Die CDU - Immer grüner

Kolumne Grauzone: Angela Merkel wird kommende Woche offiziell zur CDU-Kanzlerkandidatin gekürt werden. Damit bestätigt die Partei eine Vorsitzende, die alle Werte und Ideale, für die der Konservatismus einmal stand, ad absurdum geführt hat. Die CDU ist nicht mehr schwarz, sondern grün

Schon im Bundestagswahlkampf 2013 liebäugelten Grüne und CDU mit einem gemeinsamen Bündnis / picture alliance
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Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Am Dienstag ist es also endlich so weit. Der wahnsinnig spannende Kandidatenfindungsprozess der Christdemokraten wird in die Wahl Angela Merkels zur Parteivorsitzenden und Kanzlerkandidatin münden. Geschafft. Ob zumindest ihre eigene Partei damit glücklich ist? Es steht zu befürchten.

Allerdings: Es gibt auch keine Alternative. Man male sich nur für einen kurzen, unterhaltsamen Moment aus, die Delegierten fassten sich ein Herz und würden ihr die notwendige Stimmenmehrheit verweigern: Die CDU befände sich in einer Krise, die in der Geschichte der Bundesrepublik einzigartig wäre. Ein machtpolitisches Beben ungeahnten Ausmaßes wäre die Folge.

Aber Parteitagsdelegierten geht es nicht um Mut, auch nicht um Demokratie oder gar um Inhalte, sondern um Machterhalt. Und den – das muss man anerkennen – garantiert nur die Kanzlerin.

Dem schärfsten politischen Gegner anverwandelt

Genau hierin liegt jedoch die eigentliche Pointe der öden Inszenierung, die wir am Dienstag erleben werden. Denn die Christliche Demokratische Union Deutschlands wird eine Parteichefin in ihrem Amt bestätigen, die alle Werte und Ideale, für die diese Partei einmal stand, ad absurdum geführt hat.

Unter der Führung von Merkel und befeuert durch die Pizza-Connection erprobten Jungfunktionäre hat die CDU einen inhaltlichen Wandel vollzogen, der in der Parteiengeschichte einzigartig ist. Bis zur Selbstaufgabe hat man sich dem bis dato schärfsten politischen Gegner anverwandelt – den Grünen. Und so wird am kommenden Dienstag die CDU die erste grüne Kanzlerin zu ihrer Parteichefin und Kanzlerkandidatin wählen. Ein in vielerlei Hinsicht bemerkenswerter Vorgang.

Aushöhlung des deutschen Konservatismus

Nun war der deutsche Nachkriegskonservatismus programmatisch schon immer flexibel. Westbindung, Marktwirtschaft, Europa – diese Kernthemen der westdeutschen CDU hatten mit Konservatismus im traditionellen Sinne wenig zu tun. Lediglich der Antikommunismus hatte in Zeiten des Kalten Krieges noch Platz in der programmatischen Asservatenkammer der Christdemokraten. Ansonsten begnügte man sich damit, Schlagworte wie „Familie“ oder „Gymnasium“ als Ausweis angeblich bürgerlich-konservativer Gesinnung vor sich herzutragen.

Entscheidend für die ideologische Aushöhlung des deutschen Konservatismus wurde sein durch die Blockbildung ab 1945 erzwungene Burgfrieden mit der modernen Konsumgesellschaft, der mit den Aufbaujahren in offene Affirmation umschlug. Spätestens Mitte der fünfziger Jahre hatte sich die CDU zum wackeren Anwalt kleinbürgerlicher Wohlstandsfreuden gewandelt.

Fortschrittspessimismus und Technikskepsis, ideologische Kernbestände eines ernstzunehmenden Konservatismus, hatten in der Partei von Wirtschaftswunder und Konsumideologie keinen Platz mehr. Der geradezu infantile Jargon, mit dem heutzutage alles von der CDU bejubelt wird, was als „Innovation“ gilt, ist ein Folgeschaden dieser kulturellen und intellektuellen Ausblutung.

Grün-alternative Systemkritik hielt auch nicht lange

Das konsumkritische Potential des Konservatismus wanderte aus und sammelte sich in den Jugendbewegungen der späten sechziger Jahre, aus denen dann die Grünen hervorgingen. Doch Ironie der Geschichte: Auch die grün-alternative Systemkritik wandelte sich spätestens ab den neunziger Jahren in einen opportunistischen Lifestyle-Moralismus der großstädtischen Soja-Latte-Macchiato-Fraktion, deren progressives Lebensgefühl sich vor allem aus einem geschmäcklerischen Konsumismus speist. Der Konservatismus wurde endgültig heimatlos.

Sowohl bei den Grünen als auch bei der CDU handelt es sich um postmoderne Wohlfühlparteien des gesättigten Besitzbürgertums, die ihren ursprünglich skeptisch-konservativen Ideologiebestand zugunsten einer scheinkritischen Symbolpolitik aufgegeben haben, die sich an den Interessen einer situierten Selbstverwirklichungsklientel orientiert.

Wahl Merkels nur konsequent

Keine Frage, CDU und Grüne haben sich wechselseitig verdient. Dass die CDU am Dienstag mit Angela Merkel eine Frau in Amt und Funktion bestätigen wird, deren faktische Politik der vergangenen Jahre grüne Positionen nach und nach abgearbeitet hat, ist da nur logisch und konsequent.

Und so wäre es nur folgerichtig, wenn die CDU nach der Bundestagswahl im September 2017 auch noch die letzten zaghaften Bestände liberal-konservativer Programmatik schleift und sich die Umverteilungsphantasien eines Jürgen Trittin zumindest teilweise zu eigen macht. In die umfassende Subvention putziger Elektroautos für gut verdienende Bürger ist man ja schon eingestiegen. Die handvoll FDPler, die Deutschlands erste grün-grüne Koalition zur Mehrheit wohl noch bräuchte, wird das alles weder verhindern können noch wollen.

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