Mögliche Koalition zwischen CDU und AfD - Lose-Lose-Situation

In der Debatte um eine mögliche Zusammenarbeit mit der AfD steht die CDU mit dem Rücken zur Wand, möchte sie nicht jede Glaubwürdigkeit verlieren. Nun schaltet sich SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil ein – aus fadenscheinigen Gründen. Von Alexander Grau

Mit der AfD möchte die CDU nicht zu tun haben - noch nicht/ picture alliance
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Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Moralische Empfehlung des politischen Gegners sind das Arsen des politischen Diskurses. Klug dosiert treiben sie die politische Konkurrenz in das ewige Siechtum. Und der Giftmischer selbst steht als moralischer Biedermann da, der schließlich nur das Beste gewollt hat für das Land, die Demokratie oder wen auch immer.

So gesehen, ist die Aufforderung des SPD-Generalsekretärs Lars Klingbeil, die CDU möge auf ihrem bevorstehenden Bundesparteitag einen Beschluss fassen, der jede Zusammenarbeit mit der AfD verbietet, ein taktisch wohlkalkulierter Schachzug.
Die Einladung zum Giftanschlag kam allerdings von der CDU selbst. Es war Christian Hartmann, seines Zeichens neu gewählter Fraktionschef der CDU in Sachsen, der das Fass aufmachte und in einem Interview mit dem MDR eine künftige Koalition mit den AfD nicht ausschloss. CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer reagierte umgehend, ebenso wie Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff, der vor einem politischen Selbstmord warnte.

Politstrategisches Harakiri

Und tatsächlich: Auf den ersten Blick steht die CDU vor einer Lose-Lose-Situation. Schließt sie die Zusammenarbeit mit der AfD nicht aus, öffnet sie die Flanke und liefert sich freiwillig dem geballten Kampf-gegen-Rechts-Shitstorm der selbsternannten Demokratieverteidiger aus. Folgt sie hingegen der vergifteten Empfehlung Klingbeils, hat die CDU auf absehbare Zeit nur eine Machtoption: ein Bündnis mit linken Parteien. Das ist mehr als unattraktiv. Das wäre der sichere Niedergang für die Union.

Man kann es drehen und wenden, wie mal will: Die CDU kann ein Bündnis mit der AfD aus offensichtlichen Gründen nicht ausschließen. Es wäre politstrategisches Harakiri. Zum einen, weil sie auf absehbare Zeit nur zwischen SPD und Grünen als Koalitionspartner wählen könnte. Zum anderen, weil sie ihren ehemaligen Wählern – denn ein erheblicher Teil der AfD-Wähler sind nun einmal frustrierte CDU-Wähler – ein deutliches Lebewohl hinterherschleudern würde. Wenn die CDU aber tatsächlich Wähler von der AfD zurückholen möchte, wäre das der falsche Weg.

Der Untergang als Alternative

Mitleid angesichts dieser verfahrenen Situation träfe allerdings den Falschen. Denn auch die CDU war über Jahrzehnte nicht zimperlich, wenn es darum ging, die SPD in vergleichbare Situationen zu manövrieren. Man denke nur an die entsprechenden Warnungen der CDU an die SPD zu Beginn der 80er Jahre, sich ja nicht durch die Grünen tolerieren zu lassen oder gar mit ihnen zu koalieren. Und auch die Rote-Socke-Kampagne, mit der die Union 1994 und noch einmal 1998 vor einem Bündnis von SPD und damaliger PDS warnte, ist noch in guter Erinnerung.

Gerade deshalb aber sollte die CDU aus dem damaligen Herumeiern der Sozialdemokraten lernen. Diese waren damals in einer ähnlichen Lage, als ihnen eine unliebsame, radikalere Konkurrenz im eigenen Lager erwuchs. Jedem, der damals bis drei zählen konnte, war klar, dass die Sozialdemokraten mittelfristig keine andere erfolgversprechende Option hatten als ein Linksbündnis mit Grünen und Linkspartei, sollte es für Rot-Grün nicht reichen. Doch die SPD entschied sich anders und wählte den Untergang in der großen Koalition. Es verwundert nicht, dass viele in der CDU nicht willens sind, diesen Fehler der Sozialdemokraten zu kopieren. Wer sich machtoptional langfristig an den politischen Gegner bindet, verliert jede programmatische Kontur und Glaubwürdigkeit.

Der linke Traum vom Ende des Konservatismus 

Doch es geht nicht nur um das Fortbestehen der CDU als Volkspartei. Im Kern geht es um das Überleben des Konservativismus als politische Option. Denn der SPD und ihren Claqueuren geht es in ihrem scheinheiligen Appell nicht um das Seelenheil der Union, sondern vor allem darum, die CDU weiter nach links zu ziehen. Die AfD würde sich unter diesen Bedingungen weiter radikalisieren. Es gäbe dann keine realistische Machtoption mehr rechts von Rot-Grün. Der Konservativismus als bürgerliche politische Bewegung wäre eliminiert. Ein Traum jedes Linken wäre wahr geworden.
Doch eine parlamentarische Demokratie funktioniert ohne ein konservatives Moment genauso wenig wie ohne ein progressives. Schon aus diesem demokratietheoretischen Grund wäre die CDU gut beraten, ein liberalkonservativ-nationalkonservatives Bündnis eben nicht kategorisch auszuschließen.
 

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