Felix Schwenke, Bürgermeister von Offenbach - Gute-Laune-Genosse

Der Offenbacher Oberbürgermeister Felix Schwenke ist jung und pragmatisch. Seit einem Jahr ist er im Amt – und gilt in der SPD bereits als Nachwuchshoffnung

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„Die Menschen wählen niemanden, dem sie anmerken, dass er keinen Spaß an seiner Aufgabe hat“, sagt Felix Schwenke / Angelika Zinzow
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Yves Bellinghausen ist freier Journalist, lebt und arbeitet in Berlin und schreibt für den Cicero.

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Felix Schwenke muss sich sputen. Er kommt gerade vom 70. Geburtstag seines Vaters und ist extra früher gegangen, um am Stadtrand von Offenbach noch das Konzert eines lokalen Musikvereins zu besuchen. Es ist Sonntag, es nieselt, und der Oberbürgermeister hat seinen Regenschirm daheim liegen lassen, „aber man muss sich ja in der Stadt blicken lassen“. Seit Anfang 2018 ist der Sozialdemokrat Oberbürgermeister von Offenbach. Zuvor hat er die Wahl im September 2017 mit 43 Prozent im ersten Wahlgang und 67 Prozent in der Stichwahl gewonnen. Am selben Tag bekam die SPD im Wahlkreis Offenbach bei der Bundestagswahl nur 21 Prozent der Zweitstimmen.

Ständig muss sich Schwenke für seine Partei und ihr Spitzenpersonal rechtfertigen, auch eben wieder auf dem Geburtstag seines Vaters. „Ich kann schon verstehen, wenn die Leute das Gefühl haben, in der SPD hätten manche keine Lust auf ihren Job“, sagt er. Da ist der säuerliche Blick von SPD-Vize Stegner, da sind die ermüdenden Auftritte von Parteichefin Nahles. „Die Menschen wählen doch niemanden, dem sie anmerken, dass er keinen Spaß an seiner Aufgabe hat.“ Inhaltlich mache seine SPD vieles richtig, nur an der Form hapere es. „Ich glaube, woran es in der SPD fehlt, ist gute Laune.“

Wirtschaftsförderung mit persönlichem Einsatz

Schwenke fehlt die gute Laune nicht. Sein Gesicht ist kantig, seine Haare sind akkurat gescheitelt. Wenn er lacht, presst er die Augen so fest zusammen, dass sie sich in tiefe Falten legen. Auf dem Weg zu dem Konzert trinkt er schnell noch einen Espresso. „Ciao, buongiorno“, begrüßt er die Inhaberin des Cafés, und während er mit ihr redet, blinzelt er fahrig zu den anderen Tischen hinüber. „Ah, warten Sie, den kenne ich“, sagt er und springt auf. Händeschütteln hier, Küsschen dort. „Na, wie geht’s der Frau?“ „Haste das Spiel von den Kickers gesehen?“ „Irre, oder?“

Natürlich ist es in der Lokalpolitik leichter, mit den Wählern im Gespräch zu bleiben, als für Bundespolitiker. Aber Schwenke betont auch: „Ich setze hier in Offenbach andere Themenschwerpunkte.“ Vor allem in der Wirtschaftsförderung. Die hessische Stadt, die am Main im Schatten der Bankenmetropole Frankfurt liegt, ist hoch verschuldet und braucht dringend Unternehmen, die sich dort ansiedeln und Gewerbesteuer zahlen. Also fährt Schwenke höchstpersönlich auf Messen, zum Beispiel in Cannes oder München, um das lokale Gewerbegebiet zu bewerben. Lächeln, Händeschütteln, Visitenkarten austauschen. Als Kritik daran fällt der örtlichen CDU lediglich die Bemerkung ein, der Oberbürgermeister sei „überambitioniert“.

Erst 39 Jahre ist Schwenke alt. Mit 16 Jahren ist er in die SPD eingetreten, er war örtlicher Juso-Vorsitzender und saß mehr als zehn Jahre in der Stadtverordnetenversammlung. Er ist promovierter Politikwissenschaftler und hat als Lehrer an einem Offenbacher Gymnasium sowie als Berater für Ernst & Young gearbeitet. Als Oberbürgermeister hat er sein Büro im ersten Stock eines grauen Betonhochhauses und blickt aus seinem Fenster auf noch mehr Beton. In der SPD gilt er schon als Hoffnungsthema.

Die SPD muss etwas ändern

Was auch daran liegt, dass Offenbach zwar ein sozialer Brennpunkt ist, aber zugleich in dem Ruf steht, dass das Zusammenleben von Deutschen und Migranten in der Stadt relativ gut funktioniert. Über 60 Prozent der Offenbacher haben einen Migrationshintergrund, und dennoch haben sich in der Stadt keine Parallelgesellschaften herausgebildet. Auch hier gibt sich der Lokalpolitiker pragmatisch und stellt sich in eine sozialdemokratische Tradition, die in der Partei nicht besonders populär ist: in die des ehemaligen Bezirksbürgermeisters von Berlin-Neukölln. „Eigentlich fordere ich das, was Heinz Buschkowsky dort immer durchsetzen wollte“, sagt Schwenke, „in Offenbach muss einfach jeder deutsch reden.“ Wenn er Migrantengruppen besuche, „dann sage ich denen jedes Mal: Schickt eure Kinder verdammt noch mal in deutsche Kitas.“

Ein anderes Vorbild ist der ehemalige Vorsitzende Sigmar Gabriel. „Wie Gabriel mal gesagt hat: Wir müssen dahin, wo es stinkt“, so Felix Schwenke. Tatsächlich hat er bei der Oberbürgermeisterwahl in den Stadtteilen überdurchschnittlich gut abgeschnitten, in denen die AfD stark ist. Kann die SPD mit den im Februar beschlossenen Sozialstaatsreformen auch auf Bundes­ebene AfD-Wähler zurückgewinnen? „Ach, wissen Sie, ich kann diese ganze Hartz-IV-Diskussion einfach nicht mehr hören“, schimpft Schwenke. Damals sei das eine gute und pragmatische Entscheidung gewesen. „Aber heute sehen wir, dass immer mehr Menschen durch Hartz IV verarmen.“ Da müsse die SPD etwas dran ändern – auch wenn das mit der CDU nicht durchzusetzen sei. „Aber dann gibt es wenigstens mal wieder eine spannende Bundestagswahl.“

Dies ist ein Artikel aus der März-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder in unserem Online-Shop erhalten.

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