Franziska Giffey - Die eigene Staatsräson als Gesetz

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) wirbt für ein Gesetz, das die Demokratie fördern soll. Das ist ein Widerspruch in sich. Seit wann ist es Aufgabe der Regierung, das Volk pädagogisch zu begleiten? Auch die Auswahl der geförderten Initiativen ist fragwürdig.

Franziska Giffey will Demokratie fördern / picture alliance
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Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Intellektueller Schindluder verrät sich durch seine Sprache. Das gilt insbesondere in der Politik, wo Machtstreben „Verantwortung übernehmen“ heißt und Konkurrenten „Mitbewerber“. Die ungekrönte Königin systematischer Sprachverhunzung ist Bundesfamilienministerin Franziska Giffey.

Schon das „Gute-Kita-Gesetz“ war in seiner Mischung aus fröhlichem Propagandasprech und treuherzigem Sozialhelfersound ein echtes Gesellenstück in Politsprache. Wer nun dachte, mehr sei eigentlich in einer Demokratie schwer möglich, hat nicht mit der Kreativität im Hause Giffey gerechnet – und wurde am vergangenen Mittwoch eines Besseren belehrt.

Falsch gedacht

Da verkündete die diplomierte Verwaltungswirtin (FH) nämlich die baldige Vorlage des schon im November angedachten „Demokratiefördergesetzes“. Man muss sich diesen Begriff tatsächlich auf der Zunge zergehen lassen: Demokratie-förder-gesetz. In einer Demokratie, so dachte man bisher, wählt und kontrolliert das Volk die Regierung. Falsch gedacht.

Zumindest in der Gedankenwelt der Franziska Giffey ist es eher so, dass der Regierung die Aufgabe zukommt, das Volk pädagogisch zu begleiten. Man muss Frau Giffey dankbar sein, dass endlich einmal klar gestellt zu haben. 

Technokratie vs. Volkssouverän

Schon der Gedanke, Demokratie qua Gesetz zu fördern, ist von beachtlicher Nonchalance. Im Grunde setzt er voraus, dass der eigentliche Souverän, das Volk, die Demokratie aus eigenen Stücken nicht richtig hinbekommt. Oder zumindest nicht so, wie gewünscht.

Also muss man die Demokratie von oben fördern. Doch eine obrigkeitsstaatliche geförderte Demokratie ist im Grunde eine Technokratie, also die Herrschaft einer Funktionselite, die sich als Demokratie tarnt. Frau Giffey wird das natürlich anders sehen – und viele andere Menschen ebenso. Das Problem liegt unter anderem in der Parteiendemokratie selbst.

Parteipolitische Schlagseite

Nur Übermenschen könnten vermutlich der Versuchung widerstehen, die eigene parteipolitische Weltanschauung zur Staatsräson zu erheben. Diese menschliche Schwäche darf jedoch nicht dazu führen, die weltanschauliche Vereinnahmung des Staates achselzuckend hinzunehmen. Der demokratische Staat als Staat hat lediglich sich selbst zu wollen und darüber hinaus den Rahmen dafür zu liefern, dass eine weltanschaulich motivierte Regierung seine Institutionen auf Zeit nutzt.

Problematisch wird es, wenn Parteisoldaten irgendeiner Couleur meinen, die eigentliche raison d'être des Staates sei das jeweilige Parteiprogramm. Doch der demokratische Staat ist weder christdemokratischer Staat noch sozialdemokratischer Staat oder linksalternativer Staat. Schaut man sich jedoch die Liste derjenigen Projekte an, die von dem Bundesfamilienministerium gefördert und durch das von Giffey angestrebte „Demokratiefördergesetzes“ entfristet werden sollen, sieht man – neben manch Sinnvollem und Unspektakulärem – umgehend die parteipolitische Schlagseite.

Strategisches Kernversagen

Es sind eben zu einem erheblichen Teil linke Projekte, die da gefördert werden. Wer die vergangenen Jahrzehnte nicht in einer Einsiedelei verbracht hat, den kann das kaum überraschen. Tatsächlich ist es der politischen Linken seit den 90er Jahren sukzessive gelungen, sich als eigentlicher Hüter von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit aufzuschwingen. Mehr noch: Durch die Einführung des suggestiven Begriffs der „Zivilgesellschaft“ hat man es geschafft, sich als einziger Wahrer eines zivilen zwischenmenschlichen Miteinanders zu positionieren.

Die Linke, so der Subtext, ist nicht nur die einzig wahre Verteidigerin der Demokratie, sondern einer humanen Gesellschaft schlechthin. Dass dieser Unfug sich auch institutionell festsetzen konnte, ist – daran muss man in diesen Wochen erinnern – ein strategisches Kernversagen von CDU und FDP. Dass Horst Seehofer sich durchaus offen für Giffeys Initiative zeigt, muss daher für die Union ein Alarmzeichen sein. Noch hat sie die Möglichkeit, zumindest Schadensbegrenzung zu betreiben.

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