Corona-Leugner und -Verharmloser - Versteht ihr es nun endlich?

Der „schwedische Weg“ ist offenbar gescheitert. Ein Maskenverweigerer der AfD liegt im Krankenhaus. In sächsischen Kliniken droht die Triage. Was braucht es eigentlich noch, um zu erkennen: Dieses Virus ist nicht harmlos und der Kampf dagegen keine Verschwörung?

Gegendemonstranten einer „Querdenker“-Demo in Aurich / dpa
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Marko Northe hat die Onlineredaktion von cicero.de geleitet. Zuvor war er Teamleiter Online im ARD-Hauptstadtstudio und Redakteur bei der "Welt". Studium in Bonn, Genf und Berlin sowie am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. 

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Es kommt nicht jeden Tag vor, dass ein Staatsoberhaupt in aller Öffentlichkeit einen solch selbstkritischen Satz sagt: „Ich glaube, wir haben versagt.“ Der schwedische König Carl XVI. Gustaf sagt es, und zwar in einer Weihnachtsansprache, die er nun aufzeichnen ließ. 

Monatelang stritten die Geister, fachkundige Wissenschaftler, Laien und auch Journalisten, ob der „schwedische Weg“, wie er genannt wird, der richtige sei, um durch diese Jahrhundertpandemie zu kommen. „Schwedisch“ hieß hier vor allem: Alles laufen lassen, alles offen lassen, keine Maskenpflicht, das Land setzte auf Freiwilligkeit.

Nun meldet Schweden die höchste Sterblichkeit innerhalb eines Monats seit der Spanischen Grippe im Jahr 1918. 50 Prozent der Todesfälle fanden nach Schätzungen in Pflege- und Altersheimen statt. Die sogenannten Risikogruppen zu schützen, auch das ist in dem skandinavischen Bilderbuchland nicht geglückt.

Auch in Deutschland sieht es nicht rosig aus

Natürlich ist das Virus für alle gleichermaßen neu. Und erst nach der Pandemie wird sich zeigen, welche Strategie tatsächlich erfolgreich war und welche nicht. Auch in Deutschland sieht es derzeit nicht besonders rosig aus. In Sachsen stehen Mediziner offenbar kurz vor der Triage, sie müssen also möglicherweise bald entscheiden, ob ein Patient überhaupt behandelt wird oder ob man ihn nach Hause schickt - im schlimmsten Fall zum Sterben.

Es soll hier nicht die Frage sein, wer die besseren Maßnahmen getroffen hat. Vielmehr ist es der persönliche Umgang mit dem Virus, den jeder für sich einmal hinterfragen sollte. Thomas Seitz, Bundestagsabgeordneter der AfD stand vor ein paar Wochen am Rednerpult des Parlaments. Er hatte eine löchrige Mund-Nasen-Maske dabei, die natürlich keinen Zweck erfüllte. Eine Provokation, auf die Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth sogleich einging. Sie forderte ihn auf, eine funktionstüchtige Maske zu benutzen, die sie ihm anbot. Es ging dann hin und her, weil er sich weigerte, sie letztlich doch annahm und Roth fragte, ob er nun diesen „Maulkorb“ tragen müsse. 

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Seitz ist derzeit im Krankenhaus, erkrankt an Covid-19. Sein Parteikollege Harald Hänisch ist tot, mutmaßlich ebenfalls wegen einer Corona-Infektion. Hänisch war zuletzt in Leipzig auf einer Querdenker-Demo mitmarschiert. 

Das politisierte Virus

Aber es sind nicht nur die AfDler, die ignorant und unbelehrbar das Coronavirus verharmlosen. In den deutschen Innenstädten war am Montag und Dienstag noch einmal großer Schlussverkauf, bevor es in den Lockdown ging. Die Kaufhäuser und Einkaufsstraßen voll, Schlangen an Glühweinständen, ein Wirtschaftsminister, der zum Shopping animiert, ein Ministerpräsident, der lokales Kaufen propagiert. Man wird sehen, ob diese beiden Tage in einigen Wochen als Superspreader-Events gelten werden. Man wird sehen, ob die Zahlen dann noch einmal ansteigen und sich der Lockdown noch länger hinziehen wird. Die Leichtfertigkeit im Umgang mit dem Virus hatte bislang immer ihren Preis.

Ein großes Problem dieser Pandemie ist, dass sie sofort von einzelnen Gruppierungen und „Querdenkern“ politisiert wurde, um sie für sich und die eigene Aufmerksamkeitsökonomie auszunutzen. Diesen Gruppen fällt das Ganze zwar derzeit auf die Füße, aber anscheinend sind sie so sehr in der eigenen ideologischen Sichtweise gefangen, dass nicht einmal die eigene oder die Erkrankung eines Mitstreiters zur Einsicht führt.

Ist es wirklich so schwer?

Dabei wäre es nicht viel verlangt, ein paar Maßnahmen einzuhalten, um die Lage für alle zu entspannen: Maske tragen, Abstand halten, Hände waschen. Das ist keine politische Agenda, sondern Höflichkeit, Rücksichtnahme und Demut. Demut davor, dass man selbst nicht der Experte, der Virologe, der Epidemiologe ist, sondern ein verantwortungsvoller Bürger, der nicht Schuld daran sein will, dass andere Menschen erkranken, sterben oder ihre Existenz verlieren, weil man den Lockdown unnötig in die Länge zieht. 

Und ja, es infizieren sich auch Menschen, die sich an die Regeln halten – der französische Präsident Macron gilt nun nicht gerade als Corona-Leugner, hat sich das Virus aber ebenso eingefangen wie Donald Trump. Dennoch kann man mit wenigen Mitteln zumindest versuchen, Corona Einhalt zu gebieten. Warum ist das so schwer einzusehen?

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