzenden wählen und sich dann als politische Marginalkraft erneuern. Die Grünen stünden für die Union als Ersatzkoalitionäre sofort bereit, die FDP mit etwas Bedenkzeit ebenso. Letztere aber nur unter der Bedingung, dass Merkel das Kanzleramt räumt. Das wäre ein Befreiungsschlag – nicht zuletzt auch für die CDU.

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