Müde Performance des Kanzlerkandidaten der Union - Laschet muss aus den Puschen kommen

In weniger als zwei Monaten ist Bundestagswahl, aber vom CDU-Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten gehen keinerlei Impulse aus. Das müsste er dringend ändern, um keine Bruchlandung hinzulegen. Denn ein Duo ist kein Team und Beliebigkeit keine Agenda.

Armin Laschet während einer Fernsehansprache zur Flutkatastrophe / dpa
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Autoreninfo

Markus Karp ist an der Technischen Hochschule Wildau Professor für Public Management und Staatssekretär a.D.

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Wäre die Bundestagswahl ein Flugwettbewerb, könnte Annalena Baerbocks Performance wohl am besten mit dem Flug des Ikarus verglichen werden. Sie ist der Umfragesonne sehr früh im Rennen sehr nahe gekommen, was aber auch die Fallhöhe beträchtlich vergrößert hat. Olaf Scholz’ Strategie gleicht jener des Andenkondors, der das Flügelschlagen minimieren kann, weil er klug alle sich bietenden Aufwinde nutzt. Der Vogel kann so ungeheure Distanzen zu fernen Zielen zurücklegen, ohne seine Kräfte vergeuden zu müssen. 

Armin Laschet schließlich gibt im Moment den Albatros: Er hat eine konkurrenzlos große Spannweite. In der Fachwelt ist seine Flugtechnik bekannt als dynamisches Segeln. Für Start und Landung braucht der Albatros aber die passenden Rahmenbedingungen: Der Wind muss stimmen, der Beineinsatz, von den Flügeln muss richtig Gebrauch gemacht werden. Ist das nicht gegeben, kommt es beim Abheben und Aufsetzen zu fatalen Problemen.

Die nicht stimmigen Rahmenbedingungen sorgen im Moment dafür, das Armin Laschet nicht elegant über die Wellen gleitet, sondern Bruchlandung zu erleiden droht. Allein hat das der Wahlkämpfer nicht zu verantworten: Er ist nicht der erste christdemokratische Kanzlerkandidat, der durch ein Jahrhunderthochwasser in Bedrängnis gebracht wird. Auch die systemischen Mängel im Katastrophenschutz, das Modernisierungsdefizit in der Staatsverwaltung und die sichtbar gewordene fehlende Krisenbewältigungskompetenz fallen nicht allein auf den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten zurück. Sondern auf nahezu die gesamte Spitzenpolitik, die sich gegenwärtig verglichen mit großen Vorbildern wie beispielsweise Helmut Schmidt mehr auf das aktionistische Posieren als das entschiedene Reagieren und das nachhaltige Reformieren versteht. 

Auch selbstverschuldete Fehler wie Gelächter zur Unzeit und kleine Schludrigkeiten in alten Monographien sind bei der Intensität, mit der Kanzlerkandidaten beobachtet und seziert werden, kaum vermeidlich und in der Vergangenheit fast jedem Anwärter auf das Bundeskanzleramt unterlaufen. 

Zwei gravierende Fehler

Der Wahlkampf Armin Laschets leidet aber unter zwei gravierenden Fehlern, die der Kandidat zur Gänze selbst zu verantworten hat: Zum einen sind es Ideenlosigkeit und die beharrliche Verweigerung belastbarer Vorschläge. Zum anderen die Nichtexistenz der vollmundig angekündigten Teamlösung. Beide Probleme könnten mit demselben Ansatz gelöst werden. 

Manifeste Vorschläge mit Spiegelstrichen sind von dem unideologischen Pragmatiker Laschet nicht zu erwarten, wären auch genau diesem über Jahre aufgebauten Image abträglich. Allerdings würde ein Team mit einer hochkarätigen Mischung aus frischen und renommierten Köpfen helfen, diese Konturlosigkeit zu überwinden. Vielfältige Fachpolitiker, die für bestimmte Denkschulen und Vorschläge stehen, würden die inhaltlichen Leerstellen Armin Laschets schließen und für die heterogene potentielle Wählerschaft der Partei Identifikationspotentiale bereitstellen, die der unter widrigen Umständen gekürte Parteichef und Kanzlerkandidat allein nicht zu liefern vermag. 

Das war immerhin auch das Versprechen des Aacheners und seiner Anhänger: Er sei ein Team- respektive Mannschaftsspieler, wolle das Spektrum der Union in seiner ganzen Breite einbinden, Diskussionen wieder zulassen, über die Flügel spielen wie die Volkspartei in alten Zeiten, so der Tenor und das Hauptargument für ihn. Nun aber besteht das gesamte Team Laschets nur aus dem einstigem Rivalen Friedrich Merz, dessen angedachte Rolle nach dem Wahlgang obendrein nicht klar ist. Andere Köpfe, gar ein inspirierendes Schattenkabinett, gibt es nicht. 

Eine mögliche Ära Laschet gleicht somit für die Wählerschaft einer Art Blackbox. Schon im jetzigen Kabinett finden sich außer beim Koalitionspartner kaum mehr profilierte Ministerinnen und Minister. Das wird von der nach 16 Jahren zur Überfigur gereiften Angela Merkel kompensiert. Armin Laschet kann aber von einem solchen Amtsbonus nicht profitieren. Umso mehr fehlen ihm weitere Köpfe mit einem eigenständigen politischen Charisma als Mitstreiter.

Im Schlafwagen ins Kanzleramt

Der Kanzlerkandidat aber ist der Versuchung erlegen, im Schlafwagen ins Kanzleramt reisen zu wollen. Nicht auffallen, nicht diskutieren, keine Querköpfe im Gefolge, die unliebsam polarisieren könnten. Die Fehler der Rivalen auskosten. Das aber kann nicht funktionieren: So erschöpft sich irgendwann das Interesse an den Pannen der Baerbock-Kampagne. Eine asymmetrische Mobilisierung im Stile Angela Merkels benötigt die Person Angela Merkels, um zu funktionieren. Und schließlich ist der bundesrepublikanische Biedermeier, der das letzte Jahrzehnt prägte, der Ernüchterung gewichen. 

Die Reformdividende der Jahrtausendwende ist aufgezehrt, ohne investiert worden zu sein. Die Wettbewerbsfähigkeit des Landes hat nachgelassen, bei der Digitalisierung hinkt es hinterher, die Infrastruktur ist nicht fit. Der Staat ist zwar allgegenwärtig, Abweichungen von der eingespielten Routine überfordern ihn aber komplett. Das hat die Corona-Krise ebenso gezeigt wie die Nichtbewältigung der Flutkatastrophe. Das Missmanagement bei den Corona-Hilfen, der Fehlschlag von technisch zeitgemäßen Ansätzen wie der Corona-App, die Überforderung bei den Präventions-, Abwehr- und Hilfsmaßnahmen im Zuge des Hochwassers trotz des überlauten Warnschusses eines krachend gescheiterten „Warntages“ im Vorjahr sind keine punktuellen Missgeschicke, sondern Symptome von Missständen im Staatswesen.

Vor diesem Hintergrund genügt es nicht, einen Wohlfühlwahlkampf ohne Ecken und Kanten zu führen, der unklar lässt, wie die offenkundigen Probleme gelöst werden sollen, die ein bloßes Weiter-so verunmöglichen. Auch die Aussicht auf ein farbloses Tableau altbekannter Funktionäre als Bundeskabinett wird keinen Wähler elektrisieren.  Ein Duo ist kein Team und Beliebigkeit keine Agenda. Wenn Armin Laschet vermeiden will, dass er wie der Albatros bei Windstille am Boden bleiben muss, sollte er schnellstmöglich für frischen Wind sorgen. 

Und zwar mit dem versprochenen Team, dass politisch vielfältig ist und jene Spannung verspricht, aus der ein glaubhafter Aufbruch erwachsen kann. Andernfalls wird die bräsige Siegesgewissheit, die Stillstand für die beste Art der Fortbewegung hält, bald ernüchtert werden.

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