Gruppenvergewaltigung in Freiburg - „Deutschland den Deutschen, gell?“

Ausgerechnet im linksliberalen Freiburg soll eine 18-Jährige von mehreren Syrern und einem Deutschen vergewaltigt worden sein. Das Verbrechen spaltet sogar Familien. Das Protokoll eines Gesprächs zweier Schwestern

Polizisten patrouillieren in Freiburg, damit Afd-Demonstranten und Gegendemonstranten nicht aufeinander treffen / picture alliance
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Autoreninfo

Christoph Ernst lebt als Schriftsteller bei Hamburg. Sein jüngster Roman heißt „Mareks Liste“ (Leda-Verlag). Seine Romane „Im Spiegellabyrinth“ (Hallenberger-Media-Verlag, 2015) und „Dunkle Schatten“ (Pendragon, 2012) kreisen um Antisemitismus. 

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Zwei Schwestern (die Namen sind der Redaktion bekannt), 30 und 28, aus dem Dorf B. in Baden-Württemberg, beide studiert, leben und arbeiten seit einigen Jahren in Freiburg. Schon länger gibt es über die Flüchtlingspolitik der Großen Koalition unterschiedliche Ansichten. Der Konflikt flackert bei einem Telefonat auf. Auslöser sind die Demonstrationen rund um die Massenvergewaltigung einer 18-Jährigen, an der mutmaßlich auch mehrere Schutzsuchende beteiligt waren.

„Hi, wie schaut's heut Abend aus mit Wein im Café Ruef, klappt das?“
„Von mir aus schon, aber ich kann erst so ab acht, wollt noch demonstrieren.“

„Gegen was, hab' ich was verpasst?“
„Da war doch diese Gruppenvergewaltigung am „Hans-Bunte“ (der Nachtclub, in dem das Opfer abgeschleppt wurde, Anm. der Red.). Jetzt will die AfD das ausschlachten. Die Gegendemo ist von einem aus dem Stadtrat angeleiert, weil die Rechten natürlich wieder mal die Chance nutzen, um gegen Flüchtlinge zu hetzen."

„Nix für ungut, aber damit einer 'ne Chance nutzen kann, muss er erstmal eine geboten bekommen ...“
„Was willst du damit sagen?“

„Sorry. Ich bin´n bisschen sprachlos ... die Story ist so beängstigend, 'ne junge Frau wird mit Drogen gefügig gemacht und von mindestens acht Flüchtlingen vergewaltigt und die Linke demonstriert gegen rechts ...“
„Typisch für dich, du unterschlägst den Deutschen, der da auch mitgemacht hat!“

„Okay, zum einen kennen wir dessen Wurzeln nicht, es könnt auch jemand aus 'ner Kultur sein, in der selbstbestimmte Frauen keinen Platz haben ...“
„Du argumentierst wie die AfD!“

„Ich finde das einen ganz merkwürdigen Reflex: Da vergewaltigt ne Gruppe von Asylbewerbern 'ne Frau, und du ziehst dir das Büßerhemd über und sagst sofort, da war aber auch ein Deutscher dabei!"
„Stimmt doch!“

„Merkst Du nicht, wie da was auf ganz ungute Art relativiert wird?“
„Was denn?“

„Stell dir vor, da würde 'ne Frau aus Eritrea von acht Deutschen vergewaltigt. Dann wär der allgemeine Aufschrei groß. Aber so? Bloß betretenes Schweigen. Erst wenn die AfD auf der Matte steht, kommt die Linke in Wallung, und sie empören sich nicht über das, was mit der Frau passiert ist, sondern darüber, dass die Rechten das instrumentalisieren könnten…“
„Ich fass es nicht, wie abfällig du das sagst…“

„Weil es so verlogen und masochistisch ist!“
„Du warst auch mal links ..."

„Bin ich immer noch. Aber ich mach mir auch bekanntlich Gedanken über den grenzenlosen Import von sexuell gewalttätigen Männern. Der geht auf Kosten von Frauen wie dir und mir.“
„Die besorgte Bürgerin!“

„Ja. Ich bin wirklich besorgt. Ich sorge mich um meine Freiheit und meine Rechte. Für die tritt diese Art Linke nämlich nicht mehr ein!“
„Die Demo wendet sich ausdrücklich gegen sexuelle Gewalt …“

Ich bin gegen den Import von sexueller Gewalt. Punkt. Und nicht, ich bin gegen sexuelle Gewalt, aber ... Wir wissen beide ganz genau, alles, was vor dem „aber“ steht, kannst du knicken.“
„Komm schon, du weißt ganz genau, dass das nicht stimmt. Hier geht’s um was ganz anderes. Mit diesen Parolen kommt keiner weiter …“

„Weißt du was, du hast mich überzeugt. „Parolen“ war grad das, was ich noch gebraucht hab.“
„Wie?! Kommst du mit demonstrieren?!“

„Ja. Aber ich geh zu denen jenseits vom Martinstor. Ich will endlich mal wissen, wer genau da bei denen demonstrieren kommt, statt morgen wie sonst immer den gefärbten Nachberichts-Aufguss bei Facebook zu inhalieren..."
„Dir ist schon klar, dass sich niemand die Gesinnung auf die Stirn tätowiert, oder?“

„Hier geht’s nicht um Gesinnung, verstehst du das nicht?! Mehrere Typen, die bei uns Schutz suchen, haben aufs brutalste eine Frau vergewaltigt. Das geht einfach gar nicht. Da gibt’s nix zu relativieren!“
„Also sorry, Vergewaltigungen gab’s schon immer, auch hier, da brauchste nicht bis nach Syrien! Ich weiß noch genau, als zuhause vor zehn Jahren oben an der Bundesstraße nacheinander drei Frauen vergewaltigt wurden, da biste auch nur noch mit Pfefferspray los.“

„Klar: Vor 2015 wurd auch schon vergewaltigt. Macht es das besser? Jetzt würde ich erst Recht nicht mehr abends allein an die Dreisam! Da vergewaltigt einer ohne Not, und, das Krasseste: Er sucht und findet anschließend ohne weiteres `nen Haufen Freunde, die fröhlich mit vergewaltigen. Aber die Linke geht gegen die AfD auf die Straße. Das ist doch absurd. Wieso sind die nicht von allein auf die Idee gekommen und haben sich sofort hinter die Frau gestellt und für sexuelle Selbstbestimmung ausgesprochen? Merkst du nicht, dass bei solch reflexhaftem Müll der Schuss total nach hinten losgeht?
„So? Wie?“

„Weil stillschweigend immer mehr Leute zur gefürchteten Rechten flüchten. Die fühlen sich mit ihren Ansichten nämlich nirgendwo mehr vertreten!“
„Deutschland den Deutschen, gell?“

„Nee, im Gegenteil: Deutschland den Demokraten mit gesundem Menschenverstand – egal welcher Herkunft. Wenn die Regierung es in drei Jahren nicht schafft, zwischen Notleidenden und Kriminellen zu unterscheiden, läuft etwas gewaltig schief. Dann red ich das Problem nicht länger klein oder tu so, als ob jeder, der darauf hinweist, ein Rassist ist.“
„Die AfD ist rassistisch!“

„Wenn’s Wetter lausig ist, sag ich nicht, die Sonne scheint, bloß weil die AfD von Regen spricht. Ich geh da nachher hin. Da werd ich ja sehen, ob die bloß brüllen und marschieren und sich im Mob wohlfühlen, oder ob da auch Leute sind, die so ratlos sind wie ich, weil sie anderswo keine politische Heimat mehr haben.“
„Mach, wie du denkst. Bin aber grad nimmer sicher, ob ich’s danach noch ins Ruef schaff. Kannst ja mit deinen neuen Freunden noch im „Alten Simon“ einen heben gehn. Soll schön zünftig sein dort."

„Danke für den Tipp. Du kannst dich danach ja noch ein bisschen warm tanzen. Im Hans Bunte Areal ist vielleicht ja heute Technoparty.“

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