Frauenquote in der CDU - Erfolg hat nichts mit dem Geschlecht zu tun

Mit der Frauenquote stellt die CDU das Geschlecht vor die Kompetenz und nimmt in Kauf, Männer bei gleicher Qualifikation zu benachteiligen. Damit verstößt die Partei gegen das Gleichstellungsgesetz, in dessen Sinne sie eigentlich handeln will.

Typisch männlich? Musiker der Alphorngruppe Euregio auf dem Fellhorn bei Oberstdorf / picture alliance
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Autoreninfo

Judith Sevinç Basad ist Journalistin und lebt in Berlin. Sie studierte Philosophie und Germanistik und volontierte im Feuilleton der NZZ. Als freie Autorin schrieb sie u.a. für FAZ, NZZ und Welt. Sie bloggt mit dem Autoren-Kollektiv „Salonkolumnisten“. 

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Nach langem hin und her hat die CDU-Spitze nun die Quote beschlossen. Zukünftig sollen Ämter und Mandate in der Partei zu 50 Prozent mit Frauen besetzt werden. Der ARD erzählte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer dann, dass sie selbst eine Quotenfrau sei, die es ohne die Regelung nicht an die Spitze geschafft hätte. AKK macht sich hier nicht nur kleiner als sie ist, sondern drückt auch der Hälfte der deutschen Bevölkerung einen Opferstempel auf. Motto: Ich hätte es ohne die Quote nie geschafft, also schafft ihr es auch nicht. Was soll das für ein Feminismus sein?

Ähnlich krude kommt auch das Argument der „gesellschaftlichen Abbildung“ daher. Man könne keine Politik für die weibliche Hälfte der Bevölkerung machen, heißt es häufig, wenn Frauen nicht auch zur Hälfte in der Partei vertreten wären. Hier geht man davon aus, dass Frauen anders Politik machen, anders argumentieren und andere Themen setzen – nur weil sie Frauen sind. Häufig ist dann von „Frauenthemen“ die Rede, die bei den CDU-Männern unter den Tisch fallen würden. Aber was für „weibliche“ Themen sollen das sein? Umweltpolitik? Sozialpolitik? Hausfrauenpolitik? Diskussionen über eine Tamponsteuer?

Schubladendenken bei der CDU

Ich dachte immer, dass wir in einer progressiven Gesellschaft leben, in der auch Männer die Care-Arbeit übernehmen und sich typisch weiblich verhalten können. Anscheinend nicht in der CDU – ohne Schubladen scheint die Partei auch im Jahr 2020 nicht auszukommen.

Aber wieso sind Frauen nur zu 26 Prozent in der Partei vertreten? Das kann nur am Sexismus liegen, heißt es von den Quoten-Befürwortern. Gerne stellt man sich dann eine Riege von missgünstigen Macho-Chefs vor, die ein derart massives Problem mit dem weiblichen Geschlecht haben, dass sie selbst der kompetentesten Frau den Weg nach oben versperren. Das ist einfach weltfremd.

Keiner kann sich Frauenhass mehr leisten

Denn wir leben im Hochkapitalismus und nicht in den 50er-Jahre-Szenarien aus „Mad Man“. In der Arbeitswelt geht es um Effizienz, Leistung und Kompetenz. Richtigen Frauenhass kann sich keine ernstzunehmende Institution, kein Vorstand, kein Unternehmen und auch keine Partei mehr leisten.

Ganz im Gegenteil: In einer Welt, in der Frauen aus Vorständen gefeuert werden, wenn sie sich nicht klar genug gegen Rassismus positionieren und Konzerne hohe Summen ins Diversity Management stecken, klingt das Argument der Diskriminierung am Arbeitsplatz wie eine langweilige Anekdote. Häufig wird dann auch von „patriarchalen Strukturen“ geredet: Es wären Kleinigkeiten wie das generische Maskulinum oder sexistische Klischees in der Popkultur, die Frauen seit Jahrhunderten unterbewusst an den Herd fesseln würden.

Die Struktur ist der unbesiegbare Endgegner

Die Struktur ist bei jeder Quoten-Debatte das Totschlagargument. Sie ist wie der Endgegner in einem Computerspiel, der sich nicht besiegen lässt – außer durch harte Maßnahmen von oben, wie Sprachregelungen, bundesweite Gleichstellungsmaßnahmen oder die 50-Prozent-Quote. Aber auch das ist Nonsens. Denn Frauen sind keine fremdgesteuerten Wesen, sondern selbstständige Individuen.

Es gibt unzählige Studien, die belegen, dass sich Frauen freiwillig gegen die Karriere und für die Familie oder für Berufe entscheiden, die eher im sozialen oder kulturellen Bereich liegen. Auch stehen Frauen – im Schnitt – eher auf linke als auf konservative Themen und weniger auf Wirtschaft, Technik und Politik. Selbst in einem Land wie Schweden, das wie kein anderer Staat auf der Welt Gleichstellungspolitik betreibt, gehen die Interessen zwischen den Geschlechtern immer auf die gleiche Art und Weise auseinander: Frauen eher im linken, sozialen Bereich – Männer eher im konservativen, technischen Bereich.

Typische Interessen von Frauen geben den Ausschlag

Muss deswegen jede Frau so sein? Natürlich nicht. Denn von einer Tendenz auf das Individuum zu schließen, wäre in der Tat sexistisch. Dennoch lässt sich der geringe Frauenanteil in der CDU eher mit den typischen Interessen der Frauen erklären als mit dem Mythos einer flächendeckenden Männerherrschaft.

Wenn es überhaupt jemanden gibt, der einen strukturellen Sexismus zu verantworten hat, dann ist es die CDU selbst. Denn wenn die Partei die Hälfte ihrer Ämter und Mandate mit Frauen besetzen will, obwohl sie nur zu knapp einem Drittel vertreten sind, dann gestehen sich die Konservativen eines ein: Dass sie das Geschlecht vor die Kompetenz stellen und es in Kauf nehmen, Männer bei gleicher Qualifikation zu benachteiligen. Es ist paradox: Denn hier würde die Partei gegen das Gleichstellungsgesetz verstoßen, in dessen Sinne sie eigentlich handeln will.

Gütesiegel 50 Prozent

Erstaunlich ist auch das naive Glücksversprechen, das die CDU hinter der Quote vermutet: Als ob sich die gerechtere Gesellschaft automatisch einstellen würde, sobald der 50-Prozent-Frauenanteil erreicht ist. Machen wir uns nichts vor: Das wird nicht passieren. Vielmehr drängt sich der Verdacht auf, dass die ersehnten 50 Prozent nichts mit Logik zu tun haben, sondern eher einem moralischen Gütesiegel, einem Garant für die hauseigene Toleranz und Aufgeschlossenheit, entsprechen. Motto: „Schaut mal her – wir haben auch FRAUEN hier, wir sind gar nicht so borniert und sexistisch, wie ihr alle denkt“

Dabei sollte gerade die CDU wissen, wie Emanzipation funktioniert. Denn die Konservativen haben die größte Feministin ja in den eigenen Reihen: Angela Merkel. Als Zögling von Helmut Kohl musste sich die Physikerin von dem Pfälzer jahrelang schikanieren und demütigen lassen. „Jetzt wird das Mädchen erst mal halbwegs mit dem Ernst des Lebens konfrontiert“, spottete Kohl etwa, als Merkel 1994 den CDU-Landesvorsitz in Mecklenburg-Vorpommern antrat.

Merkel hat allen gezeigt, wie es geht

Merkels Reaktion: Sie fiel Kohl einige Jahre später in den Rücken, indem sie die Konservativen in einem offenen Brief aufforderte, sich von ihrem einstigen Mentor zu distanzieren. Mit Erfolg. Kohl wurde abgesägt und Angela Merkel die neue Vorsitzende. Auch die darauffolgenden Attacken ihrer männlichen Widersacher wehrte Merkel souverän ab. Heute reicht ein Stirnrunzeln der Kanzlerin, um AfD-Abgeordnete zum Schweigen zu bringen und Donald Trump wie einen Idioten dastehen zu lassen. Kurz: Die Physikerin hat bewiesen, dass Erfolg nichts mit dem Geschlecht zu tun hat, sondern mit dem eigenen Selbstvertrauen.

Begriffe wie „Parität“ oder „gesellschaftliche Teilhabe“, die in der Diskussion immer wieder auftauchen, sind eher ein Zeichen dafür, dass sich unsere Gesellschaft auf dem Weg in die Unfreiheit befindet. Die Grünen stellten etwa vor Kurzem die Ergebnisse aus ihrer Arbeitsgruppe „Vielfalt“ vor. Darin wird gefordert, dass „alle diskriminierten Gruppen mindestens gemäß ihres gesellschaftlichen Anteils auf allen Ebenen der Partei“ repräsentiert sein sollen. Mit so einer Forderung diskreditiert man nicht nur alle Frauen, Migranten und sexuelle Minderheiten zu wehrlosen Opfern der Gesellschaft. Vielmehr wird hier die Demokratie zerstört.

Auf dem Weg in die Unfreiheit

Denn wenn die Vertreter im Parlament nicht mehr wegen ihrer Inhalte oder Kompetenz, sondern wegen ihrer biologischen Merkmale befördert werden, dann sind wir nicht mehr weit entfernt von den Horrorszenarien, die man von Orwell und Huxley kennt. Progressiv ist das sicher nicht.

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