Gewalt von links - Zwischen Knast und Karriere

Nur bei den Rechten gehöre Gewalt zur politischen DNA, so oder ähnlich lauteten viele Statements aus der SPD angesichts der Proteste beim G20-Gipfel. Ein Blick in die Geschichte der Bundesrepublik zeigt: Gewalt zu rechtfertigen und auch anzuwenden, hat bei der Linken ebenfalls Tradition

Häuserkampf in Frankfurt 1973: Joschka Fischer und seine Putzgruppe waren dabei / picture alliance
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Gernot Fritz arbeitet als Rechtsanwalt. Früher war er Bundesbeamter, zuletzt bis 1999 Ministerialdirektor und stellvertretender Chef des Bundespräsidialamtes.

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Viele politische Beobachter eint ein kurzes Gedächtnis: in Hamburg habe sich bei den G-20-Krawallen eine „nie dagewesene Brutalität“ gezeigt. Tatsächlich? Auch bei der Einordnung hilft Verdrängung: Martin Schulz meint, links und Gewaltanwendung schließe sich gegenseitig aus. Und Ralf Stegner assistiert, dass anständige Linke „noch nie etwas mit Gewalttätern gemein“ gehabt hätten, weil nur bei den „Rechten Gewalt zur politischen DNA“ gehöre. Beide sind alt genug, um es besser zu wissen.

Chronik linker Gewalt

Als im März 1973 in Frankfurt ein besetztes Haus im Kettenhofweg geräumt werden sollte, wurde die Polizei durch linksautonome Demonstranten zurückgeschlagen. Im Polizeibericht konnte man damals lesen, es habe „ein nicht gekanntes Maß an Brutalität“ gegeben, und „die Wurfgeschosse waren von solcher Schwere und Größe, dass Lebensgefahr bestand.“ Fotos zeigen Joschka Fischer an vorderster Front, wie er auf einen am Boden liegenden Polizisten einprügelt. 48 Beamten wurden teilweise schwer verletzt. 

1976 – nach dem Tod Ulrike Meinhofs – wurden Polizeibeamte in Frankfurt von Linksextremisten mit Molotow-Cocktails angegriffen. Ein Polizist erlitt schwerste Verbrennungen und entkam nur knapp dem Tod – auf Täterseite wiederum Joschka Fischers kampferprobte Putzgruppe. Das Ermittlungsverfahren lief wegen versuchten Mordes. Zwischen Knast und Karriere war der Grat zuweilen schmal.

Als 1977 Generalbundesanwalt Sigfried Buback von Linksterroristen erschossen wurde, veröffentlichte die Göttinger Asta-Zeitung einen Artikel, der darüber „klammheimliche Freude“ ausdrückte. Es ist unklar, wie Jürgen Trittin an dem mit „Mescalero“ unterzeichneten Beitrag beteiligt war; selbst gegenüber Bubacks Sohn verweigerte er freilich eine Distanzierung. Sein Kommunistischer Bund Westdeutschland (KBW) sei eben „keine pazifistische Vereinigung“ gewesen; aber Terrorismus sei „einfach nicht das geeignete Mittel für unsere politischen Ziele“ gewesen. Argumentativ ein dünnes Eis.

Am 2. November 1987 erschoss ein Linksextremist in Frankfurt während der Krawalle um die Startbahn West zwei Polizisten und verletzte sieben weitere schwer. 

Verehrte Schlächter

Die radikale Linke – vom MSB über DKP bis SHB und KBW – übte damals nicht nur in deutschen Städten den Straßenkampf, sondern sah sich auch international an der Seite derer, die Befreiung proklamierten, vor allem aber Fertigkeiten bei der Liquidation ihrer Gegner entwickelten. Mao, Ho Chi Minh, Pol Pot – selbst Stalin wurde als Konterfei den Demonstrationen vorangetragen: kein Schlächter dieser Welt entging den Verehrungsgesten dieser Linken, ließ er sich nur als antikapitalistisch einordnen. Der Staatsterror in den kommunistischen Ländern fand seine Entsprechung in den kruden ideologischen Entwürfen und im Handeln seiner hiesigen Anhänger. 

Auch wenn die damaligen Akteure – zwischen Scham und Veteranenstolz schwankend – zwischenzeitig die Kommandoebene der Republik erobern konnten – sie fanden willige Nachahmer, die immer wieder in Berlin, Leipzig oder Hamburg Stadtviertel in Geiselhaft nahmen und Straßenzüge zerlegten. Erst vor zwei Jahren gab es bei den Krawallen um die EZB-Eröffnung mehr als 150 verletzte Polizisten, der Sachschaden belief sich auf einen zweistelligen Millionenbetrag. 

Geleitschutz für Gewalttaten

Wie in allen Fällen war das einigende Band der Akteure deren linksradikale Gesinnung. Und heute wie früher gibt es eine feinsinnige Arbeitsteilung, bei der die einen das ideologische Warm-Up organisieren, das den anderen Rechtfertigung und Geleitschutz für ihre Gewalttaten bietet. Die Linken-Vorsitzende Katja Kipping wusste schon vor Beginn des G-20-Gipfels zu beklagen, dass die Polizei ihre Hundertschaften durch Hamburg „marodieren“ lasse. Der Linken-Bundestagsabgeordnete Jan van Aken zeigt sich stolz auf das „breite Bündnis“ auf der von ihm angemeldeten Demonstration. Am 8. Juli sagte er im NDR, der schwarze Block sei ihm „willkommen“ und habe seine Demonstration auch mitorganisiert; „friedlich“ sei es geblieben; das Wort Gewalt – so schrieb er später auf seiner Website – komme ihm „nur ungern über die Lippen“. Freilich müsse man zwischen verachtenswerter Gewalt und gerechtfertigter unterscheiden, selbst „wenn das in gewissen – ethischen oder juristischen – Kategorien sicherlich auch Gewalt genannt werden kann.“

Argumentative Perversion

Ein Angriff auf den Rechtsstaat, der Anstifter, Helfer und Mittäter eint: Gewalt wird gerechtfertigt und auch angewandt, wenn sie den politischen Gegner oder das System trifft. Akens Partei hat –  trotz ihrer Umbenennungen – als Staatspartei zu viel Unterdrückung verantwortet, um ihr heute diese argumentative Perversion durchgehen zu lassen.

Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz kritisiert es zu Recht als unerträglich, wenn sich Abgeordnete bei denen unterhaken, die ganze Straßenzüge verwüstet haben. Man verantwortet politisch eben nicht nur sein eigenes Handeln, sondern auch die Wahl seiner Bündnispartner. Willy Brandt, Georg Leber, Helmut Schmidt – die Liste der Sozialdemokraten ist lang, die den Rechtsstaat auch gegen Extremisten von links verteidigt haben. Martin Schulz kann auf diese Tradition seiner Partei stolz sein. Aber wegdefinieren kann er das Gewaltproblem der radikalen Linken nicht. Bei diesem Thema ist die DNA von Rechten und Linken identisch.

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