Auf eine Currywurst mit Gerhard Schröder - „Trump ist ein Tollpatsch“

Gerhard Schröder und Christoph Schwennicke treffen sich einmal im Monat auf eine Currywurst. Dieses Mal geht es um die Wahl-Aussichten von Donald Trump. Und der Altkanzler offenbart unerwartete Sympathie für einen amerikanischen Ex-Präsidenten.

Gerhard Schröder über Trump: „Die Fehler waren ja massiv“
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Herr Schröder, Sie haben mich bei unserer letzten Currywurst mit der Prognose überrascht, dass Sie von einem Wahlsieg Donald Trumps im November ausgehen. Bleiben Sie dabei?
Gerhard Schröder: In der amerikanischen Gesellschaft steckt mehr Trump, als sich viele bei uns erhoffen. Sie erklären ihn zu einer vorübergehenden Erscheinung. Das ist aber nicht so. Deswegen habe ich lange geglaubt, dass die Demokraten bei einem zwar respektablen, aber nicht mehr ganz jungen Kandidaten Biden und bei einer unklaren politischen Linie kaum eine Chance gegen ihn haben werden.

Sie klingen jetzt vorsichtiger als bei unserem letzten Treffen.
Trumps tollpatschiges Verhalten in der Corona-Krise hat die Lage so verändert, dass ich mir meiner Prognose nicht mehr sicher bin. Die Fehler waren ja massiv. Denken Sie an die Aussage, man könnte Menschen auch Desinfektionsmittel spritzen. Würde so etwas die Bundeskanzlerin oder der Bundespräsident sagen, wären sie oder er politisch erledigt.

Sie haben mal gesagt: Wenn wir es nicht schaffen, die Arbeitslosigkeit auf drei Millionen zu senken, haben wir es nicht verdient, wiedergewählt zu werden. Wofür sollte Trump wiedergewählt werden?
Er war auf einem guten Weg, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Im amerikanischen System funktioniert das über Steuersenkungen für die Reichen und die Unternehmen, die dann bereit sind, Leute einzustellen. Nicht auf Dauer, aber immerhin.

Warum ging das Kalkül nicht auf?
Die Pandemie hat alles zerstört und die Schwächen des amerikanischen Systems von Hire and Fire sichtbar gemacht. Die Leute sind reihenweise entlassen worden und stehen jetzt ohne soziale Sicherung da. Bei uns gibt es viele, für die das amerikanische System das Nonplusultra ist. Der deutsche Sozialstaat sei zu langsam, zu sehr auf Versorgung ausgerichtet. Ich finde: Deutschland hat in der Krise seine Stärke gezeigt. Wo hätte man in dieser Pandemie besser und sicherer leben können als in Deutschland? Unser Gesundheits- und Sozialsystem hat sich bewährt, das gilt auch für die Politik auf allen Ebenen.

Sie haben selber zwei US-Präsidenten erlebt. Bei einem, Bill Clinton, hat die Chemie gestimmt, bei dem anderen …
Es ist etwas anders, als Sie glauben. Politisch war mir Clinton viel näher, klar. Aber er hatte die Neigung, die Macht des amerikanischen Präsidenten zu demonstrieren. Er hat andere Staatschefs gerne lange warten lassen. Mir hat das nicht viel ausgemacht, aber mein alter Freund Jacques Chirac konnte damit gar nicht umgehen.

Und jetzt sagen Sie bloß, Sie mochten George W. Bush lieber, mit dem Sie erbittert über den Irakkrieg stritten.
Mit Bush hatte ich meine politischen Schwierigkeiten, klar. Der Irakkrieg war ein verheerender Fehler, unter dem die Welt bis heute leidet. Aber persönlich ist er ein ausgesprochen angenehmer Mensch und ein feiner, unprätentiöser Kerl.

Über Ihr schwieriges Verhältnis zu Bush wurde viel geschrieben. Aber gemessen an Merkel hatten Sie es gut, oder?
Das Verhalten von Trump gegenüber Merkel ist unmöglich. Ein Vorgang ist mir in bleibender Erinnerung: Als die beiden sich das erste Mal im Weißen Haus begegneten, hat Trump ihr nicht die Hand gegeben. Darüber hat sich damals die inzwischen verstorbene Mutter von Frau Merkel öffentlich empört – völlig zu Recht. „So geht man mit meiner Tochter nicht um“, war ihr Reflex. 

Blair, Clinton, Schröder: Zu Ihrer Zeit war die westliche Welt einige Jahre sozialdemokratisch regiert. Davon sind wir weit weg. Kommt das wieder?
Das ist meine Hoffnung. Und die stirbt bekanntlich zuletzt. Nun essen wir aber die Currywurst. Guten Appetit!

Dieser Text stammt aus der August-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

 

 

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