Alice Weidel und die AfD - Die neue Altpartei

Intrigen, Postengeschacher, Abgehobenheit – all das warf  die AfD ständig den „Altparteien“ des politischen „Systems“ vor. Doch spätestens mit dem Parteispenden-Skandal um Alice Weidel zeigt sich: Die selbsternannte Alternative ist eine Partei wie jede andere auch

Alice Weidel, Fraktionskollegen: angekommen im verhassten politischen Establishment / picture alliance
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Ein mittlerweile etwas älterer Bekannter erzählte mir einmal, wie er fast in die Politik gegangen wäre. Ein Freund nahm ihn Mitte der Achtziger mit zu einer Versammlung der FDP. Gerade war Otto Graf Lambsdorff zu einer Geldstrafe von 180.000 Mark wegen Steuerhinterziehung in der Flick-Affäre verurteilt worden. Auf der Versammlung überschlugen sich die FDPler dann mit Solidaritätsbekundungen für Lambsdorff. Mein Bekannter, ein Jurist mit klaren Prinzipien und ein Freund des offenen Wortes, fand das empörend. Das sagte er auch. Sofort wurde er niedergebrüllt. Wer denn den Nestbeschmutzer eingeladen hätte? Nach der Debatte kamen einige FDPler auf ihn zu und klopften ihm auf die Schulter. Endlich hätte das mal einer gesagt, flüsterten sie. Mein Bekannter beschloss noch am selben Tag, nie in die Politik zu gehen. 

Das Versprechen der AfD

Die AfD ist angetreten mit dem Versprechen, ein Ort für Menschen wie meinem Bekannten zu werden. Intrigen, Machtkämpfe, Postengeschacher, Flügelkämpfe, Kleinkrieg gegeneinander, Bürgerferne, Abgehobenheit – all das warf  die AfD ständig den „Altparteien“ des politischen „Systems“ vor. Die bundesdeutsche Demokratie sei zum Selbstbedienungsladen der Parteifunktionäre verkommen.

Auch dagegen wollte die AfD mit ihrer Gründung 2013 eine Alternative bieten. Basisdemokratie, Transparenz und Meinungsfreiheit – vor allem auch innerparteilich – diesen Prinzipien verschrieb sie sich. Tatsächlich hatte sie so damals gute Chancen, sich als bürgerliche, rechtskonservative und nationalliberale Partei zu etablieren. Eine in die Mitte drängende CDU hatte rechts von ihr eine große politische Leerstelle hinterlassen. Und so konnte die Partei ein Auffangbecken werden für konservative Christdemokraten, eurokritische Volkswirte und Liberale, die auch von den innerparteilichen Machtspielen in Union oder FDP genug hatten.

Wie die anderen Parteien auch

Doch davon ist schon fünf Jahre später nicht mehr viel übrig. Der Spendenskandal um Alice Weidel ist dafür nur das jüngste Beispiel. So hat die AfD eine eigene Parteistiftung eröffnet – wie alle anderen Parteien. Sie greift damit Steuergeld ab wie alle anderen auch– obwohl die AfD die staatliche Parteienfinanzierung sonst immer anprangert. Der Parteigründer Bernd Lucke und die einstige populäre Vorsitzende Frauke Petry wurden nach Machtkämpfen abgesägt, auch wenn sie selbst daran nicht unschuldig waren. In der Kunst der Ämterhäufung erwiesen sich Führungsleute wie Jörg Meuthen und Alexander Gauland als wahre Virtuosen. 

Und was ist mit der Meinungsfreiheit? Vielleicht sollte man einmal bei Jörn Kruse nachfragen, früherer Fraktionsvorsitzender der AfD in der Hamburgischen Bürgerschaft. Kruse hatte von der Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht und in einem Interview AfD-Positionen als „unpräzise“, „unsinnig“ und  „töricht“ bezeichnet.  Sofort wurde Kruse von seinen Parteifreunden abgemahnt und bekam einen Maulkorb verpasst. 2018 verließ Kruse entnervt die Fraktion. Die zahlreichen völkischen Entgleisungen eines Björn Höcke hingegen blieben weitgehend ohne Konsequenz

Aufklärung nur aus Machtkalkül

Jetzt hat die AfD also auch ihren Parteispendenskandal und ist damit endgültig im von ihr angeblich so verhassten politischen Establishment angekommen. Entsprechend träge gestaltet sich die Aufklärung der Vorgänge. Eilig hat es die AfD mit der Einhaltung von Recht und Gesetz offenbar nur, wenn es andere betrifft. Und selbst wenn der Ruf zur schnellen Klärung ertönt, dann hauptsächlich aus Machtkalkül. Hervorgetan hat sich damit Ralf Özkara, Landessprecher in Baden-Würtemberg und ein Vertrauter des Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen. Das Verhältnis zwischen Weidel und Meuthen gilt als unterkühlt, um es milde auszudrücken. In Baden-Württemberg hatte Meuthen Weidel wegen persönlicher Befindlichkeiten abgesägt, als diese Landesparteichefin werden wollte.

Doch kann die AfD als neue Altpartei lange überleben? Derzeit eilt sie noch von Wahlerfolg zu Wahlerfolg, obwohl die Ergebnisse in Bayern und in Hessen magerer ausfielen, als von vielen erhofft. Offenbar gibt es in Deutschland genug Wähler, deren Hass auf das politisches Establishment so groß ist, dass sie der selbsternannten Alternative viel verzeihen. Doch Teil des „Systems“ ist die AfD schon geworden. 

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