Lauterbachs Erfolg im Bundesrat - Cannabis wird legal – aber die Diskussion geht weiter

Karl Lauterbach ist der Gewinner der heutigen Bundesratssitzung, in der sein Cannabis-Gesetz nicht aufgehalten wurde. Vom Tisch wird das Thema dennoch so bald nicht sein. Dazu ist das Gesetz zu kritikträchtig.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (2.v.l.) verfolgt die Rede von Michael Kretschmer (r.), Ministerpräsident von Sachsen, im Bundesrat / dpa
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Ferdinand Knauß ist Cicero-Redakteur. Sein Buch „Merkel am Ende. Warum die Methode Angela Merkels nicht mehr in unsere Zeit passt“ ist 2018 im FinanzBuch Verlag erschienen.

 

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Ob die Legalisierung des Konsums und des Besitzes von Cannabis in der Weise, die der Bundesrat heute beschlossen hat, sinnvoll ist, kann man bezweifeln, auch als grundsätzlich eher der Freigabe zugeneigter Beobachter. Über eines jedoch kann es keinen Zweifel geben: Gesundheitsminister Karl Lauterbach ist der große Gewinner des Tages. Ihm dürfte ein großer Stein vom Herzen gefallen sein. Denn das Scheitern des Gesetzes wäre auch und nicht zuletzt seines gewesen. 

Trotz der von vielen im Bundesrat vertretenen Landesregierungen geäußerten, teils grundlegenden Kritik gab es keine Mehrheit dafür, das Gesetz in den Vermittlungsausschuss mit dem Parlament zu schicken und so vorerst auszubremsen. Konkret sorgten sich viele auch um eine Überforderung der Justiz-Bürokratie durch die Rückabwicklung zigtausender Strafverfahren nach der mit dem Gesetz verbundenen rückwirkenden Amnestie.

Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) nannte das Gesetz vor der Abstimmung einen Irrweg. Es stelle die Länder auch vor einen massiven zusätzlichen Verwaltungs- und Vollzugsaufwand. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) kritisierte es noch grundsätzlicher. Bei dem Gesetz könne es nicht um Parteipolitik gehen, sagte er. Es sei eine persönliche Frage, und für ihn sei klar: „Ich werde einer Legalisierung von Drogen unter keinen Umständen zustimmen, auch wenn das Ärger in meiner sächsischen Koalition gibt.“ 

Die sächsischen Stimmen wurden für ungültig erklärt

Den gab es auch: Sein Koalitionspartner und Vize-Ministerpräsident Martin Dulig (SPD) äußerte sich gegen eine Anrufung des Vermittlungsausschusses, und so votierte Sachsen dann uneinheitlich, weshalb die sächsischen Stimmen für ungültig erklärt wurden. Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 2002, als die brandenburgische Regierung uneinheitlich über das damalige Zuwanderungsgesetz abstimmte, müssen die Stimmen aus einem Land einheitlich abgegeben werden, um gültig zu sein. 

 

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Für eine Anrufung des Vermittlungsausschusses stimmten Bayern (CSU/FW), Baden-Württemberg (Grüne/CDU), Brandenburg (SPD/CDU/Grüne) und das Saarland (SPD), die anderen enthielten sich, und Sachsens Stimmen waren, wie gesagt, ungültig. Das reichte nicht, um das Gesetz nachzuverhandeln und sein Inkrafttreten aufzuschieben. 

Der Bundesrat ließ also das vom Bundestag beschlossene Gesetz passieren, mit dem zum 1. April Besitz und Anbau der Droge für Volljährige unter bestimmten Bedingungen für den Eigenkonsum erlaubt werden. Wobei bei dieser Vorgabe „Eigenkonsum“ die Fragwürdigkeiten schon losgehen: 25 Gramm ist die Obergrenze, die man bei sich haben darf, das reicht für mehr als 70 übliche Portionen – und damit wohl auch für die eine oder andere kleine Verkaufstour, die zumindest ein Kleindealer nun ohne die geringste Befürchtung unternehmen kann. Zuhause darf man sogar 50 Gramm und drei lebende Cannabispflanzen besitzen. 

Lauterbachs Schwarzmarkt-Austrocknungsversprechen

Das ist aus kriminalistischer Sicht wohl das größte Manko der nun zum Monatswechsel eintretenden neuen Gesetzeslage: Da es (noch?) keinen legalen Herstellermarkt gibt und die „Anbauvereinigungen“ erstens erst zum 1. Juli legal werden und zweitens eben gerade nicht kommerziell und im großen Umfang Cannabis-Produkte werden verkaufen dürfen, ist kaum vorstellbar, dass eines der Hauptziele des Gesetzes erreicht wird, nämlich das, was Lauterbach auch heute wieder behauptete: „Wir trocknen den Schwarzmarkt aus.“ 

Die Cannabis-Politik der Vergangenheit sei gescheitert, sagte der SPD-Politiker nach der Abstimmung. Lauterbach führte eine Verdoppelung des Konsums bei Kindern und Jugendlichen an, eine Verdopplung der Zahl der Drogentoten. Zudem sei der Schwarzmarkt immer größer geworden. Er rechne damit, dass 75 Prozent des Schwarzmarktes zurückgedrängt werden können. 

Wie soll aber der Schwarzmarkt austrocknen, wenn es keinen flüssigen legalen Markt gibt? Auch die ab Juli legalen Anbauvereine mit bis zu 500 Mitgliedern sollen ja gerade nicht mit ihrem Stoff handeln. Sie sollen ihn nur untereinander abgeben – im Monat höchstens 50 Gramm je Mitglied. Wer tut sich als Gelegenheitskonsument solchen Aufwand schon an? Die meisten „Kiffer“ werden ihr Marihuana oder Haschisch also entweder weiter von Angehörigen der organisierten  Kriminalität beziehen, auf jeden Fall noch bis zum 1. Juli und vermutlich auch noch in absehbarer Zukunft – oder die Anbauvereine werden eben doch zu inoffiziellen Unternehmungen.  

Merz’ Ankündigung

Geradezu wirklichkeitsfremd erscheint auch die Vorgabe, den Cannabis-Konsum zwar in der Öffentlichkeit zuzulassen, ihn aber im Umkreis von 100 Metern vom Eingang von Schulen und Sportstätten zu verbieten, um Minderjährige zu schützen. Zu diesem Zweck hat die Bundesregierung auch entsprechend einer Erklärung, die im Bundesrat zu Protokoll gegeben wurde, mehr Unterstützung bei Aufklärung und Vorbeugung vor allem für Kinder und Jugendliche angekündigt. Aber auch da gilt: Es gibt keine legalisierten Verkäufer, und Kriminelle kümmern sich selten um Vorgaben des Jugendschutzes und der Gesundheitsbehörden.  

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kritisiert das Gesetz unter anderem wegen des Fehlens eines abgestimmten Grenzwerts für das Führen von Fahrzeugen sowie den komplizierten Bedingungen für künftige Kontrollen: „Ab dem 1. April werden unsere Kolleginnen und Kollegen in zahlreiche Konfliktsituationen mit Bürgerinnen und Bürgern geraten“, prognostizierte der der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende, Alexander Poitz. Denn auf allen Seiten gebe es nach wie vor Unsicherheiten. 

Dass das Thema Cannabis nun in politischer Hinsicht abgeräumt ist, kann man wohl kaum annehmen. „Nach einer Regierungsübernahme würde die Union das Gesetz umgehend rückgängig machen“, sagte CDU-Chef Friedrich Merz im Vorfeld der Abstimmung. 

Mit Material von dpa

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