CDU - Nicht nur ein Achselzucken für die AfD

Annegret Kramp-Karrenbauer kritisiert Friedrich Merz heftig für seine Aussage, die CDU hätte den Erfolg der AfD „mit einem Achselzucken“ hingenommen. Dabei bezeichnete ein Aufsatz von Angela Merkels Hausdemoskopen Matthias Jung die AfD schon 2015 als „Segen für die Union“

Friedrich Merz und Annegret Kramp-Karrenabauer: Achselzucken und Segen / picture alliance
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Selten hat ein Achselzucken so viel Streit ausgelöst. Im Interview der Woche im Deutschlandfunk sagte Friedrich Merz, einer der aussichtsreichen Kandidaten für den CDU-Parteivorsitz: Seine Partei habe die Wahlerfolge der AfD in Bund und Ländern mit „einem - ich will jetzt mal etwas zugespitzt sagen - Achselzucken“ zur Kenntnis genommen. Seine Kontrahentin Annegret Kramp-Karrenbauer konterte in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung sofort: „Solche Behauptungen sind ein Schlag ins Gesicht für alle in der CDU, die vor Ort und in den Parlamenten seit Jahren gegen ständige Falschinformationen, gegen gezielte Vergiftungen des politischen Klimas, gegen Anfeindungen sowie gegen, in Teilen offene Hetze durch die AfD kämpfen und Tag für Tag in der CDU Haltung zeigen.“ 

Dieser Furor stimmt verwunderlich. Denn schon 2015 war ein Aufsatz von Matthias Jung erschienen mit dem Titel „Die AfD als Chance für die Union“. Jung leitet die Forschungsgruppe Wahlen und gilt spätestens seit seiner Strategie der asymetrischen Demobilisierung als Hausdemoskop von Bundeskanzlerin Angela Merkel. 

AfD mehr Segen als Fluch für die Union

In jenem Aufsatz, der von der CSU-nahen Hanns Seidel-Stiftung publiziert wurde, stehen nun Sätze wie dieser: „Die Etablierung der AfD kann sich [...] als hilfreich für die Verbesserung der Glaubwürdigkeit der Union erweisen“, denn: „Die CDU/CSU ist durch die bloße Existenz der AfD vom latenten Vorwurf befreit, rechts zu sein, was anders als in den meisten europäischen Ländern in Deutschland einen stigmatisierenden Charakter hat.“ Von einer intensiven Beschäftigung mit der AfD und den Gründen für ihren Aufstieg riet Jung deshalb ab. Das würde nur nur zu deren Aufwertung führen. „Ein weitgehendes 'rechts-Liegenlassen' verspricht den größeren Effekt.“ Letztendlich sei ein Aufstieg der AfD „zu begrüßen und könnte im politischen System mehr als Segen denn als Fluch für die Union erweisen“. Die Chancen für parlamentarische Mehrheiten von Rot-Grün oder sogar Rot-Rot-Grün würden sich deutlich verringern. 

Es ist unwahrscheinlich, dass Annegret Kramp-Karrenbauer diesen Aufsatz von einem für die CDU so wichtigen Wahlkampf-Strategen wie Jung nicht kennt. Vieles spricht dafür, dass sie wie ihre Partei den Aufstieg der AfD sogar mit mehr als einem Achselzucken hinnahm.

Anmerkung: In einer früheren Version des Artikels hieß es, Matthias Jung hätte seine Thesen bei einer Strategiesitzung des CDU-Präsidiums im Frühjahr 2016 vorgestellt. Das ist falsch, bei der Recherche ist uns ein Fehler unterlaufen. Wir bitten des Fehlers wegen um Entschuldigung 

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