Beherbergungsverbot - „Diese Kurzfristigkeit macht uns das Leben schwer“

Das kürzlich eingeführte Beherbergungsverbot für Touristen aus Risikogebieten steht bereits massiv in der Kritik. Wieder einmal leidet die Hotelbranche, die eine gute Auslastung während der Herbstferien dringend nötig hätte. Ein Usedomer Hotelier fordert vor allem eines: eine bessere Planbarkeit.

Wegen der Beherbergungsverbote bleiben auch in der Herbstsaison viele Hotelzimmer frei / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Johanna Jürgens hospitiert bei Cicero. Sie studiert Publizistik und Literaturwissenschaft an der Freien Universität Berlin. Zuvor arbeitete sie als Redaktionsassistenz beim Inforadio des RBB.

So erreichen Sie Johanna Jürgens:

Anzeige

Rolf Seelige-Steinhoff ist Hotelier auf Usedom. Gemeinsam mit seinem Vater hat er die SEETELHOTELS gegründet, zu denen Ferienwohnungen und Residenzen auf der Insel zählen. 

Herr Seelige-Steinhoff, das Beherbergungsverbot kam für viele sehr überraschend. Wie haben Sie reagiert, als Sie von den neuen Reisebeschränkungen erfahren haben? 

Man hat natürlich immer damit gerechnet, dass etwas passieren muss. Es wurde immer deutlicher, dass Corona für viele schon vorbei zu sein schien, ob das Familienfeiern waren oder große Ansammlungen, darum haben wir schon ein bisschen damit gerechnet. Dass jetzt so Knall auf Fall nicht nur eine, sondern gleich so viele Großstädte als Kerngebiete betroffen sind, war für uns in der Kürze der Zeit dann aber doch überraschend. 

Welche Herausforderungen ergeben sich durch die neuen Corona-Maßnahmen für Sie und Ihre Mitarbeiter? 

Wir haben versucht, mit den Gästen vorab noch Kontakt aufzunehmen. Bei uns waren es jetzt knapp 120 Gäste, die wir am Freitag anrufen mussten. Denn es ist natürlich für uns auch wirtschaftlich ein Desaster, darum sind wir daran interessiert, dass die Gäste einfach zu einem späteren Zeitpunkt kommen. Wenn man die Gäste telefonisch erreicht, hat man da auch eine Chance – wir hatten so eine Quote von 60 bis 70 Prozent an Gästen, die das akzeptiert haben. Aber wir konnten leider aufgrund der Kürze der Zeit nicht jeden erreichen. Die Umsetzung der Beschlüsse war wieder viel zu kurzfristig, da bleibt kaum Reaktionszeit. 

Nicht alle sind so flexibel: In Berlin haben gerade die Herbstferien angefangen, viele wollen und müssen genau jetzt Urlaub machen. Gleichzeitig ist die Stadt ein Risikogebiet, für deren Anwohner nun dieses Verbot gilt. Die Dehoga-Chefin Ingrid Hartges sprach heute bei der Bild von einer Stornierungswelle, können Sie das bestätigen?

Ja. Wir hatten 30-40 Prozent junge Familien aus dem Berliner Raum, die können nicht auf einen Alternativtermin zurückgreifen und haben sofort storniert. Da ist natürlich ein Umsatzausfall da, den wir gar nicht so schnell kompensieren können. Die Herbstferien sind für uns der letzte Peak, den wir noch haben. Der bricht jetzt natürlich ein, gerade weil der Berliner Markt für die Insel Usedom so maßgeblich ist.

Mecklenburg-Vorpommern hat im Ländervergleich die geringsten Infektionszahlen. Können Sie nachvollziehen, dass gerade dort nun besonders strenge Regen erlassen werden?

Mecklenburg-Vorpommern hat in der Corona-Krise bisher sehr konsequent agiert, unter anderem durch das Hygienekonzept, das wir für das Land mit erarbeitet haben. So konnten wir hier trotz der Tourismushochburgen die Infektionszahlen so niedrig halten, das spricht für die Zusammenarbeit der Touristiker, der Gesundheitsämter und der Politik. Wenn man das langfristig planen kann, kann man damit natürlich auch um Ersatzmärkte kümmern. Nur diese Kurzfristigkeit macht uns das Leben schwer.

Die Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern hat noch strengere Regeln erlassen, als andere Bundesländer. Demnach reicht nicht nur ein „Freitest“, Urlauber müssen sich außerdem in eine 14-tägige Quarantäne begeben  oder einen zweiten Test machen. Wie soll das gehen? Ist das für sie überhaupt umsetzbar? Gibt es Gäste, die sich darauf einlassen? 

Wir kommen auf keine fünf Prozent der Gäste, die so etwas mitmachen, die also fünf Tage in Quarantäne bleiben, um dann einen zweiten Test zu machen. Das Problem liegt aber noch woanders: Momentan haben Sie zum Beispiel in Berlin gar nicht mehr die Möglichkeit, schnell genug an Tests zu kommen. Und teilweise kriegen sie einen Test, der dann aber 72 Stunden braucht  – obwohl er für eine Beherbergung maximal 48 Stunden alt sein darf. Man sieht: Die Strukturen, die derzeit vorhanden sind, reichen nicht aus, um den Anforderungen gerecht zu werden, damit man reisen könnte. 

Rolf Seelige-Steinhoff. Bild: seetel-media

Was ist mit den Gästen, die sich bereit erklären, bis zum zweiten Test im Hotelzimmer zu bleiben? Wie kommen die an diesen zweiten Corona-Test?

Wir stimmen uns hier mit den Ärzten ab. Die Zusammenarbeit mit dem Landkreis und den Gesundheitsbehörden ist exzellent, wir haben kurze Wege. Wenn wir so einen Gast haben, dann wird hier organisiert, dass er zum Arzt kommt oder Ärzte ins Haus kommen, um hier die Tests zu machen. 

Können Sie vorab prüfen, ob ein Gast aus einem Risikogebiet kommt? Oder stehen dann plötzlich Gäste aus Risikogebieten bei Ihnen auf der Matte, ohne sich vorher testen lassen zu haben?

Letzteres kommt auch vor, gerade wenn man vorher nicht mit den Gästen in Kontakt war. Wenn wir zum Beispiel Gäste über Reiseveranstalter bekommen, dann haben wir nur einen Namen, weil die Abwicklung dann zum Beispiel über die TUI läuft. Das heißt wir können erst reagieren, wenn wir von denen die vollständige Anschrift bekommen und das ist dann erst, wenn überhaupt, bei der Anreise der Fall. Wir haben dann die Arbeit vor Ort und müssen den Gästen sagen, dass wir sie nicht aufnehmen dürfen. 

Und wer kommt für die Kosten auf? Können Sie nun Stornogebühren verlangen? 

Nein. Wir haben keine Möglichkeit, Stornogebühren zu verlangen. Wir haben versucht, auf Landesebene über das Thema zu diskutieren, auch mit dem LAGUS, dem Landesamt für Gesundheit und Soziales. Wir haben gefragt, ob wir dort Ansprüche geltend machen können und die sind alle rigoros abgelehnt worden mit Verweis auf das Infektionsschutzgesetz. Wir bleiben also auf dem Schaden hängen. Wir haben teilweise auch mit Reiseveranstaltern Probleme gehabt, die einen Gast vermittelt und ihre Provision eingefordert haben, selbst wenn der Gast nicht beherbergt werden durfte. Also die großen Leidtragenden am Ende sind wir. 

Können Sie die wegbrechenden Umsätze irgendwie abfedern?

Bei einer Stornierungswelle wie dieser haben wir gar nicht die Möglichkeit, auf die Schnelle Ersatz zu bekommen. Erstens wegen der Kürze der Zeit und zweitens kommt unser Hauptmarkt aus dem Berliner Bereich, dort darf momentan keiner ausreisen. Aus Nordrhein-Westfalen oder Bayern kriegen Sie keinen, der so kurz entschlossen hier hochfahren kann. Die Märkte, die schnell reagieren könnten, liegen gerade in dem gefährdeten Bereich. 

Erst hat die Bundesregierung dazu geraten, Urlaub im eigenen Land zu machen  nun erlässt sie ein Berherbergungsverbot für Urlauber aus Risikogebieten. Können Sie sich als Hotelier in Zeiten wie diesen überhaupt noch auf irgendwas verlassen? Wie planen Sie?

Das ist das Schwierige. Wir sind dankbar, dass wir im Gegensatz zur Stadthotellerie, die ja extrem gebeutelt ist, zumindest Gäste aufnehmen konnten in den letzten Wochen und Monaten. Und wir hoffen, dass das wenigstens eine gewisse Zeit noch so anhält. Denn wenn das so weitergeht, müssen wir davon ausgehen, dass gerade Anfang November viele Regionen in Deutschland komplett rot sind. Wenn keine Gäste mehr da sind, müssen wir Mitarbeiter in Zwangsurlaub oder Kurzarbeit schicken, weil einfach keine Arbeit da ist. In diesen zehn bis elf Wochen Schließungsphase im Frühjahr haben wir knapp 25 Prozent unseres Jahresumsatzes verloren. Den kann ich natürlich auch nicht in diesen letzten Monaten kompensieren. Wir müssen um jeden Cent kämpfen, damit der Schaden nicht noch größer wird. 

Was wünschen Sie sich von der Politik, auch auf Bundesebene? 

Eine längere Planbarkeit. Wissen Sie, wenn ein Herr Spahn sagt, „plant keinen Auslandsurlaub, bleibt in Deutschland“, und dann trotzdem Leute im Ausland Urlaub machen und sich dort infizieren, ist das nicht konsequent genug. Man sollte außerdem einen Maßnahmenkatalog machen und schon bei 35 Infizierten auf 100.000 Einwohner kategorisch eingreifen und nicht erst ab 50. Sonst können die Gesundheitsämter schon gar nicht mehr nachvollziehen, wer mit wem in Kontakt war. Wir haben personaltechnisch schon die ersten Grenzen überschritten und reagieren trotzdem nicht früher. Dann könnten wir auch besser planen. Momentan haben wir das Gefühl, dass heute beschlossen wird, was morgen umgesetzt wird. So schnell können wir gar nicht reagieren. Aber ich bin ganz ehrlich: Lieber zehn bis 20 Prozent weniger Gäste als einen neuen Shutdown.

Anzeige