DIW-Studie - Wo die AfD-Wähler wohnen

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat alle 299 Wahlkreise der Bundesrepublik untersucht. Sie wollten wissen, wer AfD wählt. Dabei zeigt sich: Die Gründe für den Erfolg der AfD sind im Westen andere als im Osten.

Wird im Westen vor allem von Geringverdienern und im Osten von Alten gewählt: AfD / picture alliance
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Yves Bellinghausen ist freier Journalist, lebt und arbeitet in Berlin und schreibt für den Cicero.

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Seit die AfD vor knapp fünf Monaten in den Bundestag eingezogen ist, suchen Politiker, Journalisten und Wissenschaftler nach Erklärungen für den Erfolg der Partei am rechten Rand. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) aus Berlin präsentiert jetzt in seinem aktuellen Wochenbericht eine Studie, für die die Forscher alle 299 Wahlkreise in Deutschland einzeln untersucht haben, um herauszufinden, wer besonders häufig AfD wählt.

„Neu ist dabei die Erkenntnis, dass die Gründe für den Erfolg der AfD in Ostdeutschland andere sind, als im Westen“, sagt  Alexander Kritikos, einer der Autoren der Studie, gegenüber Cicero. In Westdeutschland war die AfD vor allem in den Wahlkreisen erfolgreich, wo die Haushaltseinkommen besonders niedrig sind. Im Osten dagegen wurde die AfD überdurchschnittlich stark in Wahlkreisen mit hohem Durchschnittsalter gewählt. Auch in den Wahlkreisen, wo mehr Industrie und Handwerksbetriebe ansässig sind, hat die AfD einen größeren Erfolg. Andere Faktoren wie die Arbeitslosenquote, der Ausländeranteil in einem Wahlkreis oder das durchschnittliche Bildungsniveau haben laut der Studie kaum Einfluss auf den Zuspruch.

Im Osten scheinen ganze Regionen hoffnungslos

Die Ergebnisse des DIW erklären auch, wieso die AfD-Ergebnisse innerhalb von Westdeutschland so stark auseinanderfallen. Denn in Westdeutschland sind auch die Einkommensunterschiede zwischen den Regionen wesentlich stärker ausgeprägt als in Ostdeutschland. Zwischen westdeutschen Wahlkreisen können die Einkommen um mehr als 13.000 Euro auseinander liegen. 

Analog dazu sind es im Osten vor allem Wahlkreise mit vielen Über-60-Jährigen, die stärker zur AfD tendieren. Zwar führt auch im Westen ein höheres Durchschnittsalter zur mehr Stimmen für die Rechtspopulisten. Aber in den ostdeutschen Wahlkreisen ist dieser Zusammenhang um ein Vielfaches stärker. 
Dazu kommt, dass in Ostdeutschland mehr ältere Wähler wohnen als in Westdeutschland. Und ihr Anteil wird weiter steigen, vor allem in der ostdeutschen Provinz. „Ich muss gestehen: Ich war selbst erschrocken, als ich gesehen habe, wie überaltert einige Regionen Ostdeutschlands sind“, sagt Kritikos. Im Gegensatz zu westdeutschen Wahlkreisen, wo Menschen wohl eher aus individuellen Beweggründen die AfD wählten ließen die Ergebnisse die Interpretation zu, dass viele Bürger im Osten das Gefühl haben, ganze Gegenden stünden vor dem Aus, sagt Kritikos.

Flüchtlinge dienen als Sündenböcke

Im Fazit der Studie heißt es, der hohe Altersdurchschnitt in einem Wahlkreis sei häufig eine Begleiterscheinung von grundlegenden wirtschaftlichen Problemen: schlechte Infrastruktur, kaum Investitionen, Perspektivlosigkeit. In diesen Regionen hätten viele Menschen das Vertrauen in die etablierten Parteien verloren. 

Also geht es den AfD-Wählern eigentlich gar nicht um Flüchtlinge? „Das wäre sicherlich eine sehr verkürzte Aussage“, sagt Kritikos, „aber man kann schon sagen, dass die Flüchtlinge nicht das eigentliche Problem sind, sondern der Partei eher als Sündenböcke dienen.“ Auf die ökonomischen Fragen biete die AfD allerdings keine echte Antwort, sagt Kritikos. „Die AfD ist vermutlich mehr ein Sammelbecken für Enttäuschte aller Art.“

Die Studie zeigt, dass es keine Patenterklärung für den Erfolg der AfD gibt. Wenn die restlichen Parteien aber Wähler von der AfD zurückgewinnen wollen, dann müssten sie für mehr soziale Teilhabe sorgen, heißt es im Fazit. Gerade im Osten, wo die AfD besonders stark ist, fehle es an Infrastruktur und Investitionen in ländlichen Regionen.
 

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