Groko-Aus? - Kevin – der Herr im Haus

Die Mission „Groko Aus zu Nikolaus“ wurde abgeblasen. Juso-Chef Kevin Kühnert hat Entwarnung gegeben: Die SPD werde die Koalition mit ihrer neuen Parteispitze nun doch nicht aufkündigen. Von einer 180-Grad-Wende will er jedoch nichts wissen

Ein Mann, ein Kommando: Kevin Kühnert / picture alliance
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Achtung, Achtung, an alle Teilnehmer des politisch-publizistischen Komplexes, eine wichtige Durchsage: Die abgesagten Weihnachtsurlaube können wieder gebucht werden. Der Meister hat uns jetzt doch freigegeben über die Feiertage. Die Koalition wird seitens der SPD nun doch nicht postwendend beendet. Frohes und geruhsames Fest also allerseits. Und Neujahr spricht die Kanzlerin zu uns. Alles wie immer.  

Es hätte dieses Belegs nicht bedurft, und bezeichnend ist es eben doch. Mit einem Tweet verkündet der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert, dass die neue SPD-Spitze aus Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans nun entgegen völlig anderer Aussagen vorher (einschließlich einschlägiger von KK selbst) die Große Koalition nicht unmittelbar aufkündigen wird. „Wer eine Koalition verlässt, gibt einen Teil der Kontrolle aus der Hand, das ist doch eine ganz nüchterne Feststellung“, sagte Kühnert der Rheinischen Post und verband das noch mit einer Erklärung dazu auf Twitter, die nur Erklärung hieß, aber keine war.

Drohung vom Hindukusch

Die Fernsteuerung seiner beiden Kandidaten via Smartphone funktioniert blendend. Und nachdem AKK, die CDU-Chefin, vom Hindukusch aus wissen ließ, dass die SPD bei Verlassen der Groko auch ihre Grundrente nicht bekäme, hat KK die Operation „Groko Aus zu Nikolaus“ (so ein Slogan seiner Jusos, deren Chef er ist) abgeblasen. Wer dachte, im politischen Betrieb schon alles erlebt zu haben, erlebt seit vergangenem Wochenende ganz neue Dimensionen dessen, was früher undenkbar gewesen wäre. Ein Juso-Chef stößt in das Machtvakuum einer Volkspartei und steuert sie nach Belieben. Dazu gehören immer zwei. Einer, der‘s macht, und andere, die es mit sich machen lassen.  

Zu Kühnerts Belieben gehört auch, stellvertretender Parteivorsitzender zu werden auf dem Parteitag am Freitag, also dem Nikolaustag, von dem auch ein Groko-Aus hätte ausgehen können. Das hatte als ersten Ralf Stegner erzürnt, weil er nach Sloglans von KK in diese Richtung genau wusste, welchen der amtierenden Vizes das seinen Platz kosten könnte. Ihn nämlich. 

Hubertus Heil vs. Kevin Kühnert 

Nun ist die Lage aber noch verworrener. Kühnert kandidiert für einen der drei Posten, von denen wohl zwei Frauen vorbehalten sind. Die Quote und so. Die beiden anderen Frauen könnten nach Lage der Dinge die im Wettbewerb um den Parteivorsitz unterlegene Klara Geywitz sein. Und Franziska Giffey. Die von ihrer Uni einen Freispruch zweiter Klasse für ihre Doktorarbeit bekommen hat und damit wieder im Rennen ist. 

Bleibt der Männerposten, um den sich nun Arbeitsminister Hubertus Heil und Kevin Kühnert gleichermaßen bewerben. Eine interessante Challenge, weil sich in ihr abermals der Konflikt zwischen den Regierungs-Sozialdemokraten und den Oppositions-Sozialdemokraten spiegelt. Und noch hat Kühnert diese Challenge nicht für sich entschieden. Denn irgendwo entlädt sich auf Parteitagen mitunter die Spannung, die sich vorher aufgebaut hat, und ein SPD-Bundesparteitag ist immer noch kein Juso-Kongress, auch wenn man das manchmal glauben könnte.

Urlaub machen – solange es noch geht

Am Ende wären es dann also unter Umständen drei Regierungs-Sozialdemokraten, davon zwei Bundesminister, die sich in der Vize-Riege hinter den –  graduell unterschiedlich –  tendenziell oppositionssehnsüchtigen Vorsitzenden Esken und Walter-Borjans wiederfänden. Eine reizvolle Vorstellung. Außer, man erweiterte die mühsam verkleinerte Vize-Riege doch wieder aus übergeordneten Gründen, und Kühnert und Heil bekämen je einen Posten. Dann wäre auch eine Männerquote wieder eingehalten. 

Alles sehr unübersichtlich, wie Sie sehen. Unser Rat deshalb für dieses Weihnachten: Urlaub machen, solange und so erholsam es geht. Es könnte für einige Zeit der letzte gewesen sein.  

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