Anschlag in New York - Gegen Terror braucht es Härte, keine Worte

Kisslers Konter: Der islamistische Terrorismus hat der freien Welt den Krieg erklärt. Um diesen zu gewinnen, kann Rhetorik kaum helfen. Die Reaktionen von Medien und Politik in Deutschland zeigen, wie schnell Betroffenheit zynisch werden kann – gerade im Mund der Kanzlerin

Die US-Amerikaner haben begriffen, dass gegen den islamistischen Terror Rhetorik nur wenig hilft / picture alliance
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Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Wieder ein Usbeke. Wie bei den islamistischen Anschlägen von Istanbul im Januar (39 Tote) und von Stockholm im April (fünf Tote) exportiert die zentralasiatische Republik mit ihrer sunnitischen Bevölkerungsmehrheit Dschihadisten. In New York mussten acht Menschen sterben, sind elf verletzt und zahlreiche weitere gezeichnet ihr Leben lang, weil der Usbeke Sayfullo Saipov mit einem gemieteten Kleintransporter seinen Menschenhass, seinen Freiheitshass, seinen Religionswahn praktisch werden ließ. Und wieder legt sich über das Grauen sofort ein Kokon aus routinierter Rhetorik und ritualisierter Betroffenheit, der trösten soll und nur zynisch ist. Damit muss Schluss sein. Ein Weiter-So darf es nicht geben – weder im Reden noch im Handeln. Den Opfern sind wir es schuldig.

Von ihnen wird bezeichnenderweise kaum geredet, obwohl es an Worten nicht mangelt. Davongekommene senden Hinterbliebenen ihre Anteilnahme: Mehr ist in den Medien und bei Politikern nicht zu holen. Opfer stören die Betriebsamkeit, sind die Lücke, die bleibt, der Stein, an dem die Gegenwart strauchelt. Unter den Teppich der Normalität sollen die beunruhigenden Fragen gekehrt werden, die unser aufgeklärtes Selbstverständnis provozieren: Wieso bewegen Dschihadisten aus aller Herren Länder sich frei in den Metropolen des Westens, um dort Tod und Hass zu säen? Weshalb hört man von anderen Angehörigen derselben Religion, des Islams, mal schmallippige Distanzierungen, mal klammheimliche Freude, selten grundsätzliche Selbstkritik? Und warum ist in manchen öffentlichen Debatten Islamkritik verwerflicher als Islamismus?

Die übliche Betroffenheitsrhetorik

Deutsche Politiker fürchten solche Fragen wie der Teufel das Weihwasser. Sie wollen nicht verantwortlich sein für Zustände, derer sie nicht gewehrt haben. Darum äußert man „tiefe Betroffenheit“ über den „Anschlag von Halloween“ (Bundesratspräsident Michael Müller), ist „bestürzt über den hinterhältigen Anschlag in Manhattan“ (Bundesaußenminister Sigmar Gabriel), reagiert „mit Bestürzung“ auf diese „abscheuliche Gewalttat“ (Bundeskanzlerin Angela Merkel) und will ansonsten nicht gestört werden beim Regieren.

Den Amerikanern aber schickt man gute Ratschläge aus sicherer Entfernung. Von Müller gibt es „unsere Solidarität“, New York sei schließlich „Symbol unseres gemeinsamen freiheitlichen, offenen und toleranten Lebensstils“ – als könnten Offenheit und Toleranz taugliche Mittel sein im Terrorabwehrkampf. Von Gabriel kommen „Gedanken“ und „Mitgefühl“ und die knallharte Erwartung, „die freie und offene Lebensweise der New Yorker wird diese Tat nicht zerstören können“ – als gäbe es nicht auch New Yorker, die mit heißen Tränen ein Stück dieser Offenheit gerne gegen das Leben ihrer Lieben tauschten. Von Merkel stammt die kühnste Wendung: Im „Kampf gegen den Terrorismus“ vertraut die Kanzlerin auf „die Überzeugungskraft unserer freiheitlichen Werte“.

Islamisten wollen nicht überzeugt werden

Wen bitte schön sollen „unsere freiheitlichen Werte“ überzeugen? Die Islamisten, damit sie von ihrem Hass ablassen, der sich doch gerade gegen „unsere freiheitlichen Werte“ richtet? Ein Zirkelschluss ist eine Gerade gegen diese Volte. Oder sollen die Terrorbekämpfer sich eingedenk „unserer freiheitlichen Werte“ in ihrem Tun zurückhalten und Freiheit prinzipiell höher gewichten als Sicherheit, und wär‘s die Freiheit zum Tode? Dann müssten islamistische Morde als Kollateralschäden „unserer freiheitlichen Werte“ akzeptiert werden. Man sage es nur den Opfern ins Gesicht oder streue ihnen diese Weisheit aufs Grab.

Deutsche Medien bemühen sich derweil, den „blutigen Zwischenfall“, den „Vorfall mit Fahrzeug in New York“ zu mystifizieren. Sayfullo Saipov rief auf Arabisch „Allah ist größer“, als er sein Mordwerkzeug verließ? Was soll's, „warum genau der mutmaßliche Täter das Attentat beging, ist nicht bekannt“. Immerhin hat bisher niemand die Mär angestimmt vom traumatisierten Globalisierungsverlierer oder psychisch labilen Diskriminierungsopfer, dem spontan die Sicherungen durchgebrannt seien. Dafür darf im ZDF ein Auslandskorrespondent tief in die Klischeekiste greifen und den muslimischen Mehrfachmörder einen bisher „netten, vernünftigen, jungen Mann“ nennen. Auch so kriecht der Fatalismus in die Worte hinein und macht ein Achselzucken zur Opferbeschimpfung.

Trotz ist keine demokratische Reaktion

In den Vereinigten Staaten scheint die Scheuklappe ausgedient zu haben. „Wir befinden uns im Krieg“, sagt Zuhdi Jasser vom „Amerikanischen Islamischen Forum für Demokratie“ – und so ist es. Der eliminatorische Islamismus hat der Freiheit und dem Leben den Krieg erklärt, weltweit. Die Freiheit wird, derart angegriffen, nicht allein durch Bekenntnisse und schon gar nicht durch Trotz obsiegen. Wem nichts anderes zu den Massenmorden einfällt als der Trotz, an der bisherigen Lebensweise festzuhalten, der hat innerlich kapituliert. Trotz ist die Eigenschaft von Kleinkindern, nicht von reifen Demokratien.

Darum ist es nachvollziehbar, klug und nötig, wenn der Präsident der Vereinigten Staaten ein Ende jenes Visa-Losverfahrens namens „Diversity Programm“ ankündigt, mit dem Saipov einreiste. Sicherheit geht im Zweifel vor Vielfalt, die kein Wert an sich ist. Sicherheit geht auch vor schrankenloser Freiheit, wenn diese zum Freibrief wird für terroristische Unternehmungen. Und wer mag angesichts des typischen Dschihadistenzottelbarts des usbekischen Attentäters wirklich gegen schärfere Personenkontrollen optieren?

Der Islam hat ein Gewaltproblem

Die freien Staaten diese Erde müssen neu, mühsam und gegen innere Widerstände lernen, dass die schönen Tage des republikanisch Fraglosen vorbei sind. Der islamistische Krieg verlangt Härte im Namen der Freiheit – und erzwingt einen Erkenntnisschock: Der Islam hat ein Gewaltproblem; Freiheitsfeind ist nicht, wer es anspricht, sondern wer es verschweigt. Prinzipiell offene Grenzen sind in Zeiten wandernder Terroristen ein Risiko; jeder Staat hat das Recht, den Zugang zu seinem Territorium zu kontrollieren. Menschenrechte implizieren keine finanziellen Anspruchsrechte gegen fremde Staaten; es kann vernünftig sein und geboten, den Familiennachzug zu unterbinden und Rückführungen zu forcieren. Mit seiner Kritik an der „Kettenmigration“ durch Großfamilien, wie sie Saipov praktiziert hatte, stößt Donald Trump eine Debatte an, die auch in Deutschland sachlicher geführt werden muss.

Nur einen Tag, bevor in New York ein Usbeke ein Auto in mörderischer Ansicht bestieg, wurde in Schwerin ein Syrer verhaftet, der weit größere Verheerungen anrichten wollte. Der 19-jährige Islamist war 2015 als Flüchtling nach Deutschland gekommen und genoss „subsidiären Schutz“. Auch hier gilt es nüchtern zu fragen: Bis zu welchem Umfang will Deutschland weiterhin Asylbewerber, Flüchtlinge, Migranten aufnehmen und alimentieren, wenn sich erweist, dass sich die damit einhergehenden Massenunterkünfte von nicht beschäftigten jungen Männern als Brutstätte von Terror erweisen? Ein Reden, das ein wohlmeinendes Plappern ist, und ein Handeln, das aus Wegschauen und Gesundbeten besteht, werden den muslimischen Terror nicht in die Knie zwingen. Zeit, dass sich was dreht.

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