Fragestunde im Bundestag - „Merkel-Grillen“ ohne Feuer

Geplant war die erste Fragestunde einer Kanzlerin im Bundestag als Kreuzverhör. Stattdessen entpuppte sich die Veranstaltung als geschäftsmäßiges Abarbeiten von Fragen, genau wie Angela Merkel es liebt. Schuld daran war vor allem die SPD

Kanzlerin Angela Merkel konnte bei der Fragestunde im Bundestag ruhig und gelassen bleiben / picture alliance
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Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Es war eine Premiere: Zum ersten Mal musste ein Regierungschef – in diesem Fall eine Kanzlerin – dem Bundestag direkt Rede und Antwort stehen. Aber sie verlief anders, als die sozialdemokratischen Regisseure sich das erhofft hatten. Als Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble den Tagesordnungspunkt „Regierungsbefragung“ nach 32 Fragen und 65 Minuten beendete, meinte Angela Merkel mit der ihr eigenen Süffisanz: „So schade wie es ist, es ist halt zu Ende. Ich komm' ja wieder." 

Fragen bringen Merkel nicht aus der Ruhe

Geplant war das natürlich ganz anders. Als die Sozialdemokraten nach der für sie verheerenden Bundestagswahl geglaubt hatten, nicht mehr regieren zu müssen, plädierten sie für regelmäßige Befragungen der Kanzlerin nach dem Vorbild der sehr hitzigen wöchentlichen Fragestunden im britischen Unterhaus. Weil sie von diesem Vorhaben nicht mehr abrücken konnte, handelt die SPD der CDU/CSU im Koalitionsvertrag drei Mal „Merkel-Grillen“ pro Jahr ab. Nur: Wer geglaubt oder gehofft hatte, Merkel im Plenum stellen oder gar bloßstellen zu können, der sah sich getäuscht. Die Kanzlerin tat, was sie perfektioniert hat: Sie beantwortete alle Fragen ruhig, gelassen und mit der für sie charakteristischen Portion Unverbindlichkeit. 

Carsten Schneider, der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, hatte vor der Sitzung vom „Doomsday“ gesprochen, dem „Tag des Jüngsten Gerichts“ oder „Tag der Rache“. Doch ließ das Format der Fragestunde kein Richten und kein Rächen zu. Frage und Antwort durfte jeweils nicht länger als eine Minute dauern. Nach 30 Sekunden blinken im Plenarsaal gelbe Lampen, nach 60 Sekunden rote. Nachfragen waren nicht erlaubt. Damit war die Möglichkeit, die Kanzlerin mit Nachfragen in Bedrängnis zu bringen von vornherein verbaut. Schließlich kamen alle Fraktionen in der nach der Geschäftsordnung vereinbarten Reihenfolge zu Wort: AfD, SPD, FDP, CDU/CSU, Linke und Grüne. Die „Kleinen“ hatten also genauso viel Redezeit wie die „Großen“. Aber weil nie zwei Redner derselben Partei hintereinander ans Mikrofon durften, war ein direktes Nachfassen nicht möglich. 

SPD verzichtet auf Angriffe

Zuerst hatte Merkel einen kurzen Ausblick auf den bevorstehenden G7-Gipfel gegeben, danach gab es zwei Fragerunden zu diesem Thema. Anschließend konnte jeder fragen, was er wollte: Putin, Trump, Diesel, Bamf, Mieten und Plastiksteuer. Der FDP ging es vor allem um Europa, den Grünen um die Umwelt, der Linken um Soziales und der AfD um die Flüchtlingspolitik. Wobei die Rechtsaußen sich an diesem Tag mit einer Ausnahme einer zivilen Ausdrucksweise bedienten. Ihre schärfste Attacke gipfelte in der Frage: „Wann treten Sie endlich zurück?“ Was die Kanzlerin auf die zu erwartende Weise beantwortete – nämlich gar nicht. 

Die Fraktionen von CDU/CSU und SPD beschränkten sich darauf, Rednern aus der zweiten und dritten Reihe eine Plattform zu bieten. Aus der SPD-Fraktion wurde jedenfalls nicht scharf geschossen; schließlich muss demnächst auch Vizekanzler Olaf Scholz an die Frage-Front. 

Lebhafte Werbesendung

Eines hat der SPD-Vorstoß zur Reform der Regierungsbefragung bewirkt: Diese war interessanter als die bisher üblichen, als die Regierungen meistens nur Staatssekretäre schickten. Dementsprechend war auch das Plenum außergewöhnlich gut gefüllt. Künftig soll sich auch jeder Bundesminister einmal im Jahr diesem Frageritual stellen. Fest vereinbart zwischen den Fraktionen ist das noch nicht.  

Was von manchem als Kreuzverhör gedacht war, entpuppte sich eher als geschäftsmäßiges Abarbeiten von Fragen. Genau genommen hat die SPD mit ihrer Initiative der Kanzlerin eine zusätzliche Bühne geboten, ihre Politik zu erklären und für ihre Ziele zu werben. Deshalb hätte die CDU/CSU allen Grund, den Kollegen von der SPD ein paar Flaschen Champagner zu schicken – als Dankeschön für eine kostenlose Werbesendung.

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