Pegida-Demo an Hitlers Geburtstag - „Dresdens OB hat den Roten Teppich für Pegida ausgerollt“

Am 20. April, dem Geburtstag Adolf Hitlers, hat die rechtsextreme Pegida in Dresden ihre erste Montagsdemo in der Corona-Krise veranstaltet – mit einer Ausnahmegenehmigung der Stadt. Dagegen regte sich Protest. Doch war es nicht genau das, was Pegida gewollt hat?

Aber bitte mit Maske: In Dresden bewachten 250 Polizisten eine Pegida-Demo mit 15 Teilnehmern / picture alliance
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Autoreninfo

Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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André Schollbach ist Rechtsanwalt für Strafrecht und Fraktionschef der Linken im Dresdener Stadtrat. 

Herr Schollbach, am 20. April, Adolf Hitlers 131. Geburtstag, haben die Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (Pegida) in Dresden demonstriert – mit der Genehmigung der Stadt. Welches Signal sendet Pegida damit? 
Es ist ein fatales Signal, was damit gesendet wurde. Dresdens Oberbürgermeister (Dirk Hilbert, FDP, Anm. der Red.) hat den Roten Teppich für Pegida ausgerollt. Wochenlang wurde das Versammlungsrecht faktisch außer Kraft gesetzt. Und dann war man bei Pegida ausgerechnet am 20. April sehr großzügig. 

Rechtlich kann die Stadt die Demo nicht verbieten. Nach einem aktuellen Bundesverfassungsgerichtsurteil darf der Infektionsschutz das Grundrecht auf Demonstrationen nicht einschränken
Die Versammlungsfreiheit ist natürlich ein hohes Gut. Das Problem ist nur folgendes: Demonstrationen werden von der zuständigen Ordnungsbehörde regelmäßig mit zweierlei Maß gemessen. Es entsteht der Eindruck, dass Rechtsextremisten wie Pegida wohlwollend behandelt werden, während Gegendemonstrationen dazu sanktioniert oder eingeschränkt werden. Das wurde in diesem Fall wieder deutlich. 

Inwiefern?
Wochenlang wurden selbst kleine Mini-Versammlungen verboten. Und jetzt bekommt Pegida plötzlich und problemlos eine Versammlung mit 80 Teilnehmern genehmigt. Erst nach einem öffentlichen Aufschrei der Empörung wurde die zulässige Teilnehmerzahl auf 15 reduziert.

In der Pressestelle der Stadt heißt es, man habe die Zahl deshalb auf 15 reduziert, weil für eine Demo der rechtsextremen Initiative Pro Chemnitz auch nur 15 Teilnehmer zugelassen worden waren. 
Das wird jetzt nachträglich schöngeredet. Das macht es aber nicht besser. 

Die Demo war ursprünglich für 80 Teilnehmer angemeldet und stand unter dem Motto „80 für 80 Millionen“. Was bedeutet das?  
Es ist bekannt, dass die 8 eine Chiffre ist, ein Code für den Buchstaben H. Es liegt nicht fern, diese zweifache 8 als „Heil, Hitler!“ zu deuten. Ich interpretiere dieses Motto als Anspielung auf den 20. April, den Geburtstag Adolf Hitlers. Das zeigt einmal mehr die Geisteshaltung von Pegida. 

Zeigt es nicht in erster Linie, dass es ihr um die Provokation geht? 
Das ist eine rechtsextreme Organisation, die mit offenem Rassismus und Hass und Hetze auf die Straße geht und damit den Boden bereitet hat für Gewalttaten, die in den vergangenen Jahren insbesondere im Raum Dresden stattgefunden haben. Ich nenne nur die Ausschreitungen in Heidenau und die Anschläge auf Flüchtlingsheime sowie die Straftaten der Terrorgruppe Freital

Haben Sie Pegida nicht erst durch Ihre Empörung eine Aufmerksamkeit verschafft, die die Initiative sonst nie bekommen hätte? 
Doch, und diese Aufmerksamkeit hat Pegida eigentlich nicht verdient. 

In der Pressestelle der Stadt heißt es, Pegida demonstriere immer am Montag. Dass sie das Datum bewusst genutzt habe, um zu provozieren, sei eine Unterstellung. 
Schon das Motto der Demo spielt ganz gezielt auf den Führer-Geburtstag an. Wer das nicht sehen will, muss schon ziemlich ignorant sein. Um diese Gelegenheit zur Provokation zu nutzen, wurden sogar die Gefahren der weiteren Corona-Verbreitung billigend in Kauf genommen. Durch die Pegida-Veranstaltung sind 250 Polizisten auf engem Raum zusammengekommen – neben den Demonstranten und der übrigen Bevölkerung, die natürlich auch in der Innenstadt unterwegs war. 

Aber die Polizei hat dafür gesorgt, dass die Teilnehmer Mundschutz trugen
Mit den Polizisten, Demonstranten, Gegendemonstranten und Passanten waren hunderte Personen auf dem Platz. Wenn sich darunter infizierte Menschen befanden, hatte das Corona-Virus dort die beste Gelegenheit, sich zu verbreiten. 

Wären Sie genauso empört gewesen, wenn die Demo von der Antifa angemeldet worden wäre?
Was ich anprangere, ist der Umstand, dass die Versammlungsbehörde in Dresden seit langer Zeit unterschiedliche Maßstäbe an Demonstrationen anlegt. Darüber sind viele Menschen zu Recht empört. 

Sie unterstellen der Behörde Sympathien für Pegida?
Leider kann man gelegentlich diesen Eindruck gewinnen. 

In Dresden ist es in den vergangenen Jahren ruhig geworden um Pegida. Woran liegt das?
Die Attraktivität der Versammlungen hat abgenommen. Was dort verkündet wird, ist im Grunde genommen immer wieder dieselbe Leier. Man muss sich aber die Entwicklung vor Augen führen: Zunächst hat die extreme Rechte das gesellschaftliche Klima auf der Straße vergiftet. Inzwischen sitzt sie in großer Zahl in den Parlamenten.  

Können Sie nachvollziehen, was die Anhänger frustriert? 
Nein, bei Pegida wurde von Anfang an Rassismus verbreitet. Es wurde gehetzt und gepöbelt gegen Ausländer, Politiker und gesellschaftliche Akteure. Ich kann die Einschätzung nicht teilen, dass es sich dabei nur um besorgte Bürger handelt.  

Außerhalb ihrer Filterblase hat man in der Corona-Krise nichts mehr von Pegida gehört. Nützt oder schadet die Pandemie den Aktivisten? 
Die Bedeutung von Pegida hat abgenommen. Aber es wird versucht, aus dieser Krise politisches Kapital zu schlagen. So wird die Pandemie von der extremen Rechten dazu genutzt, um Ausländer als Überträger zu stigmatisieren. Im Alltag schlagen ihnen herabwürdigende Kommentare entgegen.   

Der Verfassungsschutz warnt, Extremisten könnte die Krise nutzen, um Anschläge zu planen. Wie schätzen Sie das Gewaltpotenzial von Pegida ein? 
Ich schätze das insgesamt als sehr hoch ein. Die Worte, mit denen gehetzt wird, werden von einigen Teilnehmern als Aufforderung verstanden, zu handeln. Es gibt nicht nur eine Vielzahl von Straftaten, die immer wieder im Zusammenhang mit Pegida-Demonstrationen begangen wurden. Das geht einmal quer durchs Strafgesetzbuch. Volksverhetzung, Beleidigung, Körperverletzung. Und es gibt auch Pegida-Aktivisten wie den Mann, der 2017 einen Bombenanschlag auf eine Moschee in Dresden verübt hat. Dass von der extremen Rechten immer wieder gravierende Straftaten verübt werden, kann niemand ernsthaft leugnen. 

Die Fragen stellte Antje Hildebrandt

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