Altersprüfung bei Flüchtlingen - Gesucht wird kein Geburtstag

Der Widerstand gegen die Altersüberprüfung minderjähriger Migranten ist Unsinn. Das sollte auch Ärztepräsident Frank Montgomery erkennen

Erkennungsdienstliche Erfassung von Flüchtlingen: Warum nicht auch medizinisch? / picture alliance
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Bei einer geselligen Zusammenkunft hat Hermann Gröhe einmal sein Erfolgsrezept anvertraut. Allen seine VorgängerInnen als Gesundheitsminister stand demnach immer der Schweiß auf der Stirn, wenn sie alle Jahre wieder zum Bundesärztetag mussten, um dort von Frank Montgomery, dem ewigen Vorsitzenden der Bundesärztekammer, geschnetzelt zu werden. Nicht so Gröhe. Für ihn ist dieser Besuch stets einem wohligen Schaumbad gleichgekommen. 

Das Erfolgsrezept war ganz einfach: Einbinden, schmeicheln, das Gefühl geben, wichtig zu sein. Diese Methode führt bei Herrn Montgomery todsicher zu Erfolg. Denn dessen Geltungsbewusstsein ist so opulent wie sein inzwischen leicht ergrauter Schnauzer. 

Montgomery sträubt sich gegen das Naheliegende

Dieser Tage hatte Montgomery wieder einen großen Auftritt. Kein Heimspiel beim Ärztetag. Sondern im Fernsehen. Er äußerte sich zu der Frage, ob es nach den Fällen von Kandel und Freiburg und überhaupt sinnvoll sein könnte, medizinisch zu prüfen, ob es sich bei den auffallend vielen behauptet minderjährigen Migranten ohne Papiere wirklich um Minderjährige handelt. Im Falle des Angeklagten von Freiburg hat sich im Zuge des Verfahrens mittlerweile erwiesen, dass er bis zu 32 Jahre alt ist und nicht 17, wie behauptet. Auch in Kandel gibt es Zweifel an der Behauptung, der Täter, der seine vormalige Freundin erstochen hat, sei tatsächlich erst 15 Jahre alt und so im Prozess nach Jugendstrafrecht zu behandeln. 

Montgomery sträubt sich nun gegen die naheliegende Methode, mittels einer Handknochenanalyse per Röntgengerät das tatsächliche Alter der betreffenden Personen festzustellen. Und er argumentiert dabei in bedeutender Pose so, dass sich mittels dieser Methode auch nur ein Alterskorridor feststellen lasse, aber kein präzises Alter. 

Was aber, werter Ärztepräsident, ist denn das für ein Argument? Gesucht wird kein Geburtstag. Es entkräftet gar nichts von dieser naheliegenden, hilfreichen und einfachen Methode. Denn ob die betreffende Person am Ende 23 oder 27 Jahre alt ist, spielt dann keine Rolle. Es gilt in jedem Fall das Erwachsenenstrafrecht. Und bei einer Spanne zwischen 16 und 19 handelt man nach dem altehrwürdigen Prinzip „in dubio pro reo“, nimmt also die Unterkante des Ergebnisses als Maßstab. 

Betrug nicht ohne Gegenwehr hinnehmen

Diese Methode ist daher ebenso statthaft wie der Versuch, anhand von existierenden Smartphonedaten die Stichhaltigkeit der behaupteten Herkunft zu untersuchen. Dass es auch dafür Umgehungsmöglichkeiten gibt (das Handy ebenso zu verlieren wie den Pass) spricht ebenso wenig gegen die Maßnahme wie das dünne bis hanebüchene Argument des Frank Montgomery gegen den Handknochentest. Zumal die Ministerpräsidentin des Saarlandes, Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), schon vermeldet hat, dass in ihrem Bundesland auf diese Art und Weise festgestellt wurde: Bei etwa 35 Prozent der untersuchten Personen stimmt die Altersangabe nicht. 

Deutschland soll und muss als wohlhabendes und ziemlich sicheres Land Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten im Rahmen seiner Möglichkeiten und der Maßgaben des Grundgesetzes helfen. Es muss sich dabei aber nicht ohne Gegenwehr Behauptungen in betrügerischer Absicht ergeben. 

Viel früher schon hätten Handy- und Altersüberprüfungen nicht nur diskutiert, sondern standardmäßig eingeführt werden müssen. Gerade weil Bund, Länder und Kommunen viel Geld und viele Menschen ehrenamtlich viel aufwenden für diese Hilfe. Es sind nicht nur Mittel gegen Betrug. Es fördert auch die Akzeptanz dieser Mammutaufgabe in der heimischen Bevölkerung. Und das kommt auch den vielen Zuwanderern zugute, die sich keine Vorteile durch falsche Angaben erschleichen.

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