„Fridays For Future“ - Die vermeintliche moralische und gesellschaftliche Überlegenheit

Die Protestbewegung „Fridays For Future“ wird vor allem von Jugendlichen und jungen Erwachsenen getragen. Der Politikstudent Clemens Traub wäre im richtigen Alter, um teilzunehmen. Aber ein paar Dinge stören ihn an seinen gleichaltrigen Mitbürgern

Bunt, bunter, Fridays For Future / picture alliance
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Autoreninfo

Clemens Traub ist Buchautor und Cicero-Volontär. Zuletzt erschien sein Buch „Future for Fridays?“ im Quadriga-Verlag.

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Junge Menschen interessieren sich nicht für Politik, sagen die einen. Die Politik interessiert sich nicht für die jungen Menschen und ihre Anliegen, sagen die anderen. Tatsache ist: Politik wird mehrheitlich von älteren Leuten gemacht und zunehmend auch für ältere Leute, denn die bilden den größten Anteil der Wähler. Mit unserer Serie „Junge Stimmen“ wollen wir darum auch jenen Gehör verschaffen, die schließlich auch unsere Zukunft sind.

Tausende jugendliche Demonstranten mit nichts bewaffnet außer Smartphones und selbstgebastelten Spruchschildern. „Das Klima ist aussichtsloser als unser Mathe-Abi“, „Kurzstreckenflüge nur für Insekten“, oder „Macht ihr eure Hausaufgaben, dann machen wir unsere“ steht auf ihnen. Eigentlich ja ganz lustig. Aber irgendwie haben alle diesen selbstironischen Twitter-Sound, der in meinen Ohren immer etwas nach Selbstbeweihräucherung des eigenen Individualismus klingt. Bilder hipper Demonstrationszüge in allen Nachrichten. Der trendige Berliner Designer hätte sich den Prototypen des modischen Demonstranten nicht besser vorstellen können. Bunt, bunter, Fridays for future. Und das beste: Das alles per Livestream auf Instagram, natürlich. Wenn ich mich schon einsetze, dann bitte, dass die ganze Welt es sieht. Revolution muss sich ja wenigstens lohnen.

Ehemalige Demonstrationsbewegungen haben sich mit größtem persönlichem Risiko gegen die herrschende Klasse aufgelehnt. Mutige Aussenseiter der Gesellschaft. Ganz anders bei „Fridays for future“. Es heißt so schön, die Revolution frisst ihre eigenen Kinder. Heute müsste es eher heißen: Die Revolution frisst ihre eigenen Eltern. „Parents for future“, „Designer for future“ oder Vegans for future“, natürlich auch alle längst auf der Straße im Kampf für die Umwelt. Persönliches Risiko der jungen Demonstrierenden? Vielleicht die midlife-crisis der eigenen Eltern. Wären sie in ihrer Jugendwehmut doch so gerne wieder die 19-jährige demonstrierende Tochter. Schildchenbasteln und Händchenhalten mit der jungen Liebe inklusive. Aus Hotel Mama wird Demonstration Mama. Aus einem Aufstand der Jugend, ein angepasstes Aufständchen.

Selbsternannte Öko-Avantgarde

Wer etwa Luisa Neubauer persönlich eine Frage stellen möchte, bekommt von ihr nur einen Verweis auf einen Pressetermin mit ihrem Management. Die 22-jährige Luisa Neubauer, Aushängeschild der deutschen „Fridays for future“-Bewegung, also eine mutige Kämpferin des Klimaschutzes? Die grüne Heinrich Böll-Stipendiantin kommt aus einem Hamburger Villenviertel. Außenseitertum sieht irgendwie anders aus. Sie scheint eher ehrgeiziger Medienprofi als idealisitsche Rebellin zu sein. Dennoch Revoluzzerin genannt werden? Gerne, wenn es denn den eigenen Lebenslauf aufhübscht. Denn ganz ehrlich: was heute der Feind, ist morgen der mögliche Arbeitgeber. Die Grüne-Bundestagsfraktion winkt bereits. So sieht also mutiger Aufstand in meiner Generation der Selbstvermarkter aus.

Sowohl Politiker als auch Medienvertreter überbieten sich zurzeit in grüner Symbolpolitik. Anstatt eines sachlichen Diskurses über eine kluge Umweltpolitik sind wir Zeugen eines rhetorischen Rüstungswettlaufs geworden. Aus Handelnden wurden Getriebene eines Trends. Sind wir nicht alle Fridays for future? Selbst Markus Söder tritt auf einmal auf wie ein Pressesprecher von Greenpeace. Intelligente Bedenken und kluge Zwischentöne finden kaum Gehör. Dass Klimapolitik auch Geldbeutelpolitik ist, spielt kaum eine Rolle. Diskussionen über Zukunftsentwürfe weichen medialen Heiligsprechungen und ausgerufenen Apokalypsen. Aus politischer Öffentlichkeit wurde „Deutschland sucht die Supermoral“. Aus jugendlichen, gut betuchten Schildchenbastlern, ein gigantisches Medienspektakel. Die Folge: ein immer größeres Unverständnis in weiten Teilen der Bevölkerung.

Viele der Demonstrierenden kommen aus einem linksliberal-bürgerlichen Elternhaus. Homogenität bis in die Auswahl der Bio-Limonade. Sich irgendwie als Sperrspitze des Fortschritts fühlen. Kompromisse geht man als Einzelkind und ganzer Stolz der Eltern nur ungern ein. Erst recht nicht in politischen Fragen. Denn wer möchte schon einen leidenden Eisbären sehen?  Der Second-Hand-Laden und der Bio-Supermarkt die Reliquien einer selbsternannten Öko-Avantgarde. Hier demonstriert nicht nur die Jugend für die Umwelt. Hier demonstriert ein großstädtisches Milieu ihre eigene moralische und gesellschaftliche Überlegenheit. Statt Klimakampf ist längst ein gefährlicher Konflikt zwischen verschiedenen Milieus entstanden. Weltbild steht Weltbild gegenüber. Brücken des gegenseitigen Verständnisses sind eingerissen.

Weder Wissenschaftsverachtung noch grüne Moralempörung

Dieselfahrer dürfen nicht abgestempelt werden als rücksichtslose Handlanger der Klimakrise. Wir brauchen mehr denn je Empathie und sachlicher Meinungsaustausch. Ein Großstädter muss auch den Mut aufbringen können, sich in die Lebenswelt eines „Provinzlers“ reinzudenken. Aus eigener Lebenserfahrung kann ich sagen: Im Pfälzer Wald gibt es noch keine U-Bahn, und auch der Schwarzwald ist nicht nur für die Schwarzwald-Klinik im ZDF erfunden worden.

Manche Politiker traten vorsichtig auf die Bremse und warnten vor französischen Verhältnissen. Vor einer elitären Klimapolitik, die nicht von der Mehrheit der Bürger unterstützt wird. Vor einer Klimapolitik die zu Lasten der Geringverdiener geht. Aus Rettung der Erde wurde in Frankreich ganz schnell die Spaltung der Gesellschaft. Deswegen: Klimapolitik muss sozial gerecht und vernünftig gedacht sein, sich an den Alltagsbedürfnissen der „Normalbürger“ orientieren. Einen neuen politischen Kompass jenseits von populistischer Wissenschaftsverachtung und grüner Moralempörung benötigt es dafür.

Lasst uns gemeinsam eine Antwort auf Macrons Umweltpolitik finden, die wirkliche Akzeptanz erfährt. Einfühlsam und durchdacht, statt abgehoben und symbolpolitisch. Wir brauchen die Rettung der Erde, keine Frage. Aber vor allem benötigen wir in dieser polarisierten Zeit wieder eines. Die Rettung des gesellschaftlichen Zusammenhalts! Und glaubt mir, die geht nur mit einem kühlen Kopf.

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