Black-Lives-Matter-Proteste - Die rassistischen Reflexe der Postkolonialisten

Sie sind weiß? Dann sind Sie Rassist. Das überrascht Sie jetzt? Aber so sehen es Anhänger des Postkolonialismus, einer Ideologie, die weißen Menschen eine Generationenschuld unterstellt und gerne Täter mit Opfern verwechselt.

Gibt es eine koloniale Schuld? / dpa
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Autoreninfo

Judith Sevinç Basad ist Journalistin und lebt in Berlin. Sie studierte Philosophie und Germanistik und volontierte im Feuilleton der NZZ. Als freie Autorin schrieb sie u.a. für FAZ, NZZ und Welt. Sie bloggt mit dem Autoren-Kollektiv „Salonkolumnisten“. 

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Vor kurzem kursierte ein Video auf Twitter, das Aktivisten bei einem Black-Lives-Matter-Protest in Washington, D.C. zeigte. Eine Gruppe von jungen Demonstranten ging dort eine weiße Frau an, die auf der Terrasse eines Restaurants saß, weil sie sich weigerte, ihre Faust – als Zeichen für die Solidarität für Schwarze – in die Luft zu strecken. „White silence is violence!“ brüllte der Mob, der sich um die Frau herum formierte. Einige Teilnehmer schrien der Frau aggressiv ins Gesicht. In einem anderen Video wird eine schwarze Aktivistin gezeigt, die alle Weißen aus dem Mob aufforderte, „einen Schritt nach vorne zu treten“.

Wie kann es sein, dass fast 60 Jahre, nachdem Martin Luther King von einer Welt träumte, in der Hautfarbe keine Rolle spielt, genau das Gegenteil – mit umgekehrten Vorzeichen – passiert?

Die Ideologie des Postkolonialismus

Der Grund liegt in einer Ideologie, vor der sich seit dem Tod von George Floyd kein Feuilleton retten konnte: Der Postkolonialismus oder die Theorie der „weißen Privilegien“. Weiße Menschen würde wegen der Gräuel des Kolonialismus eine Erbsünde in sich tragen, die sie unbewusst zu Rassisten machen würde. Also gibt es nur eine Lösung: Die koloniale Schuld oder „die Privilegien“ müssen den Menschen ausgetrieben werden – indem sie sich demonstrativ für ihre Hautfarbe schämen, ihre „Privilegien ablegen“, die Faust zum solidarischen Gruß in die Höhe strecken oder eben vor Schwarzen auf die Knie gehen. 

Die Annahme, dass Menschen nach Hautfarbe irgendwelche Eigenschaften in sich tragen, denen man sich durch spezielle Handlungen entledigen könne, hört sich nicht nur absurd an, sondern ist ganz offensichtlich rassistisch. Es erstaunt also umso mehr, wie diese Ideologie auch in Deutschland immer häufiger als eine legitime Methode gefeiert wird, um Rassismus zu bekämpfen.  

„Weiße Tränen“ weinen

So veröffentlichte der Deutschlandfunk vor einiger Zeit einen Artikel, in dem weiße Menschen aufgefordert werden, ihre Privilegien abzulegen. Der persönliche Erfolg von Weißen, so heißt es hier, hätte nichts damit zu tun, dass die Personen hart für ihre Ziele gearbeitet hätten. Sie wären vielmehr nur deswegen erfolgreich, weil sie sich auf Kosten der „Nicht-Privilegierten“ bereicherten. Ja noch mehr: „Privilegien“ würden zur „staatlichen Kontrolle einer Bevölkerung genutzt“ werden, um „eine Gruppe der anderen gegenüber“ zu bevorteilen. Die Lösung: Weiße Menschen sollten notfalls „weiße Tränen“ weinen und häufiger den Mund halten. Denn sie seien „auf der Seite, die Gewalt ausübt“ – auf der „Täter*innenseite“ –, weswegen sie eine „Generationenschuld“ fühlten. 

Nun muss man nicht alles ernst nehmen, was im Deutschlandfunk gesendet wird. Aber der rassistische Trend, Menschen aufgrund der Hautfarbe in Ausbeuter und Ausgebeutete einzuteilen, wird auch in Kultur und Politik immer beliebter. 

Dealer als gesellschaftliche Helden

Das konnte man etwa vor ein paar Jahren in Berlin beobachten, wo die Ausstellung „Andere Heimaten – Herkunft und Migrationsrouten von Drogenverkäufern in Berliner Parks“ gezeigt wurde. Im Mittelpunkt der Ausstellung standen afrikanische Drogendealer, die im Görlitzer Park illegale Substanzen wie Marihuana, MDMA oder Speed an Party-Touristen verkaufen. Die Einwanderer wären in Politik und Medien häufig Opfer von „kollektivem Hass“ und Rassismus, hieß es vonseiten der Ausstellung – weswegen man die Dealer als gesellschaftliche Helden darstellte, die trotz „dieser vielfältigen Widerstände“ „unerschrocken und tapfer im öffentlichen Raum“ arbeiteten. 

Hier zeigt sich, dass die postkoloniale Täter-Opfer-Ideologie tatsächlich einer Ideologie entspricht. Denn sie ist nicht nur in der Lage, den Blick auf die Realität zu versperren, sondern scheint Menschen auch dazu zu ermutigen, sich im Namen der sozialen Gerechtigkeit gegen die Bekämpfung von Kriminalität zu stellen.  

Aus reiner Verzweiflung?

Besonders krude wird es jedoch, wenn Vergewaltigungen beschwichtigt werden. Das konnte man nach der Kölner Silvesternacht im Tagesspiegel nachlesen. Zwei Autorinnen behaupteten dort, dass die jungen nordafrikanischen Einwanderer, die damals Frauen ausraubten und sexuell missbrauchten, nur deswegen zu Taschendieben geworden wären, weil sie „keine Perspektive“ für sich sehen und den „Grundbestand der Vorurteile in der deutschen Gesellschaft kennen“ würden.

Auch die Versammlung auf der Domplatte wäre aus reiner Verzweiflung entstanden: Weil sich die Täter den Eintritt in einen Club nicht leisten konnten und sie keine Freunde hätten, „die sie zu einer privaten Party hätten einladen können“. Hohn hatten die Autorinnen indes nur für die Vergewaltigungsopfer übrig: Womöglich seien unter den Klägerinnen auch Frauen gewesen, so heißt es, „die gar nicht Opfer geworden sind, sondern aus politischer Überzeugung der Meinung waren, dass die Täter mit Migrationshintergrund oder die Flüchtlinge, die das Chaos auf der Domplatte für sexuelle Übergriffe ausgenutzt haben, abgeschoben gehören. Das hoffen sie womöglich mit einer Anzeige zu beschleunigen“. 

Täter-Opfer-Umkehr

Vergewaltiger zu diskriminierten Opfern und misshandelte Frauen zu rassistischen Tätern zu erklären, ist eine kognitive Leistung, die wahrlich nicht jeder hinbekommt. Faszinierender ist aber die Menschenverachtung derjenigen, die hier vorgeben, im Namen des Antirassismus zu handeln. Der Postkolonialismus scheint so etwas wie eine Droge zu sein, die den moralischen Kompass in unserer Gesellschaft komplett ausschaltet. Gerade deswegen ist diese Ideologie so gefährlich – vor allem, wenn sie anfängt, sich in den Köpfen von Regierungsmitarbeitern festzusetzen. 

Denn nichts anderes ist geschehen, als das Berliner Parlament das Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) verabschiedete, in dem Polizeibeamte unter Generalverdacht gestellt werden: Kläger können nun ohne Beweise und Prozessrisiko Anzeige wegen Diskriminierung erstatten, während die Beamten ihre Unschuld erst nachweisen müssen. In der Realität bedeutet das: Falls ein Berliner Polizist einen bekannten Drogendealer mit schwarzer Hautfarbe kontrolliert, können die Kriminellen ihm ohne Beweise rassistische Motive unterstellen. Das erschwert nicht nur die Arbeit der Uniformierten. Hier werden schon wieder Täter zu Opfern gemacht – und Kriminalität im Namen der Gleichstellung befeuert. 

Dabei wäre der Weg in eine gerechtere Gesellschaft so einfach: Menschen als Menschen zu behandeln, ohne sie in irgendwelche Schubladen zu stecken. Was ist daran so schwer? 

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