Die Kaiserkanzlerin - Was Angela Merkel mit Karl V. verbindet - und von ihm unterscheidet

Erst Herrenchiemsee, nun die Zeche Zollverein: Angela Merkel kommt dieser Tage viel herum. Die Inszenierungen erinnern an das Gebaren von Karl V., haben im 21. Jahrhundert allerdings auch Züge einer Schmierenkomödie.

Söder und Laschet buhlen um die Gunst der Kanzlerin. Der scheint das zu gefallen / dpa
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Karl V. wird seit jeher „der Reisekaiser" genannt. Der zutiefst katholische Zeitgenosse und Gegenspieler des ersten Protestanten Martin Luther bereiste sein riesiges Reich ununterbrochen, im Bestreben, es zusammenzuhalten. Am Ende zerfiel es ihm doch, wie der Historiker Heinz Schilling in einer aktuellen und überaus lesenswerten Biographie pointiert beschreibt. Und Karl war der erste und einzige Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, der aus freien Stücken abdankte und seinen Lebensabend mit einer kleinen Apanage von 20.000 Gulden im Jahr nahe eines Klosters bei Valladolid verbrachte. Papst Benedikt XVI ist in dieser Hinsicht die einzige katholisch-klerikale Figur, die mit Karl V. vergleichbar ist.   

Angela Merkel, die Bundeskanzlerin, hat in den vergangene Wochen auch zwei ausgewählte Pfalzen ihres Einflussgebietes bereist. Immer mit dem gebotenen Hinweis auf dessen föderalen Aufbau und die damit verbundene partielle Autonomie der jeweiligen Gemarkungen. Empfangen wurde sie freudig und huldvoll von Statthaltern ihrer Parteienfamilie. Einmal von Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder auf Herrenchiemsee – barock-opulent wie die katholischen Kirchen in seinem Land. Und einmal eher protestantisch-genügsam von CDU-Ministerpräsident Armin Laschet im Malocher-Museum der Zeche Zollverein in Nordrhein-Westfalen. Was auch schon wieder eine kleine Pointe bereit hält: Der fränkische Protestant Söder mag‘s üppig-katholisch. Der Katholik Laschet demonstrativ spartanisch.

Selektive Aufmerksamkeit 

Besuch und Komplementärbesuch waren von hohem medialem Interesse begleitet, und die Kanzlerin spielte hie wie da ein gar neckisch Spiel mit der Frage, die alle angereisten Kollegen umtrieb: Welchem der beiden Kurfürsten gehört denn nun die wahre Huld der Kanzlerin? Wer soll das Zepter von ihr übernehmen? Und wie sie es sich zum Gelübde gemacht hat, ließ die Kanzlerin keinerlei Präferenz erkennen. Lobte den einen wie den anderen. Und siehe, alles war irgendwie gut und alle waren glücklich. 

Außer man findet, dass da von allen Beteiligten ein albernes Spiel gespielt wurde, das dem Gelübde der Nichteinmischung in die doppelte K-Frage der Union offenkundig widerspricht. Denn weder bereist Angela Merkel in diesem Sommer alle Bundesländer und Ministerpräsidenten – von Malu Dreyer, SPD, über Winfried Kretschmann, Grüne, bis Bodo Ramelow, Linke – noch wäre bekannt, dass sie demnächst mit Friedrich Merz im Sauerland einen Ausflug auf frisierten Mopeds machen werde. 

Nicht allen Einladungen muss man folgen 

Merkel macht ihre Aufwartung zweien, die darum buhlen, oder denen das jedenfalls aufgrund von starken Indizien unterstellt wird, für die Union als Kanzlerkandidat gegen Olaf Scholz von der SPD und gegebenfalls einen Kandidaten oder eine Kandidatin der Grünen anzutreten. Laschet müsste dafür vorher noch den Wettkampf um den CDU-Vorsitz für sich entscheiden, in dem sein ernstzunehmender Gegner Friedrich Merz heißt. 

Es sollen Einladungen gewesen sein, denen Merkel nachkam. Es kommen viele Einladungen im Kanzleramt an. Die allermeisten werden abgelehnt. Und sie und ihre Entourage haben natürlich sofort die politische Wirkung dieser beiden Besuche kurz aufeinander erkannt. Man muss nicht hochbegabt sein, um das zu erkennen. Und man hätte auch gut in beiden Staatskanzleien anrufen und dort erklären können, warum das im Moment keine gute Idee ist. 

Gewünschte Inszenierung 

Merkel ist trotzdem zweimal gefahren. Manches spricht dafür, dass sie einfach eine Lust an dem Machtspiel hat, das damit verbunden ist. Sightseeing könnte sie auch anders betreiben, ohne solche politischen Implikationen auszulösen. So zu tun, als wisse sie gar nicht, was dieser ganze Auftrieb und die Frage sollen, ist abgeschmackt. Zurück bleibt der schale Eindruck: Die Kanzlerkaiserin genießt auf den letzten Metern ihre Wirkmacht, spielt dieses neckische Spiel mit. Und dankt dann, was vor ihr auch kein deutscher Kanzler so getan hat, alsbald ab wie seinerzeit Karl V.

Geschichte und Verhalten von Machthabern wiederholen sich in ihren Mustern eben doch. Nur: Was einst im Reich Karls V. angemessen war, hat heute – in der Demokratie – Züge einer Schmierenkomödie. 

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