Cicero im Februar - Das Prinzip Greta

Ob Greta Thunberg und „Fridays for Future“ oder die Twitter-Diplomatie von Donald Trump – immer häufiger geben Kinder oder kindliche Verhaltensweisen den Ton in der Politik an. Und die Politiker hören mit eingezogenem Kopf zu. Von den Konsequenzen lesen Sie in der Februar-Ausgabe von „Cicero“

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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Es gab eine Zeit, da kamen die Kinder einmal im Jahr ins Zentrum der Macht. Die Bundeskanzlerin und all ihre Vorgänger empfingen die Sternsinger und fanden für die jungen Besucher freundliche Worte. Es gab eine Zeit, in der Politiker Kindern gesagt haben, was diesem oder jenem kindlichen Wunsch im Wege steht. Wie im Frühsommer 2015, als Angela Merkel einem weinenden palästinensischen Mädchen in Rostock die Grenzen deutscher Flüchtlingspolitik erklärte.

Inzwischen geben die Kinder den Ton an. Und die Politik hört mit eingezogenem Kopf zu. Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg schmettert den Vereinten Nationen in New York mit wutverzerrtem Gesicht ein „How dare you?“ entgegen. Die deutsche Galionsfigur der Fridays-for-Future-Bewegung, Luisa Neubauer, lässt den Siemens-Chef Joe Kaeser mit dessen absurdem Angebot auflaufen, in den Aufsichtsrat des Weltunternehmens aufgenommen zu werden. Und es ist nicht so lange her, als ein blauhaariger Blogger namens Rezo mit einem Youtube-Video die CDU das Fürchten gelehrt hat.

Mit der Infantilisierung der Politik geht eine Infantilisierung der Politiker einher. Die USA werden von einem Präsidenten regiert, der über Twitter komplexe Sachverhalte mit Zwei-Wort-Sätzen („so bad!“, „so sad!“) kommentiert und in seinem ganzen Gebaren an ein Kleinkind an der Quengeltheke erinnert.

Unser Autor Norbert Bolz geht dem Phänomen der regredierenden Politik auf den Grund, sucht die Ursachen und benennt die Folgen. Der Kinderpsychiater Michael Winterhoff erkennt in den regressiven Erwachsenen eine Begleiterscheinung der Wohlstandsgesellschaft. Es sei „wie bei einem Kleinkind: Wenn es nicht von seiner Mutter entwöhnt wird, verlangt es noch mit fünf Jahren nach der Brust“.

Vielleicht hat das alles auch mit einer grassierenden politischen Gefühligkeit zu tun. „Das Herz bäumt sich schneller auf als der Verstand“, sagt Oscar Wilde, und die Liebe für die Leidenden sei „bequemer als die Liebe zum Nachdenken“. Kinder und Heranwachsende sollen gern ein heißes Herz haben und es jederzeit ausschütten. Aufgabe der Politik aber muss die Anstrengung bleiben, dem heißen Herzen einen kühlen Verstand zur Seite zu stellen. Alles andere ist unverantwortlich, wohlfeil, anbiedernd. Und lächerlich.

Dieser Text ist in der Februar-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

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