Digitaler CDU-Parteitag - Auftakt geglückt

Zur Wahl ihres neuen Vorsitzenden wagt die CDU einen Parteitag in komplett digitalem Format. An diesem Freitagabend ging es los, und der Start war vielversprechend. Vielsagend hingegen waren die Worte des zugeschalteten CSU-Chefs Markus Söder.

Auftakt zum CDU-Parteitag auf dem Berliner Messegelände / picture alliance
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Das war dann tatsächlich eine gelungene Vorstellung. Teil eins des ersten volldigitalen Parteitags, den es in Deutschland je gegeben hat, ist geglückt. Man könnte sogar sagen: Die CDU hat am Vorabend des „eigentlichen“ Wahlparteitags bewiesen, dass sie auf der Höhe der Zeit ist. Zumindest, wenn es um Professionalität, Dramaturgie und Inszenierung für ein Medium geht, für das Veranstaltungen wie diese keineswegs prädestiniert sind. 

Aus einem politischen Massenevent mit der zusätzlichen Herausforderung gleich mehrerer Live-Abstimmungen ein funktionierendes und fast noch unterhaltsames Streaming-Format zu machen, dafür braucht es technisches und gestalterisches Knowhow. Also zwei Dinge, die man einer altgedienten Volkspartei wie der Christdemokratischen Union nicht spontan als allererstes unterstellen würde. Dass dann auch noch der Tagungsleiter Paul Ziemiak (Generalsekretär) und seine Quasi-Ko-Moderatorin Silvia Breher (stellvertretende Parteivorsitzende) regelrechte Entertainer-Qualitäten an den Tag legen würden, hätte wohl kaum jemand erwartet. 

Abschied von AKK

Da auch noch sämtliche minderwichtigen Vor-Wahlen und Abstimmungen (etwa zum Mitgliederbeauftragten oder des Bundesparteigerichts) offenbar reibungslos funktioniert haben, wird man der CDU in dieser Hinsicht kaum unterstellen können, nicht auf der Höhe der Zeit zu sein. Als normaler Bürger würde man sich nur wünschen, zu Coronazeiten würde es mit digitalem Schulunterricht genauso gut funktionieren, wie es bei digitalen Parteitagen von Regierungsparteien ja offenbar auch möglich ist.

Die scheidende Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer eröffnete den unter dem Hashtag-Motto „wegenmorgen“ stehenden Parteitag in pinkem Kostüm und mit diversen Erinnerungen an ihre ungeplant kurze Amtszeit. Im Jahr 2018 habe man wegen des Streits mit der Schwesterpartei CSU noch in den Abgrund geschaut, dann das Experiment gewagt, Parteivorsitz und Kanzlerschaft zu trennen. AKKs „Werkstattgespräche“ hätten schließlich sogar den heftigen Dissens über die Migrationspolitik entkräftet, so die Saarländerin, die sich selbst (und gewiss nicht ganz ohne Grund) zugute hielt, als Parteichefin wieder mehr Debatte innerhalb der Union zugelassen zu haben. 

Mit Blick auf die Corona-Pandemie sagte AKK, man müsse aus dieser Krise lernen, was künftig besser gemacht werden könne; „die Grundlagen für einen Neustart sind gelegt“. In der aktuellen Situation „beweist sich Haltung“, für ihre Partei sei das alles jetzt ein Ansporn, um voranzugehen. Deutschland, so Annegret Kramp-Karenbauer, brauche eine innovative Europa- und Sicherheitspolitik und müsse auch das transatlantische Bündnis auf eine neue Grundlage stellen. Wie in ihrem aktuellen Brief an sämtliche Parteimitglieder bekräftigte sie, möglicherweise in düsterer Vorausahnung, dass sich alle Männer und Frauen aus der CDU geschlossen hinter dem am Samstag zu wählenden Vorsitzenden versammeln sollten.

Rustikaler Charme

Unter dem Tagesordnungspunkt „Aussprache“ kamen danach einige Parteigranden zu Wort, die entweder belanglose Floskeln von sich gaben (Annette Widmann-Mauz)  oder sich wie Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier mit rustikalem Charme an AKK wandten, um ihr für ihre Schlichtertätigkeit im fast schon vergessenen Konflikt mit der CSU zu danken und ihr als Abschiedsgeschenk ein Faksimile von Heiner Geißler Rede zum Frauenparteitag anno 1985 zu überreichen.

Selbst die Einblendung Angela Merkels aus dem Bundeskanzleramt versprühte eine spürbare Leidenschaft und Authentizität - zumindest deutlich mehr von beidem als sämtliche ihrer bisherigen Neujahrsansprachen zusammen. Die Welt, so Merkel, habe sich seit ihrem Amtsantritt ganz wesentlich verändert; damals, im Jahr 2005, habe es noch kein Social Media gegeben, und Chinas Volkswirtschaft sei noch kleiner gewesen als die deutsche. Tempi passati. Außerdem, so die Kanzlerin, würden die kommenden 15 Jahre die Welt noch schneller verändern als die zurückliegenden anderthalb Dekaden. Was wohl nur heißen kann, dass ihr Nachfolger ebenso auf der Höhe der Zeit sein sollte, wie es die CDU an diesem Abend war. Jedenfalls, so Merkel, sei die Union „keine Partei für schnelle Antworten“.

Kanzleramtsminister Helge Braun verkündete mit sorgenvollem Blick, bis zum Sommer werde die Pandemie noch eine „Kraftanstrengung“ bedeuten; die ebenfalls zugeschaltete EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wiederum lobte mit der Gestik eines Fernsehpredigers die Erfolge der europäischen Impfstoffbeschaffung. In solchen Momenten dürfte die Parteitagsregie froh darüber gewesen sein, dass kein Live-Publikum anwesend sein durfte. Denn die Reaktionen auf diese Einlassung hätten, gelinde gesagt, durchaus gemischt ausfallen können.

Söders Gastauftritt

Einen Gastauftritt legte dann noch Markus Söder hin, standesgemäß vor blauweißem Bayern-Hintergrund aus seiner Münchener Staatskanzlei. Dass er mit jedem der drei Kandidaten, ob Laschet, Merz oder Röttgen, zusammenarbeiten werde, stellte Bayerns Ministerpräsident gönnerhaft in Aussicht. Um dann schnell zu seinem vermeintlichen Gewinnerthema überzugehen, nämlich der Pandemiebekämpfung. Der von ihm (und anderen) eingeschlagene Weg sei jedenfalls richtig: „Wir werden Corona überwinden, aber nur, wenn alle mitmachen.“ Die aktuelle Gesundheitskrise sei wie eine Schneeschmelze, die alles darunter Liegende sichtbar mache, so Söder. Nichts werde hinterher so sein wie vorher, nach Covid beginne eine neue Ära. Allerdings klang der bayerische Regierungschef erkennbar zuversichtlich, als er diese Worte aussprach.

Was damit zusammenhängen könnte, dass sich mit der Wahl des neuen CDU-Vorsitzenden nicht zuletzt Söders weiteres politisches Fortkommen verknüpft. Wie sehr es auf eine Kanzlerkandidatur des Franken hinausläuft, darüber entscheiden an diesem Samstag nämlich auch die 1001 Delegierten der CDU. Als CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak während der Live-Schaltung von Markus Söder wissen wollte, ob er denn auch eine CDU-Kaffeetasse auf seinem Schreibtisch stehen habe, antwortete dieser: Nein, das sei nicht der Fall. Um sogleich hinzuzufügen: „Wenn ein Angebot von der CDU an mich kommt, werden wir es entsprechend würdigen.“ 

Ob sich dieser Nachsatz wirklich nur auf Kaffeetassen bezog, darüber werden sich die Union-Delegierten die Nacht über noch Gedanken machen können.

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