Habecks Ausbau-Pläne - „Der Widerstand gegen Windkraft wird wachsen“

Klimaminister Robert Habeck will die Windenergie massiv ausbauen. Dagegen regt sich Protest. Susanne Kirchhof, Landesvorsitzende der Windkraftkritiker aus Habecks Heimat, erklärt, weshalb sie heute zur Mahnwache nach Berlin gekommen ist.

„Tatsächlich wird es kaum noch eine Ecke in Deutschland geben, die nicht von Windkraftanlagen betroffen ist“, sagt Susanne Kirchhof / dpa
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Susanne Kirchhof ist Agrarwissenschaftlerin und Landesvorsitzende des Vereins Vernunftkraft in Schleswig-Holstein. Vernunftkraft ist ein bundesweiter Zusammenschluss von windkraftkritischen Bürgerinitiativen.

Frau Dr. Kirchhof, Sie treffen sich heute zu einer Mahnwache vor dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klima. Warum?

Auslöser war die Pressekonferenz von Robert Habeck am 11. Januar, in der er den forcierten Ausbau der regenerativen Energien ankündigte. Er hat dort einige Aussagen gemacht, die mich erschüttert haben.

Welche denn?

In erster Linie war es das, was er über die Proteste von Anwohnern gesagt hat. Er äußerte, die Leute würden sagen: Das mag ja alles schön und gut sein, aber bitte nicht da und bitte nicht dort, denn „da gehe ich am Sonntag mit meinem Waldi spazieren“. Damit hat Herr Habeck die tatsächliche Betroffenheit der Anwohner von Windkraftanlagen bagatellisiert und lächerlich gemacht.

Sie haben Herrn Habeck schon als Umweltminister in Schleswig-Holstein erlebt. Welche Erfahrungen haben Sie dort mit ihm gemacht?

Susanne Kirchhof

Mit ihm persönlich so gut wie keine. Er hat den direkten Dialog mit uns als Landesverband windkraftkritischer Bürgerinitiativen verweigert. Wir haben ihn darum gebeten, aber er hat uns nicht empfangen. Einmal habe ich ihn anlässlich einer Podiumsdiskussion auch persönlich getroffen und im Anschluss um ein Gespräch gebeten. Das hat er abgelehnt.

Soviel zum miteinander Sprechen, dabei betont er ja immer, wie wichtig das sei. Tatsächlich weigert er sich, anzuerkennen, dass Anwohner von Windkraftanlagen von diesen massiv negativ betroffen sind. Das ist offensichtlich Teil seiner rhetorischen Strategie.

Was meinen Sie damit?

Er ist Philosoph und Buchautor und weiß, wie er Sprache einsetzen muss, um ein bestimmtes Meinungsklima zu erzeugen. Ich denke, er würde niemals in der Öffentlichkeit über den Lärm der Windkraftanlagen und die Betroffenheit der Menschen in ihrer Umgebung sprechen. Stattdessen reduziert er diese massive Betroffenheit auf einen Spaziergang mit Waldi.

Welche Erfahrungen haben Sie denn in Schleswig-Holstein mit Windkraft gemacht?

Bei uns stehen sehr große Windkraftanlagen mit riesigen Rotoren in wenigen hundert Metern Entfernung von Wohnhäusern. Nicht nur eine Windkraftanlage, sondern auch mal 10, 20 oder mehr. Und dass ein solcher Rotor, wenn er mal in Bewegung gesetzt wird, Schall und Luftdruckwellen erzeugt, ist ja logisch. Da braucht man nicht viel Phantasie.

Die Menschen an den Windkraftanlagen leiden permanent darunter, können sich dem nicht entziehen und sind teilweise verzweifelt. Manche Menschen ziehen weg. Andere können aus finanziellen Gründen nicht wegziehen.

Warum nicht?

Wer kann es sich denn so eben mal leisten, sein Haus aufzugeben und einfach wegzuziehen? Eine Immobilie, die neben Windkraftanlagen steht, verliert ja deutlich an Wert. Das trifft auch diejenigen, für die ihr eigenes Haus als Altersvorsorge gedacht war. Das ist schon ein Drama, was sich da zum Teil abspielt. Dies alles als Hundespaziergang zu bagatellisieren, das hat mich schon sehr böse gemacht. Das möchten wir ihm vor seinem Ministerium einmal vortragen. Daher die Mahnwache.

Die Bundesregierung ist fest entschlossen, den Ausbau der Windkraft in Deutschland massiv voranzutreiben. Rechnen Sie mit mehr Widerstand und mehr Bürgerprotesten?

Ja. In vielen Bundesländern ist es ja noch nicht so zugebaut wie bei uns. Anhand von Schleswig-Holstein kann man ja sehen, wo ganz Deutschland hin soll. Die Aussage, zwei Prozent der Landesfläche werden bebaut, 98 Prozent der Fläche bleiben frei, ist auch eine Täuschung. Denn Windkraftanlagen, die über 200 Meter hoch sind, haben riesige Rotoren und eine Raumwirkung, die weit über die eigentliche Vorrangfläche hinausgeht. Tatsächlich wird es kaum noch eine Ecke in Deutschland geben, die nicht von Windkraftanlagen betroffen ist.

Ich denke schon, dass es verstärkt Widerstand geben wird, der auch auf juristischer Ebene stattfinden wird. Die Landesregierungen von Bayern und Sachsen haben, soweit ich weiß, auch Gegenwehr angekündigt.

Streitpunkt zwischen Bund und Ländern ist vor allem der Mindestabstand von Windkraftanlagen zu Wohnhäusern. 

Gesetzlich verankerte Mindestabstände auf Landesebene sind die einzige Möglichkeit, um eine gewisse Planungshoheit auf eigenem Gebiet nicht aufzugeben. Grundsätzlich müssen Mindestabstände zur Wohnbebauung festgelegt werden, um die Menschen vor gesundheitlichen Folgen zu hoher Lärmbelastung zu schützen. Es gibt einige Bundesländer, die diese ganzen Pläne kritisch sehen, weil sie wissen, dass sie den Menschen damit sehr viel zumuten.

Der bayerische Ministerpräsident hat sich ganz klar dazu geäußert, dass er die 10-H-Regel nicht abschaffen möchte. Diese Regel schreibt vor, dass eine Windkraftanlage mindestens das Zehnfache seiner Höhe von der nächsten Wohnbebauung entfernt sein muss – bei einer Anlagenhöhe von 200 Meter also zwei Kilometer.

Den bayrischen Gemeinden ist es aber abweichend davon möglich, auch eigene Windkraftplanungen innerhalb dieses Abstandes zu realisieren. Die bayerische Landesregierung respektiert also das Recht auf kommunale Selbstverwaltung ihrer Gemeinden und überlässt ihnen die Planung.

Warum sind Sie eigentlich gegen Windkraft?

Windkraftanlagen können nur Strom erzeugen, wenn der Wind weht. Windkraftanlagen können kein funktionierendes  Stromerzeugungssystem sicherstellen,wie wir es brauchen. Es macht keinen Sinn, noch mehr Windkraftanlagen zu bauen, solange die Netze nicht ausgebaut sind, man den Strom abregeln muss und die Betreiber dafür Entschädigung bekommen.

Unser Stromnetz ist auf eine konstante Einspeisung von Strom angewiesen. Windkraftanlagen können das nicht. Wir können auch nicht vorhersagen, wann der Wind weht. Wir haben auch immer noch keine Speicher. Deshalb brauchen wir mit den zahlreichen neuen Gaskraftwerken, die jetzt gebaut werden sollen, eine zweite Energieinfrastruktur hinter den Windkraftanlagen.

Der zweifelhafte Nutzen von unzuverlässigen Windkraftanlagen steht in keinem Verhältnis zu dem Schaden, den der Zubau von sehr vielen tausend Windkraftanlagen an Natur, Umwelt und den Menschen anrichtet.

Was wäre die Alternative? Strom aus Kohlekraftwerken kann es angesichts des CO2-Problems ja nicht sein.

Mein Vorschlag für eine klügere und sinnvollere Energiepolitik wäre, zunächst – als Erste-Hilfe-Maßnahme – die letzten Kernkraftwerke am Netz zu lassen. Danach würde ich in Betracht ziehen, dass es mittlerweile neue Technologien bei der Kernkraft gibt, die in der Lage sind, den strahlenden Atommüll der alten Anlagen noch weiter energetisch zu nutzen.

Das wäre aus meiner Sicht ein lohnender Ansatz mit einer gewissen notwendigen Nachhaltigkeit. Ein kluger Mix verschiedener effizienter Technologien würde helfen, die oben erwähnten Schäden so gering wie möglich zu halten.

Das Gespräch führte Birgit Freudenberg.

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