Streitgespräch mit Weltärztepräsident Montgomery - „Nach der Pandemie ist vor der Pandemie“

Frank Ulrich Montgomery meldet sich in der Corona-Pandemie als Weltärztepräsident oft zu Wort. Einige seiner Äußerungen stellten sich später als falsch heraus. Dafür kritisierte ihn „Cicero“-Chefredakteur Christoph Schwennicke. Zeit für ein Streitgespräch.

Weltärztepräsident Montgomery / dpa
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Herr Montgomery, ich habe einen kritischen Artikel in Cicero über Sie und Ihre frühen kritischen Äußerungen zu Corona und den Masken geschrieben, und nach Lektüre hatten Sie offenbar das Bedürfnis, ein Hühnchen mit mir zu rupfen. Legen Sie los!

Frank Montgomery: Ich habe den Artikel mit Erstaunen gelesen. Ich finde ihn schlecht recherchiert, sonst hätten Sie gewusst, dass sich meine Äußerungen damals mit Äußerungen von Herrn Wieler vom Robert-Koch-Institut gedeckt haben. Und meine Kritik zielte auf Herrn Söder ab, den bayrischen Ministerpräsidenten, der ein Bußgeld gegen Leute ohne Textil vor der Nase verhängen wollte, weil er keine FFP2-Masken zur Verfügung stellen konnte. Die damalige wissenschaftliche Literatur, die damalige muss man betonen, die Covid noch gar nicht kannte, machte völlig klar, dass die FFP2-Maske dem feuchten Lappen, so nenn ich das jetzt mal, weit überlegen war.

Frank Ulrich Montgomery über Corona
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Das hat doch auch nie jemand bestritten. Aber weil Sie auf Herrn Wieler Bezug nehmen: Der hatte nie abschätzig vom „Gesichtslappen“ gesprochen, wie Sie das getan haben. Sie sind rhetorisch wesentlich weiter gegangen und haben auf wackeliger wissenschaftlicher Basis sehr apodiktisch formuliert. Dass der Lappen am Ende sogar schädlich sein kann. Da muss ich schon sagen: Bei einer vermuteten Kompetenz eines Experten wie Ihnen finde ich das unverantwortlich. Das sagt ja nicht irgendein Laie auf einer Anti-Masken-Demo, sondern der Weltärztepräsident. Laien auf der Demo können von mir aus steilen Unsinn erzählen, aber Sie als Funktionär nicht. Das macht doch in der Wirkung einen kolossalen Unterschied, wenn jemand wie Sie da derart in den Farbtopf greift und die Maskenmuffel mit Argumenten eines vermuteten Fachmanns versorgt.

Da bin ich anderer Meinung als Sie. Erstens war die damalige Datenbasis nicht wacklig. Deswegen habe ich auch kein Problem gehabt, mich zu korrigieren, als die Studien aus Korea und den USA vorlagen, die ergaben, dass schon der einfachste Stoffvorhang vor dem Gesicht etwa 85 Prozent der ausgeatmeten Aerosole vermindert. Das waren dann neue wissenschaftliche Erkenntnisse, die es so vorher nicht gab. So ist Wissenschaft. Was die Sprache angeht, da haben Sie recht, das ist aber nun mal so, wenn Sie sich im politischen Raum bewegen. Da redet man griffiger als ein Beamter, der in Abhängigkeiten des Ministeriums steht. Übrigens, wo wäre Ihr Berufsstand ohne diese Möglichkeit?

Das stimmt. Aber es macht doch einen Unterschied: Ja, Journalisten spitzen auch zu und irren ganz oft, schreiben manchmal hanebüchenen Blödsinn, ich bestimmt auch. Nur: Journalisten sind Universaldilettanten, das geht mit dem Beruf einher, wir haben daher einerseits die Sorgfaltspflicht, es gibt aber auch mildernde Umstände - wegen der Notwendigkeit des Universaldilettantismus. Sie aber werden als Fachmann wahrgenommen. Ihr Wort hat da mehr Gewicht. Denn Ihr Titel klingt so gewichtig, Weltärztepräsident, das kommt ja gleich nach Papst. Da müssen Rhetorik und Grundlage in einem verantwortlichen Verhältnis stehen. Die Leute hängen in Sachen Corona anders an Ihren Lippen als an meinen.

Seh‘ ich nicht so, ich habe auch viel Kritik erfahren. Sie müssen aber in meiner Position die Gabe haben, das ist auch die Fähigkeit von Christian Drosten, schwierige wissenschaftliche oder politische Sachverhalte in einfache und verständliche Sprache so zu übersetzen (lacht), dass auch ein universaldilettantischer Journalist es versteht. Das mache ich. Dass einem das dann manchmal auch entgleiten kann, will ich gar nicht abstreiten. Aber das ist überall in der Politik so.

Ich glaube, damit haben wir unseren Strauß in der Maskenfrage ausgefochten. Springen wir ins Hier und Heute: Werden Sie sich impfen lassen, wenn Sie an der Reihe sind? 

Ja, wenn ich an der Reihe bin. Aber ich würde das auch morgen machen, wenn es mir jemand anböte. Ich habe keinerlei Angst vor dieser Impfung. Vor allem, wenn sie die reguläre Zulassung der Europäischen Impfbehörde hat, was ja jetzt der Fall ist.

 

Es hätte schneller gehen können, wie anderswo.

Ich war immer gegen Notfallzulassungen und bleibe dabei auch. Aus zwei Gründen: Bei den Notfallzulassungen wird ungeprüft das übernommen, was der Hersteller einreicht. Und die Haftung geht vom Produzenten auf den Staat über. Bei der bedingten Zulassung wird geprüft, und die EMA hat das wirklich toll gemacht. Sie hat sich nicht die komplette Akte am Schluss geben lassen, sondern in einem Rolling-Review-Verfahren parallel immer Teile dieser Studien geprüft. Sodass sie zu einem qualifizierten Votum kommen. Deshalb habe ich kein Problem, mich impfen zu lassen, allerdings, wenn ich dran bin, Ich bin etwas dickleibig und 68, also Gruppe 3.

Von wann an rechnen Sie wieder mit einem einigermaßen normalen Leben für uns alle?

Eine ganz einfache Rechnung: Wir haben im Moment etwa 40 Prozent Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen oder unsicher sind. 60 Prozent lassen sich also impfen. Es gibt aber auch zehn Prozent Impfversager, dann haben wir am Ende des Jahres noch 38 Millionen, die nicht immun sind. Das ist immer noch sehr viel. Ich kann Ihnen daher kein Enddatum sagen. Aber es wird noch lange, lange dauern. Und gerade diese aktuelle Entwicklung mit den Mutationen kann für uns möglicherweise die Lehre bereithalten: Nach der Pandemie ist vor der Pandemie. Deshalb glaube ich, unser ganz normales Leben so wie früher, in dem ich in einem Jahr dreimal um die Welt gedüst bin, das wird so gar nicht mehr wiederkommen.

Jetzt klingen Sie schlimmer als Karl Lauterbach.

Karl Lauterbach versteht viel von der Sache und lag in den letzten Monaten mit praktisch allem richtig.

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