Bundestagswahl 2021 - Eigentlich müsste die CDU für die Sozis beten

Ob Scholz tatsächlich Kanzler wird, ist angesichts der aktuellen Umfragen höchst fraglich. Ein Wiedererstarken der gebeutelten SPD wäre jedoch im Sinne der Union, die im Falle von Schwarz-Grün mit unbequemen Verhandlungen rechnen muss.

Ein Erstarken der SPD wäre auch im Interesse der Union / dpa
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Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Olaf Scholz „kann Kanzler”, wie ihm allenthalben bescheinigt wird. Aber kann der von der eigenen Partei höchstens respektierte, nie geliebte, sich als „Wumms”-Politiker neu erfindende Finanzminister auch Kanzler werden?

Lassen wir einmal die theoretische Möglichkeit einer absoluten Mehrheit der SPD außer Acht, dann muss die SPD mit dem Kandidaten Scholz bei der Bundestagswahl 2021 unbedingt auf Platz zwei kommen, also stärker werden als die Grünen. Nur dann könnte die SPD die Kanzlerposition beanspruchen, ob bei Rot-Rot-Grün oder in einer Ampel mit der FDP. Sollten die Wähler hingegen die Grünen zur zweitstärksten Fraktion hinter der CDU/CSU machen, hätte Scholz keine Chance. In diesem Fall würden nämlich die Grünen als stärkste Kraft einer linksgrünen Koalition den Regierungschef stellen, wer auch sonst? 

Wiedererstarken der SPD auch im Sinne der Union 

Dass es so nicht kommen möge, dass die Grünen wie früher hinter der SPD landen, hoffen nicht nur die Sozialdemokraten. Auch im Konrad-Adenauer-Haus müsste man eigentlich dafür beten, dass die sehr geschwächte SPD im Herbst 2021 vor den Grünen ins Ziel kommt. Nicht aus Mitleid mit den von der Merkel-Union geschrumpften Sozis, sondern aus reinem Egoismus. Schließlich wären Grüne, die stärker als die SPD sind, für die CDU/CSU ein unbequemer Verhandlungspartner mit Blick auf Schwarz-Grün.

Ohnehin wäre es keine ganz einfache Operation, wenn Grüne und SPD einen gemeinsamen Nenner mit der Linken finden müssten, vor allem in der Außen- und Sicherheitspolitik. Dessen ungeachtet wären die Grünen als zweitstärkste Kraft für die Union ein höchst unbequemer Verhandlungspartner. Wenn einer Partei rechnerisch zwei Optionen offenstehen, kann sie bei Koalitionsverhandlungen ganz anders auftreten und mehr durchsetzen als bei der Alternative Koalition oder Opposition – inhaltlich wie bei der Besetzung von Ämtern.

Schwarz-grüne Koalition für Merkelianer*innen

Unterstellen wir also einmal, in den letzten Umfragen vor der Bundestagswahl 2021 lägen SPD und Grüne gleichauf hinter der CDU. Da würden sie am Wahlabend bei CDU und CSU der SPD kräftig die Daumen drücken, auf dass sie zweitstärkste Fraktion werde.

Die Situation ist paradox: Ein Wiedererstarken der SPD unter Führung ihres Kanzlerkandidaten Scholz könnte für die Union den Weg zu einer schwarz-grünen Koalition, der Traumkonstellation aller Merkelianer*- und Modernisierer*innen, deutlich erleichtern. Womit einmal mehr der Lehrsatz bewiesen würde, wonach in der Politik alles möglich ist – selbst das Gegenteil davon.

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