Kampf gegen Rechts - Der Feind meines Feindes ist dein Freund

Hunderte Millionen Euro steckt die Bundesregierung in zivilgesellschaftliche Demokratie-Projekte. Doch deren Programmatik ist politisch einseitig und nicht immer demokratisch. Das hat nun endlich auch die Union erkannt und geht auf Kollisionskurs zur SPD.

Demo der Interventionistischen Linken in Berlin / dpa
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Daniel Gräber leitet das Ressort Kapital bei Cicero.

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Mit dem „Kampf gegen Rechts“ lässt sich in Deutschland gutes Geld verdienen. Das vom Bundesfamilienministerium betreute Förderprogramm „Demokratie leben“ stellt allein dieses Jahr 150 Millionen Euro zur Verfügung. Offiziell geht es um Vielfalt und gegen jede Form von Extremismus. Doch tatsächlich finanziert werden hauptsächlich Projekte, die eine linke bis linksradikale Agenda verfolgen. So hat sich unter der Flagge des bürgerschaftlichen Engagements eine quasi-staatliche Agitationsindustrie etabliert, die selbst vor Allianzen mit der gewaltbereiten Antifa-Szene nicht zurückschreckt. In der CDU/CSU grollt es deshalb schon länger. Doch aus Rücksicht auf den Koalitionspartner SPD hielt sich die Union lange bedeckt. Diese Woche ist der Streit offen ausgebrochen. 

Anlass ist das geplante „Gesetz zur Stärkung und Förderung der wehrhaften Demokratie“. Familienministerin Franziska Giffey (SPD) will mit diesem Gesetz der in den vergangenen Jahren dank üppiger Finanzmittel wild wuchernden Projektindustrie das dauerhafte Überleben sichern. Anti-Rassismus-Initiativen und ähnliche Vereine sollen sich nicht mehr nur von einer befristeten Förderung zur nächsten hangeln müssen, sondern dauerhafte Strukturen bilden können.

Die Wiederkehr der Extremismusklausel

In der Bundestagsfraktion der Union gibt es große Zweifel, ob dies wirklich notwendig ist. Das gut ausgestattete Bundesprogramm „Demokratie leben“ laufe schließlich noch bis 2024, betont man dort. „Wir hatten deshalb auch stets bekräftigt, dass es sehr auf die konkrete Ausgestaltung des Gesetzgebungsvorhabens ankommen würde“, schreiben die beiden stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Nadine Schön und Thorsten Frei an Familienministerin Giffey. In dem Brief, der Cicero vorliegt, lehnen sie deren koalitionsintern vorgelegte Eckpunkte für einen Gesetzentwurf ab.

Franziska Giffey reagiert empört. „Ich finde das enttäuschend“, sagt die SPD-Politikerin. „Die Leidtragenden sind die vielen Engagierten in ganz Deutschland, die sich Tag für Tag für unsere Demokratie und gegen jede Form von Extremismus einsetzen. Ich bin fest davon überzeugt, dass es wichtig ist, diese Strukturen nachhaltig zu sichern, damit diese wichtige Arbeit weitergehen kann.“ Sie fordere die Unionsfraktion auf, „ihre Blockadehaltung aufzugeben und erwarte, dass die Eckpunkte in der nächsten Kabinettssitzung behandelt werden.“ Doch auf einen zentralen Punkt, der für die Unionsfraktion entscheidend ist, geht Giffey gar nicht erst ein: die Wiedereinführung der sogenannten Extremismusklausel. 

Kein Geld für die Feinde der Demokratie

Erfunden und durchgesetzt hat diese Klausel die damalige Familienministerin Kristina Schröder (CDU) im Jahr 2011. Die Demokratiefördertöpfe des Bundes waren damals noch lange nicht so gut gefüllt wie heute. Aber weil Schröder bei manchen derjenigen, die sich daraus bedienen wollten, kein gutes Gefühl hatte, verlangte sie: Wer Geld will, muss zuvor ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung unterschreiben. So wollte sie verhindern, dass Linksextremisten aber auch Islamisten oder Rechtsradikale staatliche Unterstützung im Kampf gegen ihre jeweiligen politischen Gegner erhalten.

An sich war das eine gute Idee. Denn die Regierung kann nicht die einen Feinde der Demokratie aufrüsten, um die anderen zu bekämpfen. Sonst endet das Ganze im staatlich finanzierten Bürgerkrieg. Doch der Widerstand gegen Schröders Extremismusklausel war enorm. Die „Zivilgesellschaft“ beschwerte sich bitterlich, sah sich unter Generalverdacht gestellt und zog sogar vor Gericht. Parlamentarische Unterstützung kam von SPD, Grünen und Linkspartei. Auch in den meisten Medien wurde der Streit um die Extremismusklausel sehr einseitig dargestellt. 

Begleitschreiben zum Gesetz

Kaum hatte die Sozialdemokratin Manuela Schwesig das Amt übernommen, wurde die Bekenntniserklärung 2014 abgeschafft. Dass CDU-Innenminister Thomas de Maizière Schwesigs Plan damals zugestimmt hat, wird innerhalb der Union bis heute als Fehler bezeichnet.

Die beiden Ministerien einigten sich damals darauf, die Treue zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung in einem Begleitschreiben zum Zuwendungsbescheid zu verlangen. Es hieß, so könnte bei nachträglich festgestellten Verstößen – etwa wenn Fördermittel an Gruppen fließen, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden – das Geld zurückgefordert werden. Doch auch wenn dies funktionieren sollt: Das politische Signal war verheerend. Zumal diejenigen Initiativen, die am lautesten gegen die vorab zu unterzeichnende Erklärung protestiert hatten, auch diejenigen waren, die die geringsten Berührungsängste mit Linksextremisten haben – bis hin zu personellen Überschneidungen.

Bekenntnis zu Freiheit und Demokratie

Diesen Fehler will die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag nun wieder gut machen und pocht darauf, dass im künftigen Demokratiefördergesetz „ein gesondertes und in schriftlicher Form erfolgendes Bekenntnis der Zuwendungsempfänger zu den Grundsätzen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland“ verlangt wird. In Giffeys Eckpunkte-Papier steht zwar bereits etwas ähnlich klingendes, aber der Teufel steckt im Detail. 

In den Eckpunkten steht, Antragsteller müssten „anlässlich der Beantragung einer Förderung bestätigen, die Mittel ausschließlich für den Zielen des Grundgesetzes förderliche Aktivitäten und die Bewahrung und Stärkung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu verwenden.“ Der Unterschied zur Unionsforderung wirkt haarspalterisch, ist aber in der Praxis sehr bedeutsam. Denn in Giffeys Vorschlag geht es nur um die Verwendung der Fördermittel. Der Zuwendungsempfänger selbst, etwa ein örtlicher Antirassismus-Verein, muss sich nicht zu Freiheit und Demokratie bekennen. 

Extremisten fördern Nicht-Extremisten

Das hätte zur Folge, dass extremistische Gruppierungen staatliche Fördermittel bekommen können, so lange sie damit Projekte finanzieren, die zumindest vordergründig nicht-extremistisch sind. Beispiele dafür gibt es immer wieder. Eines davon spielt in Giffeys Berliner Heimatbezirk.

Das „Bündnis Neukölln“, ein loser Zusammenschluss linker bis linksradikaler Organisationen, das sich den Kampf gegen Rassismus und Rechtsextremismus auf die Fahnen geschrieben hat, wurde aus Mitteln des Bundesprogramms „Demokratie leben“ gefördert. Bis dem für die Vor-Ort-Verteilung der Fördergelder zuständige CDU-Stadtrat Falko Liecke 2018 auffiel, dass in diesem Bündnis die vom Verfassungsschutz beobachtete „Interventionistische Linke“ (IL) mitmischt.

Liecke forderte daraufhin die übrigen Bündnismitglieder auf, sich von der IL zu distanzieren. Er bekam heftigen Gegenwind, auch von der Neuköllner SPD. „Uns eint der Kampf gegen Rassismus. Und die IL hält sich an die Regeln des Bündnisses“, erklärten Sozialdemokraten und unterzeichneten ein Protestschreiben. Die Vorsitzende des SPD-Kreisverbands war die damalige Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey.
 

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