Bundestagswahlkampf - Merkel mischt sich ein

Die Bundeskanzlerin zeigt plötzlich klare Kante gegenüber dem SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz, der sich in Merkel-Pose mit „Raute“ fotografieren lässt. Und distanziert sich von einer Koalition unter Beteiligung der Linken. Da kommt im Unionslager wieder etwas Hoffnung auf.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Bundeskanzleramt / dpa
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Autoreninfo

Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Angela Merkel hat mit etwas für Aufmerksamkeit gesorgt, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist: Die CDU-Kanzlerin hat den Kanzlerkandidaten der SPD kritisiert. Denn der versucht, sich als „nächster Merkel“ zu inszenieren. Diesem Treiben ihres Vizekanzlers Olaf Scholz hat Merkel bisher gelassen, ja geradezu desinteressiert zugeschaut.

Angesichts katastrophaler Umfragewerte hat die Kanzlerin Merkel plötzlich gegenüber dem Mann, der sich als netter Sozi in Merkel-Pose mit „Raute“ fotografieren lässt, klare Kante gezeigt: Zwischen ihr und Scholz gebe es einen „gewaltigen Unterschied“ antwortete sie, als sie von Journalisten auf die Strategie von Scholz angesprochen wurde. Man könnte fast sagen: Angela Merkel macht Wahlkampf für die CDU.

Kalte Wut

In der CDU packt viele die kalte Wut, wenn sie sehen, wie Olaf Scholz so auftritt, als garantiere er die Fortsetzung Merkel‘scher Politik. Doch auf politische Strategien gibt es kein Copyright. Das Erfolgsgeheimnis der nach 16 Jahren aus der Politik ausscheidenden Kanzlerin war recht simpel. Sie vermittelte den Bürgern, alles in der Hand zu haben – unaufgeregt, sachlich und irgendwie über den Parteien schwebend. Es war ja aufschlussreich, wie Merkel, die die CDU 18 Jahre lang als Vorsitzende angeführt hat, kürzlich ihr Verhältnis zur Union beschrieb: „die Partei, die mir nahesteht“.

So distanziert äußert sich der Kanzlerkandidat der SPD nicht gegenüber seiner eigenen Partei. Aber bei seinen Wahlkampfauftritten und vor allem im Fernsehen tut Scholz alles, um nicht allzu sehr mit dem ziemlich linksgestrickten Wahlprogramm der SPD identifiziert zu werden. Er will den Deutschen das geben, was sie in den vergangenen 16 Jahren am Regierungsstil Merkels so sehr geschätzt haben: präsidial das große Ganze zu betonen, statt sich im parteipolitischen Klein-Klein zu verheddern. Das gelingt Scholz recht gut, zumal der kühle Hanseat auch vom Naturell her der Regierungschefin aus Brandenburg nicht unähnlich ist.

Voll des Lobes

So wenig man verhindern kann, dass der politische Gegner Anleihen bei der eigenen Strategie macht, so wenig kann man sich gegen Lob von der falschen Seite wehren. Ständig verweist Scholz auf die gute Zusammenarbeit mit der Kanzlerin, lobt sie in höchsten Tönen. Originalton Scholz: „Merkel schaut auf eine sehr erfolgreiche Kanzlerschaft zurück. Sie hat große Dinge zustande gebracht.“ Der SPD-Mann ist so voll des Lobes auf die CDU-Frau, dass er bisweilen sogar auf den Hinweis verzichtet, die wahren „großen Dinge“ der GroKo habe die SPD mühsam gegen die CDU/CSU durchsetzen müssen.

Die Wahlkämpfer von CDU und CSU verfolgen die Scholz‘schen „Merkeleien“ mit einer Mischung aus Wut und Verzweiflung. Wut, weil der Etikettenschwindel des SPD-Kandidaten beim Wähler offenbar ankommt. Und Verzweiflung, weil sie bisher kein Gegenmittel gegen „Olaf Merkel“ gefunden haben. Der CSU-Vorsitzende Markus Söder und CDU-Vize Volker Bouffier werfen Scholz inzwischen „Erbschleicherei“ vor, was Scholz indes nicht beeindruckt. Warum auch? Die Merkel-Masche funktioniert ja zugunsten der Sozialdemokraten.

Drohender Absturz

Angela Merkel hat sich in diesem Wahlkampf bisher so verhalten, als habe sie mit der ganzen Sache nicht viel zu tun. Beim Wahlkampfauftakt vor gut einer Woche redete sie mehr über die Erfolge ihrer Politik als über ihren potenziellen Nachfolger Armin Laschet. Der drohende Absturz der Union auf 20 Prozent scheint die langjährige CDU-Vorsitzende indes nicht völlig kalt zu lassen.

Das hat sie jetzt beim Thema Rot-Grün-Rot deutlich gemacht: „Mit mir als Bundeskanzlerin würde es nie eine Koalition geben, in der die Linke beteiligt ist. Ob dies von Olaf Scholz geteilt wird oder nicht, bleibt offen.“ Und das Lob von Scholz für ihre Kanzlerschaft konterte sie süffisant, sie freue sich, dass der Vizekanzler anerkenne, „was wir in der Großen Koalition geleistet haben“. Denn in der Vergangenheit habe die SPD nicht immer positiv über die gemeinsame Arbeit gesprochen.

Jubel bei der Union

Merkel gibt Scholz contra. Darüber dürften viele Wahlkämpfer der CDU/CSU innerlich gejubelt haben: „Ihre“ Kanzlerin hilft ihnen gegen die Sozis – und das für Merkels Verhältnisse sogar deutlich. Da kommt im Unionslager nicht nur Freude auf, sondern auch wieder etwas Hoffnung.

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