Annegret Kramp-Karrenbauer - Vielleicht mal einen Baum umarmen?

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer steckt in einem strategischen Dilemma namens Merkel. Wenn sie sich daraus nicht aktiv befreit, wird sie zur Fußnote der Parteigeschichte

AKK und ein Bienenstaat / picture alliance
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Zum Beispiel dieses Wochenende. Die CDU hat sich wegen der dort anstehenden Wahlen nach Hamburg zu einer Klausur aufgemacht. Immerhin ist es der Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer dabei über ihr Amt als Verteidigungsministerin gelungen, den Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zur Strategiesitzung in die Hansestadt zu holen. Das ist dann aber auch schon fast alles, was man vom CDU-Treffen ohne die Kanzlerin über die Nachrichten erfährt.

Denn alle Lichtkegel waren an diesem Wochenende auf das Kanzleramt gerichtet. Deutschland richtet eine Konferenz aus, die einen Waffenstillstand in Libyen zum Ziel hat und der schlussendlich auch so verkündet wurde. Alle kamen! Die Konfliktparteien aus dem Krisenland, Erdogan, Putin, US-Außenminister Pompeo, Macron, alle! Und mitten in der Manege: Die potenzielle Friedensbringerin Angela Merkel.

Sie will Bundeskanzlerin werden

Annegret Kramp-Karrenbauer hat in ihrer Karriere immer wieder Mut bewiesen. Sie hat sich öfter auf Missionen eingelassen, bei denen es weder eine behagliche Rückfallposition noch ein Auffangnetz gegeben hat. Ihr artistischster Akt aber bleibt die Übernahme des CDU-Parteivorsitzes vor mehr als einem Jahr als Siegerin nach einem harten innerparteilichen Wettbewerb unter der Prämisse, dass Angela Merkel weiter bis zum Ende der Wahlperiode 2021 Kanzlerin bleibt.

Wir wissen nicht, ob es ein geheimes Zusatzprotokoll dieses Abkommens zwischen Merkel und AKK gibt. Was man aber inzwischen weiß: Der Deal läuft nicht zugunsten der neuen Amtsinhaberin, die im persönlichen Kontakt keinen Zweifel aufkommen lässt, dass der Parteivorsitz nicht ihr finales Ziel ist. Sie will Bundeskanzlerin werden. Wie einige andere in ihrer Partei auch.

Vergangenheit, die nicht vergehen will

Aber diesem Ziel steht Angela Merkel im Weg. Die Amtsinhaberin genießt die Monate, seit sie nicht mehr mit der Fron des Kleinen und Parteipolitischen befrachtet ist. Sie macht Weltpolitik, wie am Wochenende. Alle Versuche von AKK, sich von der Bundeskanzlerin und Vorgängerin zu emanzipieren, sich Beinfreiheit zu verschaffen, sind fehlgeschlagen. Ein Werkstattgespräch genanntes Treffen zur Flüchtlingspolitik 2015 blieb so harmlos, wie es klang und wurde nicht zum Tribunal.

Dass AKK sich in der Frage der Organspende am Ende siegreich gegen den Spahn-Vorschlag und damit auch gegen Merkels Unterstützung des Gesundheitsministers gestellt hatte, ist eine Facette, die nur Feinschmecker des politischen Betriebes registrieren. Angela Merkel ist Vergangenheit, die nicht vergehen will. Die Hilflosigkeit und Schicksalsergebenheit, in der AKK agiert, ruft schon Unterstützer auf den Plan. CSU-Chef und Ministerpräsident Markus Söder dringt auf eine verjüngende Kabinettsumbildung in Berlin, um die Präteritums-Anmutung der Bundesregierung zu beheben.

Söders Minister-Rochade 

Dabei mag er seinen inzwischen schlohweißen Amtsvorgänger Horst Seehofer im Blick haben. Der ihm aber gar nicht mehr in die Quere kommen kann. Söder hat sein Terrain arrondiert. Es hat auch lange genug gedauert, bis er Seehofer niedergerungen hatte. Seine Ansage (und seine kleine Minister-Rochade im bayrischen Kabinett) sind vor allem ein Fingerzeig auf seine neue Verbündete im Hier und Heute:

Liebe Annegret, es gibt in der Koalition eine Frage, in der die Macht offiziell in den Händen der Parteivorsitzenden liegt, und das ist die Besetzung der Minister. Selbst wenn am Ende schwer vorstellbar ist, wie AKK sich da über den Willen der Kanzlerin hinwegsetzen soll, könnte sie ihr an dieser Stelle mit Fug und Recht die Stirn bieten. Es zu einem Machtkampf kommen lassen, mit dem Hinweis, dass es um die Zukunft gehe. Und die ist nach Lage der Dinge sicher nicht Angela Merkel.

Etwas mehr Machtanspruch und Raffinesse

Markus Söder hat in den vergangenen Jahren und den letzten Monaten innerhalb der Union den größten Machtwillen gezeigt, weshalb ihn die Zeit in ihrer aktuellen Ausgabe als die stärkste Führungsfigur innerhalb der Union bezeichnet. Allein das müsste für Kramp-Karrenbauer Motiv genug sein, mehr Initiative zu zeigen. Sonst wackelt hier der Schwanz mit dem Hund.

Sie muss ja nicht gleich unerwartet Bäume umarmen, wie es der Franke inklusive Bienenrettung versucht, den Grünen nachzumachen. Was auch nur seine eigenen Umfragewerte in die Höhe trieb, jene der CSU aber nach unten drückte. Aber etwas mehr demonstrativer Machtanspruch, etwas mehr Raffinesse darf es schon sein. Sonst wird aus der Kronprinzessin AKK die Winterkönigin, eine Schnuppe der CDU-Historie.

„Hang zu Schmutzeleien“ 

Horst Seehofer hat Markus Söder auf dem Höhepunkt des Machtkampfes zwischen den beiden einmal einen Hang zu Schmutzeleien vorgeworfen. Aus dem Munde eines Horst Seehofer durfte Söder das getrost als Kompliment verstehen. Denn von dieser Kategorie des Politischen versteht Horst Seehofer eine ganze Menge.

Fest steht jedenfalls so viel: Söder hat früh erkannt, dass man Vergangenheit, die nicht weichen will, nicht wegstreicheln kann. Das ist die Erkenntnis, die der fränkische Bruder Söder seine Partei-Schwester Kramp-Karrenbauer lehren möchte. Sie sollte diese Lehre beherzigen. Unabhängig davon, ob es ein geheimes Zusatzabkommen zwischen Merkel und ihr gibt. Sie muss agieren, nicht reagieren, punktuell, kraftvoll auch gegen Merkel. Sonst wird sie nicht Kanzlerin.     

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