Cicero im Mai - Grüner Nebel

Während sich die Union selbst zerfleischte, rutschte Annalena Baerbock reibungslos in die Grüne Pole-Position. Mittlerweile ist es nicht auszuschließen, dass sie es sogar bis ins Kanzleramt schafft. Höchste Zeit, die Partei dem Realitätscheck zu unterziehen.

Cicero im Mai: Die Grünen-Vorsitzenden Habeck und Baerbock vor dem Kanzleramt / Michael Pleesz
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Es wirkte wie eine Aufführung mit vertauschten Rollen: Während Bündnis 90/Die Grünen ihre Kanzlerkandidatin präsentierten, als ob deren Kür eine Art meditativer Selbstfindungsprozess vorangegangen sei, waren CDU und CSU noch in erbitterte Grabenkämpfe verstrickt. Und nachdem sie sich schließlich mit Hängen und Würgen und ohne große Euphorie dann doch auf Armin Laschet geeinigt hatten, durfte Annalena Baerbock es sich bereits im strahlenden Glanz medialen Wohlwollens bequem machen. Die Unionsparteien, einst für ihre geschmeidige Spitzenpersonalpolitik gleichermaßen bespöttelt wie gefürchtet, taten sich nach 16 zuletzt bleischweren Merkel-Jahren erkennbar schwer mit einer Nachfolgelösung.

Die Grünen, so viel steht fest, überlassen auf ihrem Weg zur Macht, der sogar bis ins Kanzleramt führen könnte, nichts mehr dem Zufall. Ihr Polit-Management haben sie in einer Weise professionalisiert, dass die C-Konkurrenz nur noch staunend neben der Überholspur zu stehen scheint. Und überhaupt: Auch ohne Regierungsverantwortung tragen zu müssen, haben die einstigen Ökopaxe dem Land längst ihren Stempel aufgedrückt. Ob Atomausstieg, Homo-Ehe oder Quotenregelungen: Die bündnisgrüne Agenda bestimmt seit Jahren das Grundrauschen deutscher Politik. Ist es da nicht konsequent, dass diese Partei auch im Bund an den Kabinettstisch zurückkehrt?

Grüne im Realitätscheck

Kaum vorstellbar, dass ihr das nicht gelingen sollte. Realistisch gesehen, wird nach der Bundestagswahl eine Regierung nur mit Beteiligung der Grünen möglich sein. Doch was bedeutet das? Allein schon ein Blick ins Wahlprogramm macht deutlich, dass die Partei einen fundamentalen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft anstrebt. Da dürften sich dann einige ihrer Wählerinnen und Wähler noch verwundert die Augen reiben. Höchste Zeit also, die Grünen nicht nur durch die rosarote Brille zu betrachten, sondern sie einem Realitätscheck zu unterziehen. Wir haben es in dieser Ausgabe getan. Weil es nämlich im politischen Wettbewerb nicht nur um den schönen Schein gehen sollte. Sondern um Fakten.

Und hinter dem grünen Nebel eröffnet sich da eine teilweise tiefrote Welt, in der staatlicher Dirigismus, Steuererhöhungen, Verbote aller Art und die Vergemeinschaftung von Schulden an oberster Stelle stehen. Quoten sowieso. Die Grünen waren einst auch eine in vielerlei Hinsicht freiheitlich gesinnte Partei. Viel scheint davon nicht mehr übrig zu sein.

 

Dieser Text stammt aus der Mai-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.
 

 

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