Lage an der deutsch-polnischen Grenze - „Etwa 80 Prozent dieser Migranten sind junge Männer“

An der deutsch-polnischen Grenze sind die illegalen Grenzübertritte nach Deutschland rapide angestiegen. Thorsten Frei, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, über die Gründe für die neue Migrationsroute und den belarussischen Machthaber Lukaschenko, der der illegalen Migration in die EU und nach Deutschland den Weg bereitet.

Migranten in der zentralen Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt / dpa
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Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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Thorsten Frei, Jahrgang 1973, ist Mitglied des Deutschen Bundestags und seit 2018 stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Herr Frei, Sie waren Anfang dieser Woche gemeinsam mit Ralph Brinkhaus bei der Bundespolizeidirektion in Frankfurt an der Oder. Wie schätzen die Beamten die derzeitige Situation an der deutsch-polnischen Grenze ein? 

Die Bundespolizei ist mit einer großen Herausforderung konfrontiert und die personelle Belastung enorm. Zur Verstärkung der Schleierfahndung an der deutsch-polnischen Grenze sind inzwischen acht Hundertschaften der Bundespolizei eingesetzt. Es hat sich eine neue osteuropäische Migrationsroute entwickelt, über die zwischen Mai und Juli noch 26 irreguläre Grenzübertritte erfolgten. Seither beobachten wir ein exponentielles Wachstum. In der Zwischenzeit sind es deutlich über 5000 Menschen, die von Belarus über Polen nach Deutschland gekommen sind. Das sind erhebliche Zahlen, auf die wir entsprechend reagieren müssen. 

Die entsprechende Reaktion ist derzeit allerdings nicht, dass die Grenzen geschlossen werden, sondern, Sie sagten es bereits, die Schleierfahndung. Warum hat man sich erstmal für diese Vorgehensweise entschieden? 

In dieser Situation ist es sehr wichtig, auf eine enge Kooperation mit Polen zu setzen. Nach meinem Eindruck geht Polen im Gegensatz zu anderen EU-Staaten bislang sehr konsequent gegen die illegale Migration vor. Polen unternimmt, ähnlich übrigens wie Litauen und Lettland, erhebliche Anstrengungen, um die EU-Außengrenze zu sichern. Als ich mit unserem Fraktionsvorsitzenden Ralph Brinkhaus in dieser Woche an der deutsch-polnischen Grenze war, haben wir gesehen, dass es nicht nur gemeinsame Grenzstreifen von Polen und Deutschen gib, es wurde sogar eine gemeinsame Dienststelle eingerichtet. Das ist richtig, und ich glaube, auch erfolgversprechend, wenn wir den Weg dieser ganz engen Kooperation weitergehen. 

Trotzdem sind bereits mehrere tausend Menschen illegal nach Deutschland eingereist. Ist das nicht ein deutliches Argument dafür, zu sagen, so wie aktuell funktioniert es nicht? 

Wir haben es mit einer gewaltigen Herausforderung zu tun. Nicht nur Polen, sondern auch Lettland und Litauen haben einen Not- beziehungsweise Ausnahmezustand an ihren jeweiligen Grenzen zu Belarus verhängt. Die Situation ist deshalb so schwierig, weil wir davon ausgehen müssen, dass in den Grenzgebieten auf belarussischer Seite etwa 15.000 Menschen nur auf den richtigen Augenblick zum Grenzübertritt warten. Es gab an der ein oder anderen Stelle bereits Versuche, Grenzzäune zu durchbrechen und nach Polen zu gelangen. Das zeigt aus meiner Sicht, dass Polen, Lettland und Litauen alles unternehmen, um die außeneuropäische Grenze zu schützen. Wenn der europäische Außengrenzschutz nicht funktioniert, ist natürlich immer auch ein nationaler Grenzschutz eine Option. Das ist aus meiner Sicht aber die Ultima Ratio. 

Wie können Deutschland und andere EU-Partner diese Länder bei ihren Bemühungen unterstützen? Denn ein Hauptproblem ist doch offensichtlich, dass es immer noch keine gemeinsame europäische Migrationspolitik gibt. 

Lassen Sie mich darauf zweigeteilt antworten. Polen nimmt Frontex-Hilfe bisher nicht in Anspruch. Wir würden sehr begrüßen, wenn Polen das täte. Ansonsten haben wir angeboten, Polen in jeder denkbaren Hinsicht zu unterstützen. Das war aus meiner Sicht ein wichtiger Vorstoß des Bundesinnenministers Horst Seehofer. Aber Sie sprechen das dahinterliegende Problem an, dass wir bei den Bemühungen auf der Stelle treten, das gemeinsame europäische Asylrecht weiter zu entwickeln. Jetzt sehen wir einmal mehr, dass Migration eben nicht das Problem einzelner Staaten ist, sondern ein Problem aller EU-Staaten. Wenn wir es nicht schaffen, unsere Zusammenarbeit zu verbessern und es nicht schaffen, uns auf einen konsequenten europäischen Außengrenzschutz zu verständigen, dann ist dies immer auch ein Einfallstor dafür, die Europäische Union zu erpressen, auseinander zu dividieren und Migration als Form der hybriden Kriegsführung zu nutzen. Wir erleben derzeit den dritten Fall, wo Migration von ausländischen Mächten genutzt wird, um eigene außenpolitische Zielsetzungen zu verfolgen. Wir haben dieses Vorgehen gesehen bei Marokko gegen Spanien, Türkei gegen Griechenland und nun sehen wir es auch in Zusammenhang mit Lukaschenko und Belarus. 

Was tut Belarus genau? 

Lukaschenko unternimmt alles, um diese nicht wirklich direkte Migrationsroute aus dem Nahen Osten und Südasien über Osteuropa nach Deutschland zu befördern. Aus 76 Ländern kann man derzeit visumfrei nach Belarus kommen. Nachdem Lukaschenko Touristen-Visa beispielsweise im Libanon und im Irak ausgegeben hat, hat er auch eine Visafreiheit für Länder wie Ägypten, Jordanien, Pakistan oder den Irak verfügt. Das bedeutet zumindest für diejenigen Migranten, die sich das wirtschaftlich leisten können, dass eine ganz attraktive und offensichtlich gut orchestrierte Migrationsroute entstanden ist. Wir wissen zum Beispiel, dass von der Ankunft auf dem Flughafen Minsk bis zum Grenzübertritt von Polen nach Deutschland häufig nur fünf bis sieben Tage vergehen. Das schafft man nur mit gut organisierten Schlepperstrukturen. 

Lassen Sie uns das mal kurz aufschlüsseln: Wie sieht denn die konkrete Migrationsroute aus? 

Es ist in der Regel so, dass es Direktflüge gibt von Beirut, Damaskus, Bagdad oder auch Istanbul nach Minsk. Von dort werden die Migranten dann an die polnische Grenze gebracht, von wo sie mit gut organisierten Schlepperstrukturen an die deutsche Grenze kommen. Wenn den Menschen der Grenzübertritt nach Polen nicht gelingt, sehen wir, dass Belarus diese Menschen nicht mehr zurückgehen lässt. Das sind dann jene Migranten, die sich  im Niemandsland der Grenze aufhalten. Das ist unter humanitären Gesichtspunkten eine ganz schwierige Situation. 

Das heißt, Lukaschenko macht die Türen auf, aber sobald die Migranten hindurchgegangen sind, werden die Türen wieder geschlossen, verriegelt und vernagelt und das Einzige, was ihnen bleibt, ist die Flucht nach vorne?

Richtig. Ich finde, das sieht alles sehr nach dem aus, was Erdogan vor einigen Monaten an der Grenze zu Griechenland gemacht hat. Nämlich, dass er Migranten mit Bussen an die Grenze fährt und an der Rückkehr hindert. Daran kann man sehen, dass es eine Form der hybriden Konfliktführung durch Lukaschenko ist. Er will sich rächen für Sanktionsmaßnahmen der Europäischen Union. Deshalb ist Lukaschenko auch der erste Adressat für die Bemühungen, nicht nur an den Symptomen, sondern auch an den Ursachen zu arbeiten. Dafür muss man auch Gespräche mit Moskau führen. Wenn man sieht, wie sehr Belarus von der Unterstützung und dem Zuspruch Russlands abhängig ist, um wirkungsvoll nach innen wie nach außen agieren zu können, liegt aus meiner Sicht der Schlüssel zur Behebung des grundlegenden Problems eben auch in Moskau. 

Werden hier bereits diplomatische Gespräche geführt? 

Das ist insbesondere die Aufgabe des Bundesaußenministers. Soweit ich informiert bin, finden diese Gespräche statt. Das ist sehr wichtig. Wenn man sich ausschließlich darauf fokussiert, dass Direktflüge aus dem Libanon oder dem Irak nach Minsk gestoppt werden, dann wird zwar versucht ein Loch zu stoppen, aber gleichzeitig tun sich weitere Löcher auf. Dann erfolgt die Reise halt über anderen Staaten, von anderen Flughäfen, etwa über die Linie Moskau-Minsk. 

Werfen wir einen kurzen Blick auf das Wording, das derzeit in der Presse zirkuliert. Da ist die Rede von Flüchtlingen und von Asyl, aber wenn ich mir Ihre Schilderungen anhöre, und das soll keineswegs zynisch klingen, sehen diese Migrationsbewegungen weniger nach Flucht denn nach Pauschalreise aus. Wir sprechen hier also nicht von Flüchtlingen, sondern von Migranten, die nach Deutschland einwandern wollen, aber trotzdem wieder in dieses Asylverfahren reinkommen. Wie müssen wir damit denn umgehen? Denn es ist ja offensichtlich, dass das wieder eine der ganz großen Diskussionen der kommenden Wochen und Monate sein wird. 

Man muss in diesem Zusammenhang ausdrücklich von Migranten sprechen. Ich will nicht ausschließen, dass auch schutzbedürftige Menschen darunter sind. Was wir aber vor allem sehen, ist, dass Menschen visumfrei oder mit Touristen-Visum im Flugzeug nach Belarus reisen und dann sehr gut ausgebaute Schlepperstrukturen nutzen. Das deutet schon daraufhin, dass dies nur für Menschen möglich ist, die über die entsprechenden finanziellen Mittel verfügen. Auch auf anderen Migrationsrouten müssen die Menschen oft mehrere tausend Euro aufbringen, aber diese hier ist ganz besonders teuer.

Welche Erkenntnisse gibt es neben den finanziellen Mitteln, die für diese Reise aufgewendet werden müssen, denn noch? Platt gefragt: Wer kommt da ins Land? 

Nach den mir vorliegenden Zahlen, muss man davon ausgehen, dass etwa 80 Prozent der Migranten junge Männer sind. Das spricht sehr dafür, dass einzelne Familienmitglieder auf den Weg geschickt werden, um Ankerpersonen für einen entsprechenden Familiennachzug zu entwickeln. 

Was sind denn die neuralgischen Punkte, wo die Grenzübertritte nach Deutschland gelingen? Gibt es bestimmte Hotspots? 

Es gibt mehrere Punkte, an denen die Grenze überschritten wird. Zunächst einmal ist die deutsch-polnische Grenze durch einen Fluss geprägt. Das heißt, rein geographisch und topographisch ist das nicht die schlechteste Voraussetzung, um eine entsprechende Überwachung zu gewährleisten. Aber es gibt eben eine ganze Reihe von Übergängen. Das können Autobahnbrücken sein, aber wir haben auch eine Bahnbrücke gesehen, über die Menschen zu Fuß ins Land kommen.

Jetzt gibt es theoretisch ja die Möglichkeit, Menschen, die beim Grenzübertritt erwischt werden, direkt vor Ort zurückzuschicken. Das geschieht aktuell aber nicht, oder? 

Es ist so, dass die Zahl der Rücküberstellungen von Migranten nach Polen deutlich angestiegen ist. Sie ist aber nicht besonders hoch. So wie insgesamt das Dublin-System in Europa nicht funktioniert. Das muss man deutlich sagen. Mitentscheidend für Rücküberstellungen sind sogenannte EURODAC-Treffer, das heißt, dass es in Polen bereits eine Registrierung gegeben haben muss. Das ist in den allermeisten Fällen derer, die jetzt nach Deutschland kommen, nicht der Fall. Das heißt aber nicht zwingend, dass Polen eine Politik des Durchwinkens betreibt. Man muss davon ausgehen, dass es diesen Menschen einfach gelungen ist, Polen zu durchqueren, ohne auf Grenzschützer zu treffen. Das gilt insbesondere für den Zeitraum, in dem Polen sich erst auf die neue Lage an seiner Ostgrenze einstellen musste. 

Wenn diese Menschen über die deutsch-polnische Grenze kommen, wie geht es dann üblicherweise weiter? 

Sie kommen in der Regel erstmal in die zentrale Aufnahmestelle in Eisenhüttenstadt. Da haben wir bereits sehr professionelle Verwaltungsstrukturen geschaffen, sodass derzeit keine Überforderung der Verwaltungsbehörden droht. Überdeutlich wird allerdings, dass das Migrationsthema nicht von der Bildfläche verschwunden ist. Auch, wenn es in der öffentlichen Berichterstattung der vergangenen Monate keine zentrale Rolle gespielt hat. Wir müssen konstatieren, dass wir zwischen Januar und September etwa 132.000 Asylanträge in Deutschland hatten. Das ist eine Steigerung von 53 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Deshalb müssen wir unsere Anstrengungen mit Blick auf eine gesamteuropäische Migrationspolitik nochmal deutlich erhöhen. 

CDU-Politiker Thorsten Frei im Deutschen Bundestag / dpa

Sie sagten gerade, dass das Thema Migration zuletzt nicht viel Raum hatte in den Medien. Allerdings haben die Parteien die Migration nicht gerade zu einem der Kernthemen im Bundestagswahlkampf gemacht. Hat die Union in den vergangenen Monaten versäumt, sich ordentlich mit dem Thema zu beschäftigen? 

Wir haben uns ordentlich mit dem Thema beschäftigt und auch zahlreiche Verbesserungen erzielt. Zum Beispiel das große Migrationspaket aus dem Sommer 2019, das stark von dem Willen einer besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht geprägt war. Im Bundestagswahlkampf war es unzweifelhaft so, dass das Thema Migration erst gegen Ende wieder eine größere Rolle gespielt hat, als wir stärker dazu übergangenen sind, in den einzelnen Politikfeldern zuzuspitzen und deutlich zu machen, für was die einzelnen Parteien stehen. Nach meiner Ansicht hätten wir das Thema früher in den Wahlkampf tragen können, weil wir uns als Union mit unseren dezidiert bürgerlichen Vorschlägen von „Humanität und Ordnung“ im Bereich der Migrationspolitik sehr deutlich von den anderen Parteien unterscheiden. Zum einen von rechtspopulistischen und rechtsradikalen Positionen. Zum anderen aber auch von einem sehr naiven Migrationsverständnis der Grünen. Das hätten wir deutlicher machen müssen. 

Aber Sie können schon nachvollziehen, dass sich in der Bevölkerung ein gewisser Ärger entwickelt, wenn das Thema seit 2015 auf der Agenda steht, und jetzt wieder die nächste Migrationsbewegung kommt? Und man jetzt wieder daneben steht und nichts machen kann? Das ist doch wie im Hochwassergebiet bauen und sich wundern, wenn irgendwann das Hochwasser kommt. 

Ich verstehe genau, was Sie meinen. Aber lassen Sie mich mit zwei Punkten darauf antworten: Wir haben auf die großen Migrationsbewegungen seit 2015 und 2016 mit zahlreichen Maßnahmen reagiert, zuletzt gesetzgeberisch mit einem großen Migrationspaket im Sommer 2019. Es umfasste insgesamt acht Gesetze, die wir entweder neu geschaffen haben oder ganz wesentlich geändert haben, wie das Fachkräfteeinwanderungsgesetz oder das zweiten Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht. Das war das Maximum, das wir mit dem Koalitionspartner SPD erreichen konnten in Deutschland. Aus meiner Sicht waren das gewaltige Sprünge nach vorne, auf die wir stolz sein können. Hätten wir hier als Union alleine handeln können, wären wir sicherlich noch dezidierter gewesen, aber das war mit dem Koalitionspartner nicht zu machen. Darüber hinaus haben wir insbesondere die deutsche EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte 2020 versucht zu nutzen, um eine gemeinsame europäische Asylpolitik voranzubringen. Das ist, auch angesichts der Tatsache, dass durch Corona praktisch keine physischen Ministertreffen möglich waren, kaum gelungen. Das muss man sagen. Aber auch in den anschließenden Ratspräsidentschaften ist das Thema dann nicht weiter vorangetrieben worden. Deshalb treten wir hier auf der Stelle. 

Ich finde es allerdings schwierig zu sagen, naja, mit der SPD hat das halt nicht besser funktioniert. Die Union hat 16 Jahre lang die Kanzlerin gestellt. Dann zu sagen, die SPD ist schuld, dass nicht mehr möglich war, könnte man, ehrlich gesagt, auch als Ausrede werten. 

Ehrlich gesagt, finde ich das nicht. Sie brauchen in einer Demokratie immer eine Mehrheit, sonst erreichen Sie nichts. Dass dies, was ich sage, zutreffend ist, kann man auch sehr schön am Sondierungspapier der Ampelparteien ablesen. Wenn Sie da die Zeilen zur Migration anschauen, werden Sie feststellen, dass eine Ampelregierung die Migrationspolitik so gestalten will, dass Migration nach Deutschland deutlich vereinfacht wird. Nicht nur die Möglichkeit einzuwandern, sondern auch mit dem Anspruch unterlegt, möglichst bald die deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten. Der Spurwechsel, der da drin ist, ist nichts anderes als ein Sonderprogramm für Menschen, die erstens kein Asylrecht haben und zweitens beruflich unqualifiziert sind. Denn für alle anderen gibt es bereits gute Angebote.

Mit welchen Folgen? 

Die Ampelparteien senden das Signal nach außen, der Weg nach Deutschland ist frei und jeder, der hier ist, kann auch hier bleiben. Und das ist sicherlich das falsche Signal. Wir wollen als alternde Gesellschaft Einwanderung von Fachkräften in den Arbeitsmarkt ermöglichen, weil wir das auch müssen. Nur stehen wir als Union für Migration in den Arbeitsmarkt. Das, was die Ampelparteien mit ihrem Spurwechsel andeuten, ist letztlich nichts anderes als Migration in die sozialen Transfersysteme. Das ist nicht, was Deutschland braucht. 

Gehe ich also richtig in der Annahme, dass Migrationspolitik ein ganz zentrales Thema der Oppositionspartei CDU sein wird? 

Ganz zentrale Themen sind immer die, die Menschen als wesentlich erachten. Und ich glaube, dass sich viele Menschen beim Thema Migration nicht nur Gedanken machen, sondern auch Sorgen. Vor dem Hintergrund werden wir das klar adressieren. 

Wie können Sie den Leuten gleichzeitig die Sorge nehmen, dass sich 2015 wiederholt und am Ende nicht nur 5000 oder 15.000, sondern 500.000 oder mehr Menschen nach Deutschland kommen?

Zum einen ist es so, dass die Menschen in der Regel mit dem Flugzeug nach Minsk kommen und sich von dort mit der Hilfe von Schlepperorganisationen auf den Weg nach Deutschland machen. Das ist eine sehr teure, sehr aufwendige Form der Migration. Deshalb, glaube ich, dass sie quantitativ begrenzt sein wird. Der zweite Punkt ist, wir sind heute ganz anders gerüstet und vorbereitet. Das kann man in allen Grenzbereichen Deutschlands sehr gut sehen. Aber ich habe vorher ja darauf hingewiesen, dass wir im Zeitraum Januar bis September 132.000 Asylanträge in Deutschland hatten, auch in Zeiten der Pandemie. Das sind sehr, sehr hohe Zahlen, die weit über dem liegen, was wir viele Jahre in Deutschland hatten. Und wenn Sie diese Zahlen in Relation setzen zu der Frage, wie viele Kinder jährlich in Deutschland geboren werden, nämlich rund 800.000, dann wird deutlich, wie hoch allein die Asylmigration nach Deutschland ist. In vielen Großstädten kommen wir schon heute an die Grenzen der Integration, schon aus rein quantitativen Gründen. Ich bin überzeugt, dass Integration am Ende aber nur gelingen kann, wenn die Integrationskraft der Gesellschaft nicht überfordert wird. 

Die Fragen stellte Ben Krischke.

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