Frauke Petry - Taktischer Rückzug

Frauke Petry will nicht Spitzenkandidatin der AfD bei der Bundestagswahl werden. Sie konzentriert sich im Machtkampf in ihrer Partei zunächst auf die strategische Auseinandersetzung. Doch ihr Kalkül ist durchsichtig und wird scheitern

Droht Frauke Petry das gleiche Schicksal wie AfD-Gründer Bernd Lucke? / picture alliance
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Autoreninfo

Christoph Seils war Ressortleiter der „Berliner Republik“ bei Cicero bis Juni 2019. Im Januar 2011 ist im wjs-Verlag sein Buch Parteiendämmerung oder was kommt nach den Volksparteien erschienen.

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Es war in den vergangenen Tagen und Wochen nicht zu übersehen: Frauke Petry hat sich verrannt. Einerseits hatte die Parteivorsitzende dem Parteitag der AfD, der an diesem Wochenende in Köln tagt, einen „Zukunftsantrag“ vorgelegt. Mit diesem Antrag wollte sie den Machtkampf in der Partei personell, politisch und strategisch zu ihren Gunsten entscheiden. Dazu stellte sie den Fundamentalisten in ihrer Partei, zu denen sie auch ihren Co-Vorsitzenden Jörg Meuthen zählt, eine von ihr so genannte realpolitische Strategie entgegen. Andererseits plädierte sie weiterhin dafür, dass die Partei mit nur einem Spitzenkandidaten oder einer Spitzenkandidatin zur Wahl antritt, damit die Zerrissenheit der Partei im Wahlkampf nicht allzu deutlich wird. Sie hatte an dem Vorschlag festgehalten, auch wenn sich die Mitglieder in einer Befragung Anfang des Jahres dagegen und für ein Spitzenteam entschieden hatten. Und natürlich wollte Frauke Petry die alleinige Spitzenkandidatin werden.

AfD im desolaten Zustand

Es war in den vergangenen Tagen und Wochen zudem nicht zu übersehen, dass die  AfD in der Öffentlichkeit ein desolates Bild abgab: intrigant, zerstritten, politikunfähig. Jeder kämpft in der Partei für sich, gemeinsame politische Ziele gibt es kaum. Statt „Mut zur Wahrheit“ heißt das Motto nur noch: Lust auf Krawall. Demokratischer und offener als in den etablierten Parteien sollte es in der AfD zugehen, anders als die „Systemparteien“ wollte die AfD sein. Stattdessen wurden die Machtkämpfe in der aufstrebenden Partei mit größter Brutalität und ohne Rücksicht geführt.

Hartes Geschütz wurde dabei aufgefahren: Nicht der politische Gegner rückte den thüringischen Landesvorsitzenden Björn Höcke in die Nähe des Nationalsozialismus, sondern eine Mehrheit des Bundesvorstandes in der Begründung des Parteiausschlussverfahrens. Nicht der politische Gegner sprach von „Säuberungen wie unter Stalin“, sondern der AfD-Mitbegründer Konrad Adam. Nicht der politischer Gegner warf dem Europaabgeordneten Markus Pretzell vor, er sei eine „Hochstaplerfigur, ein unseriöser Mensch mit krankhaftem Drang zur Intrige und zum Schüren von Konflikten“, sondern ein ehemaliger Mitarbeiter. Und da Pretzell auch der Ehemann und engste politische Berater von Frauke Petry ist, traf auch diese Kritik die Parteivorsitzende frontal.

Persönlichkeiten statt Politik im Vordergrund

Es ging zuletzt nicht mehr um Politik in der AfD, sondern um persönliche Animositäten, nicht mehr um innerparteiliche Willensbildung, sondern um die gegenseitige politische Vernichtung. Kein Wunder, dass in Umfragen die Zustimmung für die AfD fiel und nur noch notorische Protestwähler bereit zu sein scheinen, die Partei zu wählen. Viele bürgerliche Wähler wenden sich mit Schrecken ab.

Selbst eine Spaltung der AfD schien auf dem Kölner Parteitag nicht mehr ausgeschlossen zu sein. Petry lief Gefahr in die selbe Falle zu tappen wie ihr Vorgänger Bernd Lucke. Der hatte die Partei vor zwei Jahren auf einem AfD-Parteitag in Essen vor die Alternative gestellt: ich und mein Programm oder meine Kritiker. Und nachdem Lucke die entscheidenden Abstimmungen verloren hatte, verließ er mit seinen Anhängern die Partei.

Raus aus der Lucke-Falle

Um dieser Lucke-Falle zu entgehen, erklärte Frauke Petry drei Tage vor Beginn des Parteitages nun überraschend ihren Verzicht auf eine Spitzenkandidatur bei der Bundestagswahl. Per Videobotschaft auf ihrer Facebook-Seite teilt sie den Mitgliedern ihrer Partei mit, sie stehe für eine Spitzenkandidatin nicht zur Verfügung, und zwar weder als alleinige Kandidatin noch als Teil eines Teams.

Offenbar hat Petry gerade noch rechtzeitig erkannt, dass sie wie Lucke nur verlieren kann, wenn sie persönliche und politische Ambitionen miteinander verknüpft. Also konzentriert sie sich vorerst auf die politische Auseinandersetzung. Sie gibt sich demütig, benennt Fehler, räumt ein, einige Formulierungen in ihrem „Zukunftsantrag“ hätten die Mitglieder „verschreckt“. Dennoch drängt sie den Parteitag zu einer Richtungsentscheidung. Zwischen ihrer Strategie, die sie für „realpolitisch“ hält und der Strategie von Jörg Meuthen, Alexander Gauland und Co., die sie „fundamentalistisch“ nennt.

Es ist ein taktischer Rückzug, den Frauke Petry an diesem Mittwoch verkündet hat. Setzt sie sich in Köln durch, wäre sie vorerst die alleinige starke Frau in der AfD und ihr könnte es völlig egal sein, aus wem das Spitzenkandidatenteam unter ihr besteht. Verliert sie, so könnte darüber hinaus ihr Kalkül sein, Gesicht wahrend Parteivorsitzende zu bleiben und auf eine neue Chance zu warten. In den Bundestag wird über die sächsische Landesliste, auf der sie auf Platz eins steht, in jedem Fall in den Bundestag einziehen.

Kann das Kalkül aufgehen?

Fraglich ist jedoch, ob dieses Kalkül aufgehen kann. Denn einerseits ist auch Petrys sogenannte realpolitische Strategie nur eine fundamentalistische. Sie verfolgt dabei aus vermutlich taktischen Gründen nur einen anderen Ansatz. Gauland etwa will nicht, dass die AfD auf absehbare Zeit Juniorpartner einer Mitte-rechts-Regierung wird. Petry will, um Deutschland zu retten, so schnell wie möglich als Seniorpartner in einer Koalition regieren und fordert ihre Partei deshalb auf, sich auf eine Regierungsübernahme in den kommenden vier Jahren vorzubereiten. Doch von solchen Wahlergebnissen ist die Partei meilenweit entfernt, ihr Wählerpotenzial beträgt maximal etwa 15 Prozent. Zur Realitätsverweigerung gesellt sich bei Frauke Petry also Größenwahn.

Andererseits haben ihre politischen Gegner in vielen Landesverbänden Schlüsselpositionen besetzt. Vor allem viele Anhänger nationalistischer Positionen dominieren so die öffentliche Wahrnehmung der Partei, allen voran Björn Höcke. Vor zwei Jahren hatte sich Petry noch mit Höcke und Co. verbündet, um Bernd Lucke aus dem Feld zu schlagen. Jetzt wird sie – taktischer Rückzug hin oder her – die Geister, die sie damals rief, nicht wieder los. Egal, ob sich Petry am Wochenende auf dem Parteitag in Köln durchsetzt oder nicht, das desolate Bild der AfD wird sich nicht so schnell ändern. 

 

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