Corona-Pandemie - Beginn der vierten Welle

Das Robert-Koch-Institut spricht vom Beginn der vierten Corona-Welle. Die Sieben-Tage-Inzidenz steigt weiter und liegt jetzt bei 48,8. Für vollständig Geimpfte stufen die Forscher die insgesamt hohe Infektionsgefahr aber als moderat ein.

Intensivpflegerinnen versorgen einen an Covid-19 erkrankten Patienten auf der Intensivstation / dpa
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Nach Einschätzung des Robert Koch-Instituts (RKI) hat in Deutschland die vierte Welle der Corona-Pandemie begonnen. Der Anteil der positiven Proben unter den PCR-Tests in Laboren sei binnen einer Woche bis Mitte August von vier auf sechs Prozent gestiegen, heißt es im jüngsten Wochenbericht des Instituts vom Donnerstagabend.

Datengrundlage ist rund eine halbe Million Tests aus fast 200 Laboren. Dies lässt sich unter anderem auf die rasche Ausbreitung der Delta-Variante zurückführen, welche diesen Sommer dominiert — inzwischen zu 99 Prozent. Doch anders als noch im Sommer 2020 können jetzt Impfungen aller Menschen von zwölf Jahren an vor Covid-19-Infektionen schützen. Eine Gefährdung für die Gesundheit der noch nicht oder erst einmal geimpften Bundesbürger wird vom RKI insgesamt weiterhin als hoch eingeschätzt, für vollständig Geimpfte stufen die Forscher sie als moderat ein.

Bereits seit Anfang Juli komme es hierzulande wieder zu einem Anstieg der Inzidenzen vor allem in den Altersgruppen der Zehn- bis 49-Jährigen, heißt es in der Analyse. In Kitas und Schulen lägen Ausbrüche bis Mitte August jedoch noch auf einem niedrigen Niveau. Es sei jedoch mit einigen Nachmeldungen zu rechnen, da in einigen Bundesländern noch Ferien sind. Bereits jetzt ist jedoch bekannt, dass sich ein Teil der Betroffenen in Urlaubsländern angesteckt hat, zum Beispiel in der Türkei oder in Spanien. Kinder, die sich besonders durch die Verbreitung der Delta-Variante häufiger infizierten, sind jedoch weiterhin deutlich stärker von schweren Covid-19-Verläufen verschont.

Kindliches Immunsystem offenbar stärker gegen schwere Covid-19-Verläufe aktiv

Eine Erklärung für dieses Phänomen fanden nun Wissenschaftler am Berlin Institute of Health (BIH), der Charité, des Universitätsklinikums Leipzig und des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg. In der Fachzeitschrift Nature Biotechnology berichteten diese über Besonderheiten im Immunsystem und in den Nasenschleimhäuten von Kindern.

So ist das Immunsystem von Kindern in den oberen Atemwegen stärker aktiv als bei Erwachsenen. In den Nasenschleimhäuten von Kindern seien deutlich mehr antivirale Immunzellen aktiv, welche bei Erwachsenen nach der Reaktion auf eine Infektion kaum vorkämen und erst nachgebildet werden müssen, fanden die Wissenschaftler heraus. Jüngst hat die Ständige Impfkommission (Stiko) eine Empfehlung für Impfungen der Zwölf- bis 17-Jährigen ausgesprochen.

Weiterer Anstieg der Infektionszahlen

Insgesamt haben derzeit rund 64 Prozent der Bundesbürger mindestens eine Impfung gegen Covid-19 bekommen. Mehr als 58 Prozent wurden bereits vollständig gegen das Sars-CoV-2-Virus immunisiert. Wünschenswert für ein Ausbremsen der Pandemie sind Impfquoten von 85 Prozent und mehr. Deshalb bleiben nach Einschätzung des RKI weiterhin das Einhalten der Corona-Regeln wie Masketragen und Abstandhalten ebenso wie das Testen wichtig.

Der neue Anstieg der Inzidenzen hat Folgen. Die Einweisung von Covid-Patienten in Kliniken nimmt wieder zu, heißt es im RKI-Bericht. Befanden sich die Zahlen bisher noch auf niedrigem Niveau, stiegen sie nun aber sichtbar wieder an. Auch hier sei mit Nachübermittlungen zu rechnen, weil Covid-Patienten häufig erst ein bis zwei Wochen nach der Diagnose in ein Krankenhaus kämen — zumeist mit schweren Atemwegsinfekten. Dazu kommt, dass der Wochenbericht des RKI zeitversetzt erscheint und sich so die meisten Ergebnisse in der jüngsten Analyse auf Daten aus der ersten Augustwoche beziehen.

Corona-Auffrisch-Impfung für alle?

Im Herbst werden Auffrisch-Impfungen in Deutschland für besonders gefährdete Menschen geplant. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erwägt jedoch, allen Bürgern eine Auffrisch-Impfung anzubieten. Die Länder starteten jetzt schrittweise mit den sogenannten Booster-Impfungen in den Pflegeeinrichtungen und für besonders gefährdete Menschen, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Zudem könnten sich diejenigen noch einmal impfen lassen, die bislang nur Vektorimpfstoffe dazu zählt etwa Astrazeneca bekommen hätten.

In einem zweiten Schritt könnte Spahn zufolge dann darüber nachgedacht werden, auch allen anderen eine Auffrisch-Impfung anzubieten. Seine Erklärung zu diesem Schritt ist: „Eine Booster-Impfung ist von den Zulassungen gedeckt, sie verstärkt und verlängert den Impfschutz.“ Auch sei Impfstoff ausreichend vorhanden. Zur Forderung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), vor einer dritten Impfung zunächst die ärmeren Staaten mit Impfstoff zu versorgen, sagte Spahn, sein Ziel sei es, Auffrisch-Impfungen zu gewährleisten und zugleich den ärmeren Staaten Impfstoff zu spenden. Letzteres tue Deutschland bereits, indem alle noch ausstehenden Astrazeneca-Lieferungen direkt an die internationale Impfstoffinitiative Covax gingen.

Dem Virologen Christian Drosten zufolge ist für den Großteil der Geimpften im Herbst keine Auffrisch-Impfung gegen Sars-CoV-2 nötig, da die Schutzwirkung der Corona-Vakzinen viel besser sei als etwa bei den Influenza-Impfstoffen. Bei älteren Menschen sowie bei bestimmten Risikopatienten hält Drosten eine Auffrisch-Impfung in diesem Herbst jedoch für sinnvoll.

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hingegen sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, Impfdurchbrüche gebe es unabhängig vom verwendeten Impfstoff. So steige das Risiko, sich zu infizieren, sechs Monate nach Impfung an. Einer neuen Studie zufolge komme es bei 19 Prozent der Menschen mit Impfdurchbrüchen zu einem Long-Covid-Problem und zudem seien diejenigen, die sich nach einem Impfdurchbruch infizieren, genauso ansteckend wie Ungeimpfte, wenn auch nicht so lange. Weitere Studien gehen Lauterbach zufolge außerdem davon aus, dass die Wirkung der Impfstoffe nach einer dritten Impfung wesentlich verlängert werde. „Der Schutz wird nicht dauerhaft sein, aber doch deutlich länger als ein halbes Jahr.“

dpa / Cicero

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