Glyphosat-Zulassung - „Als Landwirt bin ich froh, dass uns das Mittel erhalten bleibt“

Die verlängerte Zulassung des Pflanzenschutzmittels Glyphosat sorgt für Empörung. Der Landwirt Manfred Koppenhagen kritisiert die Debatte im Interview als Aktionismus ohne sachlich fundierten Hintergrund. Damit solle von drängenderen Problemen abgelenkt werden

Grünen-Politiker in Niedersachsen protestieren gegen den Einsatz von Glyphosat im Deutschen Ackerbau / picture alliance
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Ulrich Thiele ist Politik-Redakteur bei Business Insider Deutschland. Auf Twitter ist er als @ul_thi zu finden. Threema-ID: 82PEBDW9

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Herr Koppenhagen, der CSU-Landwirtschaftsminister Christian Schmidt hat sich in Brüssel gegen die Geschäftsordnung der Bundesregierung durchgesetzt, wodurch die Zulassung des Pflanzenschutzmittels Glyphosat um fünf Jahre verlängert wurde. Was sagen Sie dazu?
Ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Ich habe mich darüber gefreut. Weil ich diese Politposse fast nicht mehr ertragen konnte – wenn ich da zum Beispiel an die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks oder die Herrschaften der Grünen-Fraktion denke. Herr Schmidt hat sachlich korrekt entschieden. Als Landwirt bin ich froh, dass uns das Mittel erhalten bleibt. Ich sehe da durchaus auch einen ökologischen Ansatz. Aber nach all dem Theater auf der Politikbühne und angesichts der Tatsache, dass viele andere Probleme überhaupt nicht auch nur eine Bemerkung wert sind, bin ich erleichtert, dass mit Herrn Schmidt nun doch mal einer bewiesen hat, dass Politik noch funktioniert.

Was war falsch an den Äußerungen von Frau Hendricks und der Grünen-Abgeordneten?
Es gab nicht einmal den Ansatz einer sachlichen Erörterung. Glyphosat sollte weg, weil es mit der modernen Landwirtschaft, vor allem aber mit Gentechnik in Verbindung gebracht wird, obwohl es diese Systeme in Deutschland überhaupt nicht gibt. Ich denke, es war einfach der Versuch, einen Grundstein aus dem Boden zu rammen, um dann ohne sachlichen Hintergrund mit anderen Wirkstoffen weiterzumachen. Das werfe ich der Politik und den NGOs vor.

Gibt es denn nicht berechtigte Kritikpunkte an der Anwendung von Glyphosat?
Man kann sicher über die eine oder andere Anwendung nachdenken. Ich habe zum Beispiel noch nie eine Sikkation (Ernteerleichterung, Anm. der Redaktion) mit Glyphosat gemacht, da ich bestrebt bin, meine Bestände vorher sauber und erntesicher zu machen. Aber ich halte den Einsatz, wie wir ihn unter dem Gesichtspunkt der schonenden und nachhaltigen Bodenbearbeitung vornehmen, für durchaus sinnvoll und vertretbar.

Warum und wie setzen Sie Glyphosat denn ein?
Glyphosat ist ein Baustein in der Produktionstechnik im Pflanzenbau, den wir gezielt einsetzen, um die Unkraut- und Ungrasflora vor der Saat zu reduzieren. Wir können auch alternativ mehrmals den Boden bearbeiten, um die Unkräuter und Ungräser vor der Saat zu bekämpfen. Für die Bodenstruktur und das Bodenleben ist dies eher schlecht. Der Boden trocknet schneller aus und so steht für die neue Saat weniger Wasser zur Verfügung.

Und das geht nur mit Glyphosat richtig?
Was ist die bessere Alternative? Wenn ich das Argument „Artenvielfalt“ höre, muss ich sagen: Das geht ins Leere. Es macht keinen Unterschied, ob ich die Unkräuter mit Glyphosat ums Eck bringe, oder mit der Bodenbearbeitung. Und ganz ehrlich, sehen Sie sich mal einen frisch gepflügten Acker an: Gibt es etwas mit noch weniger Artenvielfalt?

Und wie oft müssen Sie es anwenden?
Wir wenden es im Jahr auf circa einem Drittel der Flächen an. In der Regel immer einmal im Herbst, vor der Bestellung des Wintergetreides. Dabei ist es uns wichtig, dass die Bodenstruktur erhalten bleibt und dass wir nicht mehrfach den Boden bearbeiten müssen. Wir pflügen nicht mehr, deswegen haben wir auch viele Regenwürmer im Boden. Da ist Glyphosat – wenn es sich auch noch so widersinnig anhört – ökologisch die bessere Variante.

Was würde es für Sie als Landwirt persönlich bedeuten, wenn ein Glyphosat-Verbot durchgesetzt würde?
Ich müsste mir dann eben Gedanken über Änderungen in der Bodenbearbeitung machen. Eventuell müsste ich Kulturen aussäen, die ich momentan nicht anbaue, weil sie mir ökonomisch und ökologisch nicht gefallen.

Würden Sie dadurch Geld verlieren?
Ich würde mich schwer tun, Einbußen finanzieller Art zu beziffern. Mir hätte es einfach Leid getan, wenn ich die Art und Weise, wie wir den Boden bearbeiten – im Prinzip nur einmal mit der Technik, den Rest macht der Boden selber mit Hilfe von Regenwürmern und Bodenorganismen – hätte aufgeben müssen. Das läuft jetzt seit 30 Jahren so und funktioniert eigentlich ganz gut. Insofern hätte ich es schade gefunden, aber wir sind flexibel.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und die Europäische Agentur für Verbraucherschutz (Efsa) sind der Auffassung, dass Glyphosat keine Gefahr darstellt, wenn es ordnungsgemäß angewandt wird. Die Internationale Behörde für Krebsforschung hingegen hat den Wirkstoff als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Was stimmt denn nun?
Wer kann es denn beurteilen, wenn nicht das BfR und die Efsa? Ich verlasse mich auf diese Aussagen, genau wie bei Arzneimitteln und anderen Umweltchemikalien. Wenn man sich Tabak und Alkohol ansieht, dann gilt: Die Menge und Dauer der Einnahme entscheiden, ob ein Stoff giftig ist. Auch Kochsalz oder Vanillin, was in der Küche ganz selbstverständliche Zutaten sind, können bei zu hoher Dosis giftig sein. Wenn Sie zu viel davon zu sich nehmen, dann werden Sie ein Problem bekommen. Und wenn Sie jeden Tag einen Liter Glyphosat trinken würden, dann würden Sie wohl auch ein Problem bekommen. Es gab in der Presse Berichte über Glyphosat in der Muttermilch oder auch im Bier. Aber so viele Liter kann niemand trinken, bis der Grenzwert erreicht ist. Interessant ist meiner Meinung nach in diesem Zusammenhang, dass diese Themen immer dann in der Presse Aufmerksamkeit erregten, wenn ein Abstimmungsgang bei der EU bevorstand. Da habe ich mich jedes Mal gefragt: Warum hat das eigentlich vorher keinen Menschen interessiert?

Sie sind unzufrieden mit der Berichterstattung?
Mich stört, dass sie relativ einseitig ist. Das Pflanzenschutzmittel wird in Misskredit gebracht, ohne dass sachlich hinterfragt wird, welche Rolle es überhaupt in der Landwirtschaft spielt und wie sinnvoll es ist, es einzusetzen. Oder ob es Alternativen gibt und ob die wirklich besser sind. Aber vor allem habe ich das Gefühl, hier wird ein Stellvertreterkrieg geführt, weil man sich nicht traut, große Probleme – im Klimaschutz zum Beispiel – anzugehen. Ich sehe all den Wirbel als Aktionismus, um die Themen, die mindestens genauso wichtig wären, nicht angehen zu müssen. Weil man vermutlich genau weiß, dass man dadurch bei einer breiten Wählerschaft auf Probleme stoßen würde.

Wie meinen Sie das?
Hören Sie irgendwo in der Presse auch nur einen Satz über das Thema Flugverkehr? Kein Mensch spricht ernsthaft darüber, was da Tag für Tag an Kerosin rausgepumpt oder sogar bei Notfällen über Ackerland und Wiesen abgelassen wird. Und warum? Weil natürlich jeder nach Mallorca oder zum Shoppen nach New York will. Nach dem Motto „Brot und Spiele“ wird in diesem Punkt der Ball ganz flach gehalten.

Was wird in der Debatte um Glyphosat nicht beachtet?
Wir haben in Deutschland ein klares System für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln. Dafür gibt es zuständige Behörden. Als Landwirt muss ich mich darauf verlassen können, dass ein Pflanzenschutzmittel von der Toxizität her passt, wenn es für den Markt zugelassen wird. Das ist eigentlich nichts anderes als bei einem Medikament. Wenn Sie zum Arzt gehen und ein Antibiotikum verordnet bekommen, dann müssen Sie sicher sein, dass dieses Medikament geprüft ist bezüglich der Wirksamkeit und der Toxizität. Und Sie müssen sich darauf verlassen, dass das Medikament Sie nicht nach der dritten Tablette umbringt. Als Endverbraucher muss man das Vertrauen haben können, dass die Behörden ihren Job gemacht haben.

Manfred Koppenhagen ist Landwirt in Baden-Württemberg

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